Bei ein Pendel sieht rückwärts betrachtet genau gleich aus.

Bei ein Pendel sieht rückwärts betrachtet genau gleich aus.

© Universität Innsbruck

Science

Neue Entdeckung stellt Verständnis von Zeit in Frage

Nach unserem Verständnis ist die Zeit ein Fluss, der in einer Richtung von der Vergangenheit in die Zukunft verläuft. Britische Physiker stellen dieses Verständnis nun aber infrage. In einer neuen Studie beschreiben sie, dass die Zeit auf der Quantenebene auch rückwärts fließen könnte.

Ganz neu sind solche Überlegungen nicht. Bereits vor einigen Jahren konnten Forscher etwa bei einem Experiment mit einem quantenmechanischen System den Zeitverlauf umkehren.

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Auf Quantenebene gelten andere Gesetze

Die Forscher von der University of Surrey haben nun untersucht, wie sogenannte Quantensysteme mit ihrer Umgebung interagieren. Solche Systeme bestehen aus extrem kleinen Teilchen wie Elektronen, Photonen, Atomen und Molekülen, die nach den Gesetzen der Quantenmechanik funktionieren – und sich damit von anderen Teilchensystemen unterscheiden, die man mit klassischer Physik beschreiben kann.

Sie wollten herausfinden, ob unsere Wahrnehmung von Zeit mit der Quantenmechanik zusammenpasst. Die meisten Gesetze der Physik funktionieren nämlich in beide Richtungen. Es ist egal, ob Vorgänge vorwärts oder rückwärts ablaufen. Das Universum hat jedoch eine Regel, die nur in eine Richtung gilt: den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, der die Entwicklung von der Ordnung zur Unordnung beschreibt.

Verschüttete Milch und Pendel

Der Forscher Andrea Rocco erklärt in einem Blog-Artikel unser gewohntes Zeitverständnis am Beispiel verschütteter Milch. Wird sie auf einem Tisch ausgeleert, sei eindeutig, dass der Zeitverlauf linear verläuft. Rückwärts betrachtet, merke man sofort, dass etwas nicht stimmt: Die Milch kann sich nicht einfach wieder ins Glas einfüllen.

„Es gibt aber Prozesse, wie das Schwingen eines Pendels, die im Rückwärtsverlauf genauso glaubwürdig erscheinen. Das Rätsel ist, dass die Gesetze der Physik auf der grundlegendsten Ebene einem Pendel gleichen; sie bieten jedoch keine Erklärung für irreversible Prozesse“, erklärt Rocco. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass, auch wenn unsere alltägliche Erfahrung uns zeigt, dass sich Zeit nur in eine Richtung bewegt, es auch möglich ist, dass es andersherum genauso möglich wäre.“

Mathematik

Für die mathematische Beschreibung ihres Problems trafen die britischen Forscher 2 Annahmen. Zunächst grenzten sie ihre Beschreibung der riesigen Quantenumgebung so ein, dass sie sich ausschließlich auf das relevante System konzentrieren konnten. Ihre zweite Annahme war, dass die Quantenumgebung so groß ist, dass Energie und Information dort verloren gehen und nicht mehr zurückkehren. Auf dieser Grundlage untersuchten sie dann, wie Zeit als Phänomen mit fester Richtung entsteht, obwohl sie auf extrem kleiner Ebene theoretisch auch in beide Richtungen verlaufen könnte.

Die Forscher fanden heraus, dass sich das Quantensystem gleich verhielt und es egal war, ob die Zeit vorwärts oder rückwärts lief. Damit fanden die Forscher eine mathematische Grundlage für ihre Annahme, dass man die Zeit in solchen Quantensystemen einfach umdrehen kann. Das ist ein Hinweis darauf, dass Zeit vielleicht doch nicht so linear ist, wie wir dachten.

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Gedächtniskern ist zeitsymmetrisch

„Unsere Gleichungen verhielten sich genau gleich, egal ob sich das System vorwärts oder rückwärts in der Zeit bewegte. Als wir uns vorsichtig durch die Mathematik arbeiteten, haben wir festgestellt, dass dieses Verhalten so sein muss, weil eine Schlüsselstelle der Gleichung, der ‚Gedächtniskern‘, zeitsymmetrisch ist“, erklärte der Forscher Thomas Guff.

Die neuen Forschungsergebnisse geben nun Anlass, gewisse Annahmen der Physik zu überdenken. Wie die Zeit auf elementarster Ebene tatsächlich funktioniert, könnte etwa die Quantenmechanik und unser Verständnis des gesamten Universums beeinflussen.

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