Science

Künstliche Intelligenz erkennt diabetische Netzhautschäden

Weltweit leben laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) rund 420 Millionen Diabetiker. Ein Drittel der Kranken entwickelt Netzhautschäden. Seit kurzem gibt es ein automatisches System, das sehr genau Diagnosen zulässt, hieß es am Mittwoch bei einer Pressekonferenz der MedUni Wien. Selbstlernende Analysesysteme samt Big Data sollen in Zukunft die Risikobestimmung bei Erkrankungen ermöglichen.

Das von dem US-Experten Michael Abramoff von der Abteilung für Ophthalmologie an der Universität von Iowa in den USA im Rahmen eines Spin-off-Unternehmens entwickelte iDx-DR-System kombiniert eine Roboter-Augenhintergrundkamera mit einer Bildanalyse-Software zum Erkennen von durch die Zuckerkrankheit bedingten Veränderungen an den kleinen Blutgefäßen der Netzhaut (Diabetische Retinopathie). Die Sensitivität bei der Erkennung solcher krankhaften Veränderungen, die bis zur Erblindung führen können, liegt mittlerweile bei mehr als 95 Prozent. Erfahrene Augenärzte kommen auf maximal 85 Prozent, sagte Amir Sadeghipour von der Wiener Universitäts-Augenklinik (MedUni Wien/AKH).

Selbstlernend

Entscheidend könnten solche automatisierten Screeningverfahren für die schnelle Bestimmung des individuellen Risikos von Patienten sein. 22 Prozent der Diabetiker haben zum Zeitpunkt der Diagnose einer Retinopathie bereits ein behandlungsbedürftiges Stadium ihrer Erkrankung erreicht. Zwei Prozent benötigen sofort eine Intervention. Könnte man diese Gruppe genau identifizieren, könnte man viel Aufwand für unnötige Routinekontrollen bei den übrigen Patienten vermeiden.

Hinzu kommt, dass durch die mit solchen Systemen ständig erfolgende Anhäufung riesiger Datenmengen und deren jeweils aktuelle Verfügbarkeit eine quasi unendliche Lernkurve entsteht, in der die Ergebnisse durch wiederholte Analysen immer genauer werden. "Jetzt sind wir in der digitalen Revolution in der Augenheilkunde angekommen", sagte Ursula Schmidt-Erfurth, Leiterin der Wiener Universitäts-Augenklinik, bei der Pressekonferenz aus Anlass eines Fachkongresses auf diesem Gebiet in Wien.

Neuer Ansatz

Die Diabetische Retinopathie ist die klassische Begleiterscheinung der Zuckerkrankheit mit atherosklerotischen Veränderungen der "kleinen Gefäße" - eben in der Netzhaut. Doch gleichzeitig entwickelt ein Teil der Betroffenen auch schneller "Gefäßverkalkung" in den "großen Gefäßen", was zu einem höheren Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko etc. führt. Ließen sich die Informationen aus den Aufnahmen vom Augenhintergrund mit anderen Daten sinnvoll zusammenführen und zu genaueren individuellen Risikoprofilen aufarbeiten, könnte man eventuell jene Patienten identifizieren, welche die größte Gefährdung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufweisen.

"Mit der Augenhintergrunddiagnostik haben wir einen sehr guten Blick in das Innere des Körpers", sagte Kardiologe Martin Hülsmann. Zwischen Kardiologie und Ophthalmologie gibt es am an der Wiener Universitätsklinik dazu eine Kooperation. Ungerichtete Big Data-Analysen erlauben auch das Erkennen völlig neuer Informationsmuster, welche die Diagnose oder die Verlaufskontrolle von Erkrankungen revolutionieren sollen.

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