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Warum essen nicht schon alle Laborfleisch?

Jänner - Monat der guten Vorsätze. Für viele steht neben mehr Sport oder weniger Alkohol auch der Verzicht von tierischen Lebensmitteln auf der Agenda zu Jahresbeginn. Dafür gibt sogar einen eigenen Begriff: “Veganuary”! Hinter dem Namen steckt eine gemeinnützige Organisation, welche es sich seit offiziell 10 Jahren zum Ziel gemacht hat, Menschen weltweit dazu ermutigen, sich im Januar und darüber hinaus vegan zu ernähren. Neben Privatpersonen spricht die NGO auch Unternehmen an und unterstützt Veganuary-Teilnehmer*innen mittels Zusendungen von digitalen Kochbüchern, Essensplänen und weiteren Tipps in diesem Monat. So haben sich 2023 so viele Interessierte wie noch nie für das kostenlose Programm angemeldet: 700.000 offizielle Registrierungen wurden weltweit für die Teilnahme für den letztjährigen Veganuary verzeichnet. Alleine in Deutschland machten 850 Unternehmen mit, um ihren Mitarbeiter*innen einen pflanzlichen Start ins neue Jahr zu ermöglichen.

Zahlen, die zeigen, wie hoch das Interesse an der veganen Lebensweise ist. Die Motivation dafür reicht von gesundheitlichen, ökologischen bis hin zu ethischen Gründen. Auch wenn der Anteil an Veganer*innen steigt - in Österreich von 2021 auf 2023 von 3 auf 5 Prozent - isst die Mehrheit auch Fleisch und tierische Produkte. Pflanzliche Alternativen für Fleisch, Milch und Ei gibt es mittlerweile in allen möglichen Variationen und der Markt dafür boomt. Da diese Produkte aber nicht zu den Grundnahrungsmitteln gezählt werden, sind sie höher besteuert und somit teurer als ihre tierischen Pendants. Hochpreisig sind auch die Herstellungskosten von sogenanntem “In-vitro-Fleisch”.

Wie das Fleisch im Labor entsteht

In-vitro oder auch Laborfleisch ist genau genommen keine pflanzliche Alternative zu Fleisch, dennoch ist es mit den Werten einer veganen Lebensweise vereinbar. Es ist grundsätzlich Fleisch, aber wird nicht durch das Schlachten von Tieren hergestellt, sondern durch das Vermehren von Zellen in Fermentern, wie wir sie von der Bierbrauerei kennen. Einem Tier wird dabei Gewebe entnommen, aus dem dann Zellen gewonnen werden. Die Gewebeprobe ist circa so groß wie ein Sesamkorn. Diese Zellen kommen dann in den Fermenter, welcher sie mit Nährstoffen versorgt, die für die Vermehrung und das Wachstum benötigt werden. Aus molekularbiologischer Sicht ist dieses kultivierte Fleisch identisch mit Fleisch aus Tierhaltung.

Ethisch vertretbarer und ökologisch sauberer

Seit der niederländische Wissenschaftler Mark Post im Jahr 2013 den ersten Burgerpatty aus kultiviertem Fleisch vorstellte, hat sich sowohl in der Produktion als auch in der Vermarktung viel verändert. Der Burger kostete damals in seiner Produktion 250.000 Euro und für seine Herstellung wurde fetales Kälberserum, also das Blut von Kuhföten, benötigt. Mittlerweile werden keine Föten mehr zur Produktion verwendet, sondern dafür eben kleine (weitgehend) schmerzfreie Gewebeproben entnommen. Aus Sicht der Veganen Gesellschaft Österreich (VGÖ) ist dieses Prozedere ethisch vertretbar, "wenn die Tiere ein an ihre Bedürfnisse angepasstes Leben führen können.” Felix Hnat Obmann des gemeinnützigen Vereins, verweist auch auf die Umweltbilanz des kultivierten Fleischs: “Es hängt der stark davon ab, auf welche Energiequelle man sich in Europa einigen wird. Wenn wir es schaffen auf erneuerbare Energien umzusteigen, dann wird die Energiebilanz um 80 Prozent besser sein als beim aktuellen Energiemix.”

➤ Mehr lesen: Das Fleisch und das Klima: Müssen wir alle vegan leben?

