
In Linz entsteht derzeit durch die Stahlindustrie ein großer Teil der österreichischen CO2-Emissionen. In Zukunft könnte ein Teil davon im Boden gespeichert werden (Symbolbild).
CO2-Speicherung: So viel Potenzial steckt in Österreich
Bis 2040 will Österreich klimaneutral sein. Das heißt, fossile Energieträger müssen weitestgehend durch erneuerbare ersetzt werden. Ausnahmslos alle fossilen Emissionen zu vermeiden, ist voraussichtlich nicht möglich. Denn vor allem bei industriellen Prozessen entsteht weiterhin CO2. Was mit diesen sogenannten „hard to abate“, also schwer vermeidbaren, Emissionen im Rahmen der Klimaziele geschehen könnte, hat sich das Forschungsprojekt CaCTUS („Carbon Capture, Transformation, Utilization & Storage“) angesehen.
Expertinnen und Experten des Energieinstituts an der JKU Linz, der Montanuniversität Leoben sowie der Beratungsfirma EY Denkstatt haben dafür unter anderem die Perspektiven von relevanten Gruppen – emissionsintensive Industrie, Politik und Wissenschaft – zusammengetragen. Das Projekt hat das Potenzial für CCUS (Carbon Capture, Utilization, Storage) in Österreich so erstmals systematisch ermittelt und in einem Fachartikel veröffentlicht.
Philipp Wolf-Zöllner vom Lehrstuhl für Verfahrenstechnik des industriellen Umweltschutzes der Montanuniversität Leoben erklärt, was diese Abkürzung bedeutet: “CC, das steht für Carbon Capture, das heißt ich hole mir sozusagen das CO2 aus einem Abgas heraus. U, Utilization, das ist die Umwandlung des CO2, zum Beispiel mit grünem Wasserstoff zu Erdgas. Und das S steht für die Speicherung.“

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Fokus auf Industrie
Die Forscherinnen und Forscher prognostizieren, dass der überwiegende Teil der fossilen CO2-Emissionen in Zukunft nicht breit gestreut – zum Beispiel durch Auto-Abgase im ganzen Land – sondern punktuell in der Industrie entstehen. Diese seien dadurch vergleichsweise einfach zu fassen.
„Das betrifft zum Beispiel die Stahl- und Chemieindustrie in Linz, die Chemieindustrie in Wien, und auch die Stahl- und Papierindustrie in der Steiermark“, sagt Hans Böhm vom Energieinstitut der JKU Linz. Auch Müllverbrennungsanlagen fallen darunter, weil sie Produkte wie Plastik verwerten.
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Carbon Capture mit Aminwäsche
CO2-Abscheidungstechnologien sind in diesen Sektoren teilweise schon heute im Einsatz. „Bei der sogenannten Aminwäsche zum Beispiel bringt man das Abgas in Kontakt mit einer Waschlösung, an die sich das CO2 dann bindet. Aus dieser Flüssigkeit kann man es dann wieder herauswaschen“, erklärt Wolf-Zöllner.
Zwar erhalte man so CO2 in hoher Reinheit, aber der Energieaufwand und die Kosten seien derzeit noch zu hoch. Bis der Carbon-Capture-Prozess breit genutzt werden kann, müsse deshalb noch weiter geforscht werden. Betroffene Unternehmen fordern laut CaCTUS-Erhebungen zudem Förderungen und Anreizsysteme.
CCS in Österreichs Böden seit 2011 verboten
Das so gewonnene Kohlenstoffdioxid könnte man einlagern. Auf EU-Ebene gibt es seit 2009 einen Rechtsrahmen für die umweltverträgliche geologische Speicherung von CO2. Österreich hatte 2011 beschlossen, dies nicht zu erlauben, diese Entscheidung aber regelmäßig zu evaluieren. Vergangenes Frühjahr hat der Ministerrat dann die österreichische Carbon-Management-Strategie veröffentlicht und empfiehlt nun mehr die Aufhebung des CCS-Verbots. Dies ist auch im aktuellen Regierungsprogramm verankert.
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„Man hat das Verbot damals damit begründet, dass der Forschungsstand zu gering war, um Risiken auszuschließen“, erläutert Böhm. Mittlerweile ist diese Wissenslücke dank Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf der ganzen Welt gefüllt – und CCS als grundsätzlich sicher eingestuft. Sein Kollege fügt hinzu: „Natürlich ist sorgfältiges Monitoring trotzdem sehr wichtig, das betrifft ja die Öffentlichkeit.“ Die EU-Richtlinie sehe dies aber ohnehin vor -das heißt, auch Österreich müsste entsprechende Sicherheitsmaßnahmen rechtlich verankern.
Ausgeförderte Öl- und Gaslagerstätten als Speicher
„Es gäbe die Möglichkeit, dieses CO2 dann in ausgeförderten Öl- und Gaslagerstätten einzubringen. Wir haben für Österreich da ein theoretisches Potenzial von etwa 300 Millionen Tonnen ermittelt“, erklärt Böhm. Das könnte für mehrere Jahrzehnte ausreichen.
Solche Lagerstätten gibt es in Nieder- und Oberösterreich, von denen einige schon anderweitig genutzt werden. Ein Beispiel: Um die Versorgung sicherzustellen, wird in diesen Lagerstätten im Sommer Erdgas gespeichert, das dann im Winter wieder entnommen werden kann. „Es gibt auch eine Nutzungskonkurrenz für Stätten, in denen zukünftig Wasserstoff eingelagert werden könnte“, ergänzt der Wissenschaftler.

