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Facebook: Verheiratete Männer geben den Ton an

Gleich zu gleich gesellt sich gern. Übertragen auf ein soziales Netzwerk heißt das: Man umgibt sich – wie könnte es auch anders sein - mit Freunden, die ähnlich denken, einer ähnlichen Weltanschauung anhängen, ähnliche Vorlieben hegen oder auch ähnliche Marotten pflegen. Genau das macht es so schwierig festzustellen, wer nun wen beeinflusst, meint Sinan Aral von der Stern School of Business an der New York University. „Sagen wir, zwei Freunde kaufen hintereinander das gleiche Produkt. Folgt nun der eine dem Beispiel des anderen? Oder haben sie unabhängig voneinander etwas fast gleichzeitig gekauft, weil sie eben Freunde sind und daher ähnliche Dinge mögen." – Ein Dilemma also.

Sinan Aral und seine Kollege Dylan Walker entwickelten eine neue Methode, wie man der Sache auf den Grund gehen könnte. Sie verfolgten, wie sich eine Facebook Film-App – ein Konkurrent zu Flixster - im Netzwerk ausbreitete.  Eine Kerngruppe von 7730 Usern installierte die App. Dann gingen zufällig generierte Updates an deren FB-Freunde. Aber eben nicht an alle Freunde. Daraus ergab sich innerhalb von 44 Tagen eine repräsentative Gruppe von respektablen 1.3 Millionen Usern.

Einflussreich sind Männer und Verheiratete
Das Team Aral-Walker analysierte die Nutzer nach drei Kriterien:
Geschlecht, Alter und Familienstand. Ihre Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe der angesehenen Fachschrift „Science" nachzulesen. Demnach sind Männer und Verheiratete von allen am einflussreichsten. Aber wenn Frauen doch Einfluss ausüben, beeinflussen sie eher Männer denn Frauen. Die Analyse nach Alter fällt in die Kategorie „traue keinem über 31". Denn wider Erwarten wird die Meinung über Filme von jüngeren nicht sonderlich geschätzt. Menschen hören außerdem auf Singles und Verheiratete, jedoch weniger auf Leute, die ohne Trauschein in einer Beziehung stecken.

Das klingt nun nach einem kunterbunten Datensalat ohne tieferen Sinn.  Sinan Aral versucht erst gar nicht zu erklären, wie die verschiedenen Ergebnisse zusammenpassen. Darum geht aus auch nicht. Denn:  „Wichtig ist, dass man solche feinen Unterschiede überhaupt herauslesen kann". Und das war bisher nicht möglich.

Soziale Ansteckung und ihre österreichischen Wurzeln
Ob es nun um Depression, Glücklichsein oder Übergewicht geht – soziale Ansteckung ist seit 2007 periodisch in den Schlagzeilen. Das ist dem US-Forscherteam Nicholas Christakis (Harvard University) und James Fowler (University of California, San Diego) zu verdanken. Sie beschreiben das Phänomen mit vielen Beispielen in ihrem Buch, „Die Macht der sozialen Netzwerke".

Die beiden Forscher popularisierten zwar den Begriff, doch der Grundgedanke ist alles andere als neu und geht auf den Altösterreicher Jacob Moreno zurück. Er stellte Netzwerke in den 1930er-Jahren grafisch in so genannten Soziogrammen dar. Der geborene Wiener und 1933 in die USA ausgewanderte Soziologe Paul Felix Lazarsfeld schrieb mit "The People`s Choice" (1944) eine der frühen, bahnbrechenden Studien über den Einfluss des sozialen Umfelds auf das Wählerverhalten. Mittlerweile interessieren sich Forscher verschiedener Disziplinen dafür, wie Netzwerke funktionieren: Physiker, Soziologen, Biologen, Psychologen, Mediziner, Ökonomen und Computerexperten.

Übergewicht ist ansteckend
As Nicholas Christakis und James Fowler behaupteten, Übergewicht sei ansteckend, sorgten sie für einen Medienrummel und eine hitzige Kontroverse. Ihre Ergebnisse: Fettleibige Freunde erhöhten das Risiko, dass man selber zu viele Kilos auf die Waage bringt, um 57 Prozent. Deutlich weniger Ärger provozierten sie mit ihren Ergebnisse übers Glücklichsein: Freundschaft mit jemandem, der glücklich ist, erhöht die Wahrscheinlichkeit, selber glücklich zu sein um neun Prozent. Zum Vergleich: 5000 Dollar mehr zu verdienen macht potentiell nur um zwei Prozent glücklicher.

Diese Ergebnisse beruhen auf der Analyse der zu Recht berühmten, seit 1948 laufenden Framingham-Herzstudie über Herz-Kreislauf-Risikofaktoren. Benannt ist sie nach der Kleinstadt Massachusetts, wo die Teilnehmer leben. Anfangs machten 5000 Bewohner mit und seit 1971 auch deren Kinder.  Die Teilnehmer werden regelmäßig untersucht und ausführlich über ihren Gesundheitszustand befragt.

Soziale Ansteckung bewusst nutzen
Gesundheit, positive Änderung des Lebensstil stehen denn auch im Zentrum der Überlegungen, wie man das Phänomen der sozialen Ansteckung ausnützen könnte. Ein Ergebnis der Science-Studie: Besonders einflussreiche Menschen sind auffallend häufig mit anderen ebenso einflussreichen befreundet. Sinan Aral: „Wenn man ein bestimmtes Verhalten in einem Netzwerk verbreiten will, wären solche Menschen eine ideale erste Anlaufstelle, um Information unter die Leute zu bringen. Denn andere folgen ihrem Beispiel." Wie bringt man Leute in Südafrika dazu, sich auf HIV testen zu lassen? Wie verhindert man, dass Teens und Tweens rauchen? Der Einfluss der Peer-Gruppe, richtig eingesetzt, könnte Wunder wirken, meint Sinan Aral.

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