Hnat bezieht sich dabei auf eine Studie der niederländischen Umweltberatungsfirma CE Delft. Das fünfköpfige Forschungsteam kommt im Bericht außerdem zu dem Schluss, dass Laborfleisch selbst unter den Bedingungen des gegenwärtigen konventionellen Energiemixes einen geringeren CO2-Fußabdruck hat. Auch die Modellrechnungen der finnischen Agrarwissenschaftlerin Hanna Toumisto zeigen, dass bei der Herstellung von kultivierten Fleisch deutlich weniger Treibhausgase produziert werden als bei konventioneller Tierhaltung. Des Weiteren werden weniger Wasser und Land für die Produktion benötigt. Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen ist Laborfleisch aus ökologischer Sicht dennoch nicht der heilige Gral. Wie viel elektrische Energie für die Produktion in großem Maße notwendig ist, lässt sich aktuell nicht sagen, da diese Prozesse weltweit noch in keinem messbaren Maßstab erfolgen. Sowohl die Studienergebnisse und als auch Hnats Antworten im Interview deuten auf die umweltfreundlichste Alternative hin: gänzlich pflanzliche Produkte. 

Das deutsche Umweltbundesamt sprach 2020 in seinem Trendbericht “Fleisch der Zukunft” von einer Treibhausgasreduzierung um mehr als 90 Prozent bei der Produktion von pflanzlichem Fleischersatz (also Tofu, Seitan und Co). Die Auswirkungen von In-Vitro-Fleisch auf Umwelt und Gesundheit sind laut diesem Bericht bislang schwer abschätzbar - es bedarf weiterer Forschung, um "Clean Meat” für den Massenmarkt produzieren zu können. Aber nicht nur Forschung - vor allem braucht es ein Umdenken in der Politik.

Mark Post, Chief Scientific Officer von Mosa Meat, mit einem Laborfleisch-Burger

Gesetzliche Schranken

Während in Singapur bereits seit 2020 kultiviertes Hühnerfleisch in Form von Chicken Nuggets nach zweijähriger Prüfung zugelassen wurden und in den USA mit Juni 2023 In-Vitro-Fleisch verkauft werden darf, müssen wir uns Europa noch eine Weile gedulden. Neuartige Lebensmittel müssen in der EU ein langes Zulassungsverfahren durchlaufen, bevor sie auf dem Markt erlaubt sind. Produkte dieser Art dürfen in Europa nur dann vermarktet werden, wenn die Hersteller*innen deren Verträglichkeit und Sicherheit auf wissenschaftlicher Basis nachweisen können. Im September 2023 beantragte Deutschlands zweitgrößter deutscher Wursthersteller “InFamily Foods” einen Antrag auf die Zulassung eines Zellkultur-Hotdogs und zählt damit zu den Pionieren auf EU-Ebene. Das nun dafür laufende Zulassungsverfahren der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit ist eines der strengsten weltweit und umfasst eine evidenzbasierte Bewertung, welche Jahre in Anspruch nehmen kann. Hnat rechnet aufgrund dieser Zulassungsbeschränkungen und Prognosen der Marktforschung damit, dass Europa diesbezüglich “15 Jahre nachhinkt”.

Stolze Preise

Während der erste Labor-Burger 2013 mehr als eine kleine Eigentumswohnung kostete, sind die Preise für kultiviertes Fleisch mittlerweile nicht mehr jenseits von Gut und Böse - aber dennoch nicht günstig. In Singapur kostet ein Hähnchenspieß aus dem Labor zum Beispiel umgerechnet 13 Euro. In einem Analysebericht von Biotechnology and Bioengineering aus 2020 wurden die Produktionskosten für ein Kilo Laborfleisch auf rund 30 Euro geschätzt. Die niederländische Umweltberatungsfirma CE Delft geht in ihrem aktuellen Bericht davon aus, dass sich Produktionskosten auf 15 Euro pro Kilogramm belaufen - auch wenn die Herstellungskosten für Laborfleisch weiter fallen, liegen sie immer noch deutlich über den Kosten für konventionelles Fleisch. 

Das niederländische Unternehmen “Mosa Meat” möchte Rindfleisch-Burger aus dem Labor zum Preis von 8,50 Euro in die Supermärkte bringen. In den Niederlanden dürfen diese kultivierten Fleischprodukte unter kontrollierten Bedingungen sogar schon verkostet werden. Das israelische Start-up "Future Meat Technologies" arbeitet unter anderem an kultiviertem Hühnerbrustfleisch mit Pflanzenbestandteilen, welches für die Herstellung pro 110 Gramm umgerechnet 3,70 Euro benötigen würde. An Ideen und Projekten mangelt es nicht. Weltweit sollen rund 150 Start-ups an Fleisch aus dem Labor arbeiten. Wie schnell In-Vitro-Fleisch schließlich bei uns verfügbar sein wird, hängt von der Geschwindigkeit der Zulassungsverfahren ab.

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Caroline Kainz

recherchiert, skriptet, moderiert und schneidet Erkärvideos – am liebsten zu Themen, die Technologie und Gesellschaft verbinden.

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