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© APA/AFP/FREDERICK FLORIN / FREDERICK FLORIN

Start-ups

Start-up spürt Bakterien und Pilze in Fabriken auf

Finden sich Bakterien oder Pilze in Produkten oder Produktionsanlagen kann das für Unternehmen und Kund*innen unangenehme Folgen haben. Die Risiken reichen vom Produktionsausfall bis zur Gesundheitsgefährdung.

Der Süßwarenkonzern Ferrero musste etwa im April ein Werk in Belgien schließen, weil Salmonellen in mehreren Produkten, darunter Kinder-Überraschungseiern gefunden wurden. Die Verunreinigung, die auf einen Filter einem Bottich für Milchbutter zurückgeführt werden konnte, hatte den Rückruf von mehr als 3.000 Tonnen Schokolade und zahlreiche Erkrankungen von Kindern zur Folge.

"Für Hersteller ein Muss"

"Das Messen des mikrobiellen Befalls ist für viele industrielle Hersteller ein Muss. Wenn ich es nicht mache, bekomme ich rasch Probleme", sagt Gerald Krätschmer. Das von ihm mitgegründete Start-up c-square bioscience hat ein System entwickelt, das die Bakterien und Pilze in Produktionsprozessen ausfindig macht. Auch der Einsatz von Bioziden mit denen sie bekämpft werden können, kann damit reduziert werden.

Das Monitoring von Kontaminationen ist üblicherweise langwierig und mühsam. Dabei kommen meist Schnelltests zum Einsatz bei denen mittels Eintauchnährböden oder Deep Slides manuell Proben entnommen werden. Sie werden dann im Labor bearbeitet. Ergebnisse zum mikrobiellen Status liegen in der Regel methodenbedingt nach 3 Tagen vor. Weil sich nicht alle Mikroorganismen damit aufspüren lassen, können aufwendigere Untersuchungen notwendig sein und Ergebnisse auch mehrere Wochen auf sich warten lassen.

Echtzeitüberwachung

Die Lösung des Start-ups macht den mikrobiellen Befall in Echtzeit ausfindig. Die Grundlage dafür bildet ein Verfahren, das vor mehr als 50 Jahren entwickelt wurde: die Durchflusszytometrie.

Bei dem Ende der 1960er Jahre entwickelten Messverfahren fließen Zellen in hoher Geschwindigkeit an einer elektrischen Spannung oder einem Laserstrahl vorbei. Dabei werden unterschiedliche Effekte erzeugt, aus denen sich etwa ableiten lässt, ob es sich um lebende oder tote Bakterien oder Pilze handelt.

Bisher sei das Verfahren nur in medizintechnischen Laboren und in der Forschung zum Einsatz gekommen, sagt Krätschmer, der mehr als 10 Jahre in der chemischen Industrie unter anderem für einen US-Biozid-Hersteller tätig war. Sein Start-up habe die Durchflusszytometrie mit der gesamten Probenvor- und -aufbereitung für das Monitoring von mikrobiellem Befall in industriellen Prozessen adaptiert und vollständig automatisiert.

"Bypass-Installation"

Die von dem Unternehmen entwickelten Anlagen zur automatisierten Probenentnahme- und Probenaufbereitung werden in den Produktionsprozess integriert und meist an Maschinen zugebaut. Je nach Segment seien zwischen 3 und 20 Messstellen notwendig, sagt Krätschmer. Über eine  "Bypass-Installationen" wird aus dem laufenden Prozess Probematerial entnommen.

Die solcherart erhobenen Daten liegen digital vor und liefern den Herstellern ein Live-Reporting über den Status ihrer Systeme. Sie können von den Kund*innen auch in ihr Produktionsleitsystem eingespeist werden, um etwa die Auswirkungen einzelner Herstellungsschritte auf die Mikrobiologie zu eruieren.

Mittels patentierter Berechnungsmodelle und Algorithmik kann auch die optimale Biozid-Dosierung zur Beseitigung der Kontaminationen errechnet werden. Abhängig vom jeweiligen Fall könnten zwischen 20 und 50 Prozent der Chemikalien zur Bekämpfung des mikrobiellen Befalls eingespart werden, sagt Krätschmer.

Industrietests

Einen Prototyp der Anlage hat das Start-up bereits im Papierbereich getestet. Tests der mobilen Einheit mit Kühlschmierstoffen seien gerade angelaufen, erzählt Krätschmer.

Parallel zu den Industrietests werde daran gearbeitet, den Prototyp in ein Serienprodukt zu überführen, skizziert der Gründer den weiteren Zeitplan. Bis Jahresende sollen die Planungen abgeschlossen und die notwendigen regulatorischen Kennzeichnungen vorliegen: "2023 wollen wir mit einem serienreifen Produkt am Markt sein."

Angeboten werden soll zunächst das Monitoring der Produktionsprozesse. Um die Biozid-Optimierung zur Marktreife zu bringen, müsse noch die Algorithmik und das maschinelle Lernen verfeinert werden. Die Datenbasis dafür ist laut Krätschmer noch zu klein. Ein entsprechendes Software-Modul soll 2024 als Upgrade angeboten werden.

"Chemical as a service"

In weiterer Folge plant das Start-up "Chemie als Dienstleistung" ("chemical as a service") anzubieten. Neben dem Monitoring und der Berechnung des optimalen Chemikalieneinsatzes, solle dabei eine monatliche Gebühr auch die Wartung und das Service der Messanlagen beinhalten.

Finanziert wurde das in Tulln ansässige Start-up aus Eigenmitteln der Gründer sowie Förderungen unter anderem von der Förderbank Austria Wirtschaftsservice (aws) und des Landes Niederösterreich.

"Old Boys"

Die Gründer, neben Krätschmer sind dies Thomas Eichinger, Markus Enzenhofer und Michael Kunz sind allesamt erfahrene Industrietechniker und -manager und kommen gemeinsam auf 100 Jahre Industrieerfahrung.

Ein Unternehmen mit einer Idee und sonst nichts zu gründen, sei aber etwas ganz anderes als in der Industrie zu arbeiten, meint Krätschmer. "Das ist für uns Neuland und fordert uns."

Aufgrund des Alters habe man gelernt, nicht alles verbissen ernst zu nehmen, sagt der Gründer: "Wir haben große Freude an der Schaffung von etwas gänzlich Neuem, es ist eine der tollsten Zeiten unseres Berufslebens."

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und Austria Wirtschaftsservice (aws).

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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