Tornado-S

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© Russisches Verteidigungsministerium

Militärtechnik

UMPB: Neue russische Waffe in der Ukraine aufgetaucht

In der Ukraine ist eine neue russische Waffe aufgetaucht. Auf gefundenen Trümmern ist das Herstellungsdatum Februar 2024 zu sehen. Sie wird also erst seit kurzem von Russland genutzt.

Diese Gleitbombe war bisher nicht bekannt und dürfte eine neue Entwicklung sein. Laut Rüstungs-Blogger*innen wird die Waffe UMPB genannt, was grob übersetzt für Universal Glide Bomb Munition steht – universelle Gleitbomben-Munition.

Universell, weil sie sowohl von Flugzeugen als auch vom Boden per Raketenartillerie gestartet werden kann. Damit ist sie in der Luft das Gegenstück der amerikanischen GBU-39 und in der Bodenversion das Äquivalent zur GLSDB.

Das kann die GLSDB

Die GLSDB (Ground Launched Small Diameter Bomb) wurde von Boeing und Saab entwickelt und basiert auf der GBU-39. Die Ukraine hat die GLSDB noch vor den USA bekommen und ist damit die erste Armee weltweit, die sie einsetzt.

GLSDB wird mit den HiMARS-Systemen gestartet. Dazu kommt der Raketenantrieb der alten 227mm-M26-Raketen für die MARS-Systeme zum Einsatz. Von denen haben die USA und andere westliche Verbündete noch reichlich auf Lager.

Der Raketenantrieb bringt die GLSDB auf die optimale Höhe. Dort trennt sich die Gleitbombe vom M26-Booster und klappt ihre Flügel aus. Den Rest des Fluges gleitet sie ohne Antrieb zum Ziel. GLSDB nutzt eine Kombination aus GPS und Trägheitsnavigation (INS). Laut Saab kann sie damit Ziele auf bis zu einem Meter genau treffen. Außerdem soll sie resistent gegen Jamming sein.

➤ Mehr lesen: Ukraine bekommt mächtige neue Waffe noch vor der US-Armee

Eine besondere Eigenschaft der GLSDB ist, dass sie das Ziel von verschiedenen Richtungen ansteuern kann. Sie kann etwa im Gleitflug eine weite Kurve fliegen, um das Ziel von einer Seite anzugreifen, die von der Flugabwehr schlechter verteidigt wird. Außerdem können so Ziele getroffen werden, die auf einem gegenüberliegenden Berghang stehen.

UMPB nutzt ein ähnliches Zielsystem

Ob die russische UMPB ebenfalls diese Fähigkeiten hat, ist nicht bekannt. Allerdings soll sie die Voraussetzungen dazu haben. Sie soll das Zielsystem Kometa nutzen, welches ebenfalls eine Kombination Satelliten- und Trägheitsnavigation ist. Dadurch soll sie ins Ziel finden, auch wenn dort ukrainische Jammer eingesetzt werden, die das Satellitensignal stören.

Einige ukrainische Blogger*innen spekulieren, dass UMPB ein eingebautes Raketentriebwerk hat, um mehr Reichweite zu erzielen. Boeing entwickelt gerade so eine Waffe, um aus vorhandenen Bomben günstige Marschflugkörper zu machen – was die Theorie zumindest nicht unmöglich macht. Die Fotos der Trümmer der UMPB geben aber keinen Hinweis auf ein fix verbautes Triebwerk und einen dafür nötigen Treibstofftank.

➤ Mehr lesen: Boeing macht aus alten Bomben günstige Marschflugkörper

Start mit einem Tornado-S-Raketenwerfer

Diese Fehlinformation könnte durch die Missinterpretation kommen, dass die UMPB per Raketenantrieb vom Boden aus gestartet werden kann, so wie eben die GLSDB. Als Abschusssystem für die UMPB dient vermutlich das Tornado-S, das schon seit 2022 in der Ukraine eingesetzt wird. Der russische Raketenwerfer hat 12 Starterröhren im Kaliber 300mm. Daher soll der volle Name der jetzt eingeführte UMPB kommen, der laut russischen Blogger*innen „UMPB D-30SN“ lautet. 30 steht für 30cm (300mm).

Tornado-S kann ungelenkte und gelenkte Raketen verschießen. Die neuesten und teuersten Varianten sollen eine maximale Reichweite von 120 Kilometern haben. Die häufiger genutzten, älteren Versionen, sollen bis zu 90 Kilometer Reichweite haben.

