Mobility Observation Box vom AIT

Mobility Observation Box vom AIT 

© AIT Johannes Zinner

Science

MOB filmt Beinahe-Unfälle, um Städte sicherer zu machen

Mobilität erfordert manchmal Mut – vor allem dann, wenn sich Rad- und Autofahrende den knappen Raum teilen, Fußgänger an Hauswände gedrängt werden und E-Scooter aus dem Nichts auftauchen. 

Solche Situationen führen nicht nur zu Konflikten, sondern auch zu dem Gefühl, dass man im Auto sicherer unterwegs ist. Genau das ist in Bezug auf den Klimawandel aber ein Problem. Denn der Straßenverkehr ist für einen großen Teil der Emissionen, wie CO2, verantwortlich.

Im Jahr 2022 entfielen 73,2 Prozent der verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen in der EU auf den Straßenverkehr. Trotz Bemühungen, wie dem verstärkten Einsatz von Elektroautos, sind die Emissionen seit 2005 nicht wesentlich gesunken. 

Mit Daten zu grüneren Städten

„Emissionen lassen sich reduzieren, indem der Autoverkehr verringert und stattdessen mehr mit dem Fahrrad gefahren oder zu Fuß gegangen wird”, sagt Isabela Erdelean. Sie ist Mobilitätsexpertin am Austrian Institute of Technology (AIT). Beim internationalen Projekt AMIGOS (Active Mobility Innovations for Green and Safe Solutions) ist sie für die Leitung des AIT-Beitrags verantwortlich. Insgesamt sind 28 Partner daran beteiligt.

Das im Jahr 2023 gestartete Projekt hat zum Ziel, Städte nicht nur sicherer, sondern auch grüner zu machen. Dafür wird der Verkehr in 5 Städten, sogenannten Living Labs, mithilfe von Technik genau beobachtet. Zu den Städten gehören Gabrovo in Bulgarien, Hamburg in Deutschland, Istanbul in der Türkei, Lappeenranta in Finnland und Las Rozas in Spanien. 

Die Mobility Observation Box 

Das AIT hat für das Projekt die sogenannte Mobility Observation Box (Mobilitätsobservationsbox - MOB) entwickelt. Das ist ein unscheinbarer, circa 3 kg schwerer, akkubetriebener grauer Kasten, der zur Messung von Verkehrszuständen und -konflikten konzipiert wurde. 

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Durch einen bildbasierten Sensor können verschiedene Verkehrsteilnehmer, wie Autos und Radfahrer, und ihr Verhalten erkannt werden. Beispielsweise können sogenannte Beinahe-Unfälle oder Geschwdigkeitsüberschreitungen identifiziert werden. „Das ist wichtig, weil die Sicherheit auf Straßen heute in der Regel mit historischen Unfalldaten bewertet wird. Wenn man aber Beinahe-Unfälle oder Konfliktsituationen nutzt, kann man diese Konflikte in Zukunft vermeiden”, erklärt Erdelean. 

Daten, Daten, Daten 

Zusätzlich zu MOB wurde eine App samt Umfrage in der Anfangsphase des 4 Jahre dauernden Projekts eingesetzt. Sie kann automatisch den Verkehrsmodus, die Route und die Dauer des Weges erkennen. Damit die App von den Menschen genutzt wurde, wurden Anreize, wie etwa ein Gewinnspiel, gesetzt. 

Neben den Daten der MOB und der App wurden auch Daten von Städten, zum Beispiel zur Lärm- und Luftverschmutzung, miteinbezogen. All diese Daten werden in einer Big-Data-Plattform gespeichert und mithilfe von Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen verarbeitet, um Herausforderungen im Bereich der Mobilität zu erkennen und Lösungen vorzuschlagen.  

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Die Akzeptanz erhöhen

Ein Beispiel für eine Herausforderung sei, wenn Menschen mehr öffentliche Verkehrsmittel nutzen möchten, es aber keine verlässlichen Fahrpläne gibt. Aber auch die mangelnde Akzeptanz von Verkehrsteilnehmern bei der Umsetzung von Maßnahmen, wie beispielsweise Tempo 30 in Städten, steht grüneren und sicheren Städten im Wege.

Sicherheit hat viel mit Nachhaltigkeit zu tun. Wenn sich Fußgänger sicher fühlen, wird das Zufußgehen attraktiver – und damit wird aktive Mobilität gefördert, was wiederum zur Nachhaltigkeit beiträgt", betont Erdelean.

Deshalb wird bei AMIGOS viel Wert auf die Einbeziehung verschiedener Interessengruppen gelegt. „Das kann die Akzeptanz von Lösungen wirklich erhöhen. Wenn man eine Fußgängerzone errichten will, dann braucht man die lokalen Interessenvertreter, seien es Ladenbesitzer oder den Direktor der Schule”, sagt Erdelean. In Workshops wurden gemeinsam mit ihnen Lösungen erarbeitet. 

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Neue Busse und Kameras 

Gabrovo in Bulgarien setzt beispielsweise auf klassische Maßnahmen: So werden zusätzliche Verkehrskameras installiert, neue Elektrobusse angeschafft und in Betrieb genommen. Außerdem wird aktuell ein System zur Optimierung von Ampelschaltungen eingeführt – mit dem Ziel, Verkehrsstaus zu reduzieren, den öffentlichen Nahverkehr zu stärken und die aktive Mobilität, wie das Radfahren oder Zufußgehen, zu fördern.  

All diese Maßnahmen sollen letztlich zur Senkung der CO₂-Emissionen beitragen. Die ausgearbeiteten Lösungen werden zuvor mithilfe von digitalen Zwillingen getestet. Das sind virtuelle Kopien einer Stadt, mit der die Maßnahmen simuliert und bewertet werden können. „Wenn man zum Beispiel mehr Elektrobusse in einer Stadt einsetzt, kann man die Auswirkungen auf das Verkehrsaufkommen und auf Staus sehen”, erklärt Erdelean.

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Isabela Erdelean, Mobilitätsforscherin am AIT

Isabela Erdelean, Mobilitätsforscherin am AIT 

Wie es weiter geht 

2 Jahre soll das von der EU mit 9,1 Millionen Euro finanzierte Projekt noch dauern. „Die Städte sind jetzt in der Phase, in der sie bestimmte Lösungen umsetzen. Und im nächsten Jahr werden wir eine weitere Datenerhebung durchführen, um die Auswirkungen dieser Lösungen zu bewerten”, sagt Erdelean. 

Im nächsten Schritt soll dann getestet werden, welches Potenzial die Maßnahmen zur Nachahmung in anderen Städten in Europas haben. Dafür werden Zwillingsstädte genutzt. Das sind Städte, die eine oder mehrere Lösungen umsetzen, die zuvor in den Living Labs getestet wurden. Dazu gehören Frankfurt und Wiesbaden in Deutschland, Gozo in Malta, Laval in Frankreich und Umm al-Fahm in Israel.  

„Ein großes Problem ist der Mangel an Daten. Denn wenn man keine verlässlichen Daten hat, auf deren Grundlage man Entscheidungen treffen kann, ist es sehr schwierig Entscheidungsträger von Maßnahmen zu überzeugen", sagt Erdelean. Durch AMIGOS dürfte dieses Problem der Vergangenheit angehören.  

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Sandra Czadul

Begeistert von Wissenschaft und stets auf der Suche nach Ideen, die uns voranbringen.

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