
Assassin's Creed Shadows
Assassin’s Creed Shadows im Test: So kitschig wie eine Postkarte
Als Assassin‘s Creed 3 im Jahr 2012 erschienen ist, wandelte sich die Spieleserie für immer. Mit dem Sprung nach Nordamerika und ins 18. Jahrhundert waren der Fantasie der Fans kaum noch Grenzen gesetzt, was wohl als nächstes kommen wird. Ganz oben auf der Wunschliste: Japan.
Naheliegend, schließlich erinnern die Bewegungen und Attentate der Hauptfiguren an die Welt der Ninjas und Shinobis. Aber stattdessen gab es Piraten, London, Ägypten, Griechenland und Wikinger. Jetzt ist aber endlich soweit. Die Fan-Träume werden mit Assassin‘s Creed Shadows (PS5, Xbox Series, PC) wahr und versetzen Spieler ins Japan des 16. Jahrhunderts.
Hat sich das Warten gelohnt? Nein. Denn Shadows ist zwar bildhübsch, wirkt aber nach dem großartigen Ghost of Tsushima ein bisschen so, als hätte man über Assassin‘s Creed einfach nur einen Kirschblütenfilter drüber gehauen.

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Rache, Rache und ein bisschen Rache
Das beginnt bereits bei der Story. Unterbrecht mich, falls ihr den Plot schon mal gehört habt: Naoes Vater wird getötet. Sie will Rache. Der Assassins Creed „Twist“ ist, dass die Mörder eine mysteriöse Box stehlen.
Zumindest die Story des zweiten spielbaren Charakters, Yasuke, scheint ein bisschen spannender zu sein. Er wird zum herrenlosen Samurai und schließt sich Naoe an, weil sie die versteckte Assassinenklinge trägt. Seine Verbindung zu den Assassinen wird aber vorerst nicht verraten.
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Bei den Sidequests und Nebenmissionen wird es nicht besser. Gefühlt wollen 95 Prozent der Menschen, die man in Japan trifft, Rache für irgendwas oder irgendwen. Nach den ersten 30 Stunden Spielzeit habe ich begonnen, die Dialoge nur noch zu überfliegen, weil das Gejammere belanglos wirkt, nachdem man schon den 14. Reisbauern und die 5. Witwe gerächt hat.

Rache!
© Screenshot
Alles, was bewaffnet ist, ist ein Feind
Die Belanglosigkeit, die das Töten dadurch bekommt, spiegelt sich im Gameplay wider. Prinzipiell ist alles, was eine Waffe hat, der Feind. Irgendwo in der Wiese kämpfen Soldaten gegen andere Soldaten. Alle sind der Feind. Ihr kommt zum ersten Mal in eine Stadt und seht die Hafenverwaltung. Darin sind alles Feinde. Das Haus von jemandem, den ihr nicht kennt und das bis zu dem Zeitpunkt nichts mit der Story zu tun hat? Alle Wachen plus das Putzpersonal sind Feinde.
Immerhin greifen nur Ronins (gehen spazieren), Shinobi (hocken im Busch) und Banditen (stehen blöd in der Gegend rum) an, sobald sie euch sehen. Die Wachen in Städten schreiten, wie bei Assassins Creed üblich, nur ein, wenn sie einen Kampf beobachten oder sie euch in abgesperrten Gebieten entdecken.
Das Töten selbst ist dabei nicht das Problem – sonst könnte man ja auch Gran Turismo spielen. Es ist das Töten um des Tötens Willen. Ich hatte beim Spielen das Gefühl, dass ich nicht mal weiß, warum diese Typen und Typinnen als Feind markiert sind und wer auf der Wiese wen gerade kloppt und warum alle dann mich kloppen, wenn ich zu nahe ran gehe, um die Klopperei anzusehen. Bei Assassin‘s Creed Valhalla hatte ich selbst als blutrünstiger Wikinger eine klare Motivation und wusste, wer der Feind ist und warum. Bei Shadows reicht es, dass jemand eine Waffe hat oder in einem bewachten Anwesen den Boden schrubbt, um am falschen Ende des Katanas zu landen.