Vor- und Nachteile der UMPB

Systeme wie die UMPB liefern hier vor allem einen Kostenvorteil. Die Gleitbombe wird wesentlicher günstiger und schneller zu produzieren sein als eine gelenkte 300mm-Rakete. Als Raketenantrieb wird vermutlich der Booster von alten ungelenkten 300mm-Raketen dienen. Dadurch muss diese Komponente nicht erst hergestellt werden, sondern kann aus den Arsenalen entnommen werden.

Der Nachteil der UMPB gegenüber einer regulären 300mm-Rakete, ist die geringere Zerstörungskraft. Anhand der Fotos und Infos von russischen Blogger*innen dürfte die UMPB einen Gefechtskopf mit 100 Kilogramm haben. Die 300mm-Raketen haben, je nach Version, bis zu 235 kg schwere Gefechtsköpfe oder Submunition, wie etwa bis zu 616 Bomblets, 20 zielsuchende Mini-Sprengköpfe oder 25 Panzerminen.

Dafür hat die UMPB aber vermutlich eine größere Reichweite. Da der Gefechtskopf ähnlich schwer wie beim GLSDB ist, wird die Reichweite vermutlich ebenfalls bei 150 Kilometern liegen – oder womöglich sogar mehr, falls ein leistungsstärkerer Raketenantrieb für den Start aus einer Tornado-S-Röhre genutzt wird.

Probleme mit dem Vorgänger UMPK

Nicht bekannt ist, wie effektiv die UMPB ist. Vor diesem System hatte Russland das UMPK eingeführt. Dabei handelt es sich um ein Kit, um alte Freifallbomben zu gelenkten Gleitbomben umzubauen. Damit ist es das Gegenstück zur amerikanischen JDAM-ER.

Anonymen Berichten aus der russischen Rüstungsindustrie zufolge, soll das UMPK nicht die gewünschte Leistung erzielen. So habe es eine hohe Ausfallrate und eine geringe Reichweite als versprochen, weil die Aerodynamik schlecht ist.

Diese Probleme wurden darauf zurückgeführt, dass Russland das UMPK möglichst schnell entwickelt hatte, um auf die JDAM-ER zu reagieren, die die Ukraine von den USA bekommen hatte. Mit dem UMPB könnten einige Schwachstellen beseitigt worden sein – zumindest sieht das System jetzt aerodynamischer und viel weniger improvisiert aus als das UMPK.

➤ Mehr lesen: Russland hat eine neue 1,5 Tonnen schwere Gleitbombe

Gefahr für die Ukraine

Trotz der beschriebenen Probleme macht das UMPK den Verteidigern zu schaffen. Im April 2023 sagte ein Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, dass russische Su-35 und Su-34 die Gleitbomben abwerfen können, bevor sie in den Bereich der ukrainischen Luftverteidigungszone kommen. Das UMPK erfüllt also seine Funktion als Standoff-Waffe: Abfeuern, ohne selbst in Gefahr zu kommen, abgeschossen zu werden. Seitdem hat es mehrfach Meldungen aus der Ukraine gegeben, dass UMPKs nahezu unmöglich zum Abfangen mit Luftabwehrsystemen sind.

Die neue UMPB dürfte die Lage für die Ukraine verschärfen. Von Flugzeugen abgeworfen wird sie vermutlich präziser als das UMPK sein und eine höhere Reichweite haben. Dasselbe gilt für die Version, die vom Boden aus mit den Tornado-S gestartet wird. Sollte hier, ähnlich wie bei der GLSDB, die Flugbahn der Gleitbombe einprogrammiert werden können, könnte ein Tornado-S innerhalb 10 Sekunden 12 UMPBs abfeuern, die von verschiedenen Richtungen das Ziel anfliegen und so die Luftabwehrsysteme überfordern.

Russland kauft Waffen aus Nordkorea

Aus russischer Sicht ist die UMPB überfällig. Marschflugkörper können nicht schnell genug nachproduziert werden und die iranischen Drohnen sind bei Weitem nicht mehr so effizient, wie zu Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine. Das liegt vor allem an den westlichen Luftabwehrsystemen, die an die Ukraine geliefert wurden.

Dass in Russland die Munition knapp wird, zeigt auch der Umstand, dass ballistische Raketen von Nordkorea eingekauft wurden. Die vom Boden gestartete KN-23 hat, je nach Gewicht des Gefechtskopfs, eine Reichweite von bis zu 900 Kilometern. Ende Dezember 2023 wurde sie erstmals von Russland auf die Ukraine abgefeuert.

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