Dieses Bild zeigt einen Fleisch-Prototyp aus dem Labor von 2018.

Dieses Bild zeigt einen Fleisch-Prototyp aus dem Labor von 2018.

© Aleph Farms; Immunofluorescence: Technion Institue of Technology, Israel

Science

Mehrheit der Österreicher für Zulassung von Laborfleisch

63 Prozent der Menschen in Österreich sind für eine Zulassung von sogenanntem Laborfleisch, sofern es für sicher befunden wurde. Das zeigt eine am Mittwoch veröffentlichte Online-Umfrage im Auftrag des Thinktanks Good Food Institute Europe durch YouGov. Generell sei das Interesse an "nachhaltigeren" Ernährungsformen groß: 59 Prozent finden, dass zu viele tierische Produkte konsumiert werden. 47 Prozent wünschen sich Alternativen zu Fleisch, Fisch, Eiern und Milchprodukten.

30 Prozent der gut 1.000 Befragten gaben an, dass sie selbst in den nächsten zwei Jahren mehr pflanzliche Fleischalternativen konsumieren wollen, 28 Prozent mehr pflanzliche Milchalternativen. 60 Prozent finden, "dass die Politik die Benachteiligung von pflanzlichen Milchalternativen bei der Mehrwertsteuer" beenden müsse.

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Heimisches Laborfleisch 

59 Prozent berichteten, dass sie auch schon von im Labor produziertem Fleisch gehört hätten. 42 Prozent würden "Laborfleisch" zumindest einmal probieren. Von den Unter-35-Jährigen und Flexitarier*innen - sogenannte flexible Vegetarier*innen, die Fleisch aus Massenproduktion ablehnen - sagte das jeweils sogar mehr als die Hälfte. 66 Prozent finden, dass "kultiviertes Fleisch" auch in Österreich hergestellt werden soll, wenn es auf den Markt kommt, damit die heimische Wirtschaft profitieren kann. "Diese Position wird in allen Wählergruppen geteilt", hieß es im Bericht zur Umfrage.

"Hinter Laborfleisch steht eine riesige Industrie-Lobby. Es geht um die Frage, ob wir uns künftig mit Kunstfleisch aus der Fabrik oder mit natürlichen, regionalen Lebensmitteln ernähren wollen", gab Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) zu denken. "Industrielles Laborfleisch" stehe im Widerspruch "zu unseren bäuerlichen Familienbetrieben und unserer natürlichen Lebensmittelproduktion. Hier werden Inhaltsstoffe und Methoden eingesetzt, deren Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt noch keiner gänzlich kennt".

Folgenabschätzung für EU gewünscht

Er forderte gegenüber der APA eine breite Diskussion sowie Transparenz und eine umfassende Folgenabschätzung in der EU. Sonst drohe, "dass wir uns beim Essen in eine blinde Abhängigkeit einiger weniger internationaler Großkonzerne begeben". Gemeinsam mit Italien und Frankreich "habe ich deshalb vor der drohenden Marktzulassung eine breite Diskussion auf EU-Ebene gefordert", so der Minister. "Österreichs Vorstoß haben 18 EU-Länder unterstützt."

"Kultiviertes Fleisch muss ein gründliches, mehrstufiges Zulassungsverfahren durchlaufen, bevor es auf den europäischen Markt kommt", sagte Ivo Rzegotta, Senior Public Affairs Manager beim Good Food Institute Europe. Die Ergebnisse würden zeigen, "dass die Österreicher keine ideologisch aufgeladenen Debatten wollen, sondern dass sie es den Menschen überlassen wollen, ob sie kultiviertes Fleisch essen oder nicht".

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Stammzellen aus Kälber-Föten

Für die Herstellung von "Laborfleisch" sind Stammzellen notwendig, die aus dem Muskelgewebe eines lebenden Tieres gewonnen werden. Im Labor werden die Zellen in einem Behälter mit einer Nährlösung angereichert. Um sie zu vermehren, ist außerdem ein sogenanntes Wachstumsserum notwendig. Dabei handelte es sich bei den bisher häufig angewendeten Technologien um Blut, das Kälber-Föten entnommen wird. Bei der Gewinnung stirbt sowohl der Fötus als auch das Muttertier. Es wird aber auch bereits mit Methoden geforscht, die ohne dieses fetale Kälberserum auskommen.

Wenn genügend Zellen herangewachsen sind, wird das Endprodukt durch einen Fleischwolf oder mithilfe eines 3D-Druckers geformt. Daraus entstehen dann etwa Burger-Patties oder Nuggets. Als erstes Land in der EU hat Italien im vergangenen Juli für ein Verbot von Lebensmitteln aus Zellkulturen gestimmt. Das ließ die Debatte in Europa aufflammen.

Kampfansage des Bauernbund-Präsidenten 

Bauernbund-Präsident Georg Strasser bezeichnete die am Dienstag vorgestellten Ergebnisse als unseriös: "Diese Online-Umfrage ist nicht repräsentativ und wurde von einer NGO lanciert, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die natürliche Lebensmittelproduktion zu verteufeln." So würden "Sorgen und Ängste bei unseren nachhaltig produzierenden Bauernfamilien" geschürt. "Durch tendenziöse Fragestellungen wird bewusst ein Ergebnis provoziert, das in eine gewisse Richtung zeigen soll. Das ist eine Kampfansage und wir wollen es nicht zulassen, dass dieser Kampf auf dem Rücken unserer Bäuerinnen und Bauern ausgetragen wird." Die Landwirtschaft und deren wesentlicher Beitrag zum Klima- und Umweltschutz dürften nicht schlechtgeredet werden.

Interesse an einer Änderung der Konsumgewohnheiten besteht in Österreich aber auch abseits von "Laborfleisch", legt die Umfrage nahe: "46 Prozent der Befragten sagen, dass sie in den nächsten zwei Jahren weniger tierische Produkte konsumieren wollen." Dabei geht es vor allem um pflanzliche Optionen zu Fleisch oder Milchprodukten. 53 Prozent hoffen, dass Landwirte dabei unterstützt werden, auf einen höheren Anteil von pflanzlichen Lebensmitteln umzustellen. 50 Prozent wollen den Anteil von pflanzlichen Produkten in öffentlichen Kantinen erhöht sehen, zum Beispiel in Schulen und Krankenhäusern.

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