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Offshore-Speicher und saline Aquiferen
In anderen Ländern sind bereits CCS-Anlagen in Betrieb. Das Projekt Northern Lights beispielsweise speichert seit September 2024 Kohlenstoffdioxid 2,6 Kilometer unter dem Grund der norwegischen Nordsee. Vor wenigen Tagen erst haben die beteiligten Firmen Equinor, TotalEnergies und Shell eine Erweiterung der Anlage beschlossen.

Ein Teil der norwegischen CCS-Anlage "Northern Lights".
© APA/AFP/POOL/LEON NEAL / LEON NEAL
Österreich verfügt mangels eigener Küste über keine potenziellen Offshore-Lagerstätten. Allerdings besteht die Option, sogenannte saline Aquifere zu nutzen, eine poröse Gesteinsschicht, die es auch an Land gibt. „Die gibts überall dort, wo man nach Öl und Gas gebohrt hat und stattdessen Wasser gefunden hat“, sagt Wolf-Zöllner.
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Bisher waren diese Gesteinsformationen wirtschaftlich uninteressant und sind deshalb kaum erkundet. Deren Potenzial sollte in den kommenden Jahren genauer untersucht werden, meinen die Forscher.
CCU: Nutzung von CO2
Statt das abgeschiedene CO2 einzulagern, kann es auch direkt genutzt werden (CCU). In Kombination mit Wasserstoff könnte man daraus zum Beispiel synthetisches Methan oder Kunststoffe herstellen.
Das ist jedoch mit einem hohen Strombedarf verbunden und führt am Ende doch wieder zu CO2-Emissionen. Denn der Kraftstoff oder der Kunststoff wird am Ende seines Lebenszyklus verbrannt.
Rechtsrahmen und Transport-Infrastruktur fehlen
Was in Österreich sowohl für CO2-Nutzung als auch Speicherung noch fehlt, ist eine großflächige CO2-Transport-Infrastruktur. Dabei geht es nicht nur um gebaute Leitungen, sondern auch technische Standardisierung, die mit Systemen in Nachbarländern kompatibel ist.
Details dazu sollten rasch rechtsverbindlich geklärt werden, empfiehlt das CaCTUS-Projekt. Nur dann hätten Unternehmen ausreichende Planungs- und Investitionssicherheit.

Eine CO2-Leitung im deutschen Braunkohlekraftwerk "Schwarze Pumpe", einem CCS-Pilotprojekt.
© REUTERS / Michael Hanschke
Kritikerinnen und Kritiker sehen in der Speicherung von CO2 nur eine Art Ablenkungsmanöver fossiler Industrien, nicht auf erneuerbare Energien umsteigen zu müssen. Montan-Uni-Forscher Wolf-Zöllner hat dazu eine klare Haltung: Es gebe kein einzelnes Allheilmittel zur Erreichung der Klimaziele, man müsse die Transformation als Chance sehen.
Böhm, sein Kollege von der JKU Linz, ergänzt: „CCUS sind nur einzelne Bausteine. Es braucht unbedingt andere Maßnahmen, wie den Ausbau der erneuerbaren Energien und entsprechender Infrastruktur.“
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