Nach der Rache: Entspannen im Katzencafé
© Screenshot
Wo ist die Grazie?
Wenn wir schon bei Valhalla sind: Hier habe ich etwas über Wikinger gelernt - quasi spielerischer Geschichtsunterricht. Ich konnte mich vorher nicht für plündernde Normannen begeistern und habe den Hype um die TV-Serie Vikings nicht nachvollziehen können. Je länger ich aber Valhalla gespielt habe, desto mehr hat mich die Epoche gepackt. Vikings finde ich immer noch fad, aber das grandiose Vinland Saga hätte ich vermutlich nie angeschaut, wenn mich Valhalla nicht angefixt hätte.
Bei Shadows ist es genau andersrum. Es ist nicht so, dass ich die Epoche Japans, in der das Land an der Entscheidung zwischen Isolation und Öffnung stand, nicht spannend finde: Aber sie wird von Shadows nicht mit Grazie behandelt. Es ist nicht, dass der Respekt fehlen würde. Es fehlt die Eleganz, mit der die Kultur in so ein Spiel eingewoben sein sollte.
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Ghost of Tsushima hat diese Eleganz. Es ermöglicht, dass man richtig tief in die Welt eintaucht. Bei Shadows fehlt das meistens. Es gibt nur selten Lichtblicke, wie etwa, dass man lernt, wie weit man sich bei einer Teezeremonie verbeugt und wohin man das Glas vor dem Trinken dreht. Solche Details machen eine Spielewelt erst lebendig und davon gibt es bei Shadows zu wenig.
Dafür gibt es eine Extraladung Gewalt. Am Ende von Combos zoomt die Kamera nah ran, um in Großaufnahme zu zeigen, wie dem Feind erst die beiden Arme und dann der Kopf abgeschlagen wird. Was in Mortal Kombat ein Fatality wäre, ist hier Standard. Gefühlt wird jeder zweite Gegner in Nahaufnahme zerstückelt, zerstochen oder zerhackt. Das erinnert an übertriebene, japanische und thailändische Actionfilme – aber die hören nach 2 Stunden auf und ziehen sich nicht 40+ Stunden hin.

Hier wird gerächt.
© Screenshot
Ein Schritt vor, einer zurück
Der Fokus liegt in Shadows stark auf den Kämpfen, egal, ob man gerade mit Naoe oder Yasuke spielt. Der große Unterschied: Naoe kann zusätzlich schleichen, während Yasuke mehr Health hat und schwerere, langsamere Waffen nutzt.

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Im Grunde wurden die Fähigkeiten der einen Wikinger-Hauptfigur in Valhalla auf 2 Personen aufgeteilt. Das mag zwar authentischer sein, ist aber nervig. Das Wechseln zwischen Naoe und Yasuke erfolgt nämlich im Menü und erfordert eine Ladezeit.
Reitet man gerade durch die Gegend, um zum nächsten Ziel zu kommen, wäre es besser mit Yasuke unterwegs zu sein, falls man in einen Kampf verwickelt wird – was so gut wie immer passiert. Findet man aber zwischendurch einen Aussichtspunkt, die in übertrieben hoher Zahl vorhanden sind, kann man dort oft nur mit Naoe und ihren Enterhaken raufklettern. Dadurch fühlt sich das Wechseln zwischen den Spielfiguren wie eine Qual an, statt wie ein Feature. Ohne die Ladezeit dazwischen wäre es kein Problem. Aber so wie es umgesetzt ist, nervt es.

Auf der Spitze von einem der wirklich vielen Aussichtspunkte
© Screenshot
Gut funktioniert das System, wenn man vor einem bewachten Gebiet, wie einem Fort oder Schloss, steht. Dann kann man sich überlegen, ob man mit Naoe schleichend die Ziele ausschaltet und die Schätze plündert (prinzipiell stiehlt man alles, was nicht niet- und nagelfest ist) oder ob man mit Yasuke einfach das Tor niederrennt und im offenen Kampf Köpfe und Gliedmaßen rollen lässt.
Bei vielen anderen Dingen in Shadows ist es ähnlich. Immer, wenn man etwas gut gemachtes entdeckt, gibt es auch was schlechtes. Die Kämpfe mit Yasuke funktionieren etwa meistens gut, aber Klettern/Parcours mit Naoe ist ungenau und holprig. Das Verbessern der Ausrüstung ist simpel, aber sinnvoll - der Basisausbau wirkt dafür wieder wie ein Gimmick, das einfach nur da ist, damit man sagen kann, dass es da ist.
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Malerische Umgebungsgrafik
Die Spielewelt ist nicht nur schön, sondern Postkarten-schön. Man kