"TikTok ist viel wichtiger geworden als YouTube"
YouTube ist die Nummer 1 bei Online-Videos. Nun bringt die Kurzvideo-Funktion für Smartphones nach Österreich (wir haben darüber berichtet). Ab Mittwoch ist es für alle Nutzer*innen möglich unter „YouTube Shorts“ Handy-Videos hochzuladen, die im Hochformat produziert und maximal 60 Sekunden lang sind. YouTube Shorts war im September 2020 in Indien gestartet, die USA folgte. Diese Woche kommen 100 weitere Länder dazu.
Damit will Googles-Videoplattform die Nutzer von TikTok zurückholen. TikTok wird immer populärer. Weltweit verzeichnet der chinesische Kurzvideo-Dienst rund 600 Millionen aktive Nutzer*innen, bei YouTube sind es aktuell zwei Milliarden.
Auch in Österreich ist TikTok beliebt, vor allem bei Jugendlichen. „Unserer Einschätzung nach steigt die Verbreitung von TikTok in allen Altersgruppen weiterhin stark an. Für den täglichen Videokonsum ist TikTok mittlerweile viel wichtiger geworden als YouTube“, sagt Barbara Buchegger, Expertin von SaferInternet.at, im Gespräch mit der futurezone.
Unterschied zu TikTok
TikTok konnte sich in Österreich vor allem deshalb durchsetzen, weil während der Corona-Krisen vielen Kindern und Jugendlichen langweilig war und sie durch die Kurzvideos abgelenkt wurden. Der Algorithmus von TikTok verleitet einen außerdem dazu, ein Video nach dem nächsten anzusehen. Das ist YouTube, der Nummer 1 bei Videos, natürlich nicht recht, denn je mehr Zeit die Nutzer auf TikTok verbringen, desto weniger beschäftigen sie sich mit Inhalten auf YouTube.
„YouTube wird im Gegenzug zu TikTok meistens gezielt genutzt, wenn man etwas sucht. Das können Erklär-Videos sein, oder bestimmte Musikstücke. Das Berieselnlassen passiert eher auf TikTok, und teilweise auf Instagram“, erklärt Buchegger das Verhalten der Kids und Teenager. Ob das am speziellen Stil der Videos liegt, die man auf TikTok vorfindet, oder einfach daran, dass TikTok eine neue Plattform ist, sei schwer zu sagen, so die Expertin.
Gemeinsamer Nenner: Musik-Bibliothek
Sie rechnet allerdings damit, dass es YouTube Shorts schwer haben wird, sich durchzusetzen. „Ich verstehe, dass es YouTube probieren muss, die Nutzer zurückzuholen. Bei manchen Zielgruppen könnte das auch funktionieren, aber bei anderen nicht“, so Buchegger. "YouTube Shorts wird es auf jeden Fall schwer haben gegen TikTok", so Buchegger.
TikTok bietet neben den Videos auch eine Funktion, sich über die Videos auszutauschen an. Ebenfalls genutzt wird die Möglichkeit, sich an Videos anderer TikTok-User*innen zu beteiligen. Auch dass YouTube keine eigene App für Shorts plant, könnte nachteilig sein.
YouTube setzt bei der neuen Shorts-Funktion ähnlich wie TikTok auf eine große Musikbibliothek, aus der Nutzer*innen Hintergrund-Musik für ihre Clips auswählen können. Außerdem bietet YouTube sinnvolle Text- und Filterfunktionen für die Kurzclips. Doch werden die Nutzer wirklich umsteigen? Die Nutzung von YouTube Shorts in den USA, wo die Beta-Version bereits früher gestartet ist, deutet darauf hin, dass es von Influencer*innen vor allem als weitere, zusätzliche Plattform genutzt wird, um Inhalte zu präsentieren.
Influencer könnten beide Plattformen bedienen
Christoph Brückner, bekannt unter dem Pseudonym „Condsty“, hat auf TikTok 18,5 Millionen Follower. Der Österreich erlangte durch Videos, in denen er kleine Zeichnungen anfertigt, internationale Bekanntheit. Im Gespräch mit dem futurezone erklärt er, dass für ihn YouTube Shorts als „weitere Plattform“ interessant sei und er auf eine Multi-Channel-Strategie setze. Brückner produziert seit Dezember 2020 seine Inhalte auch für Instagram und hat dort ebenfalls bereits fast 700.000 Follower. „TikTok wird aber meine Hauptplattform bleiben“, erzählt Brückner, der mit seinen Inhalten auch Geld verdient. „Shorts werde ich mir aber definitiv ansehen.“
YouTube hat aber ebenfalls bereits sehr erfolgreiche Influencer*innen, die Shorts aus zusätzliches Format nutzen könnten. Außerdem könnten dort Menschen als Influencer*innen durchstarten, die bisher noch keine Inhalte selbst erzeugt haben. Der 17-jährige Engländer Dan Rhodes hat etwa praktisch über Nacht 3,8 Millionen Follower erlangt mit seinen Shorts-Videos. Davor hatte er selbst vor allem TikTok und Instagram genutzt.
Algorithmus entscheidend
Laut Buchegger wird die Erfolgsstory von TikTok allerdings vorerst „nicht aufzuhalten“ zu sein. „Es gibt allerdings schon wieder die ersten Jugendlichen, die TikTok als Zeitverschwendung sehen und bereits wieder gelöscht haben“, so Buchegger. Noch ganz und gar nicht abgeschrieben ist übrigens Snapchat. „Das haben wir alle vom Bildschirm verloren, aber für Jugendliche ist die App etwa wichtig, um zu überprüfen, ob jemand wirklich die Person ist, als die sie sich ausgibt. Das wird bei Snapchat nämlich angezeigt“, sagt Buchegger.
Für den Erfolg von YouTube Shorts wird auf jeden Fall auch der Algorithmus entscheidend sein, der den User*innen die Videos anzeigt: „Da hat TikTok sehr viel richtig gemacht. Allerdings werden den Nutzer*innen nur Videos angezeigt, die ihre eigene Filterblase bedienen. Kinder ändern aber Interessen und hier könnte ein Algorithmus, der etwas offener ist, durchaus erfolgreich sein“, schätzt Buchegger. Bei YouTube ist der Vorteil, dass man nach der Suche von bestimmten Videos im Anschluss bei Shorts hängen bleiben könnte, und diese im Dauermodus ansieht. Es wird also erst die Zeit zeigen, wer das Match um die Aufmerksamkeit der User*innen wirklich gewinnen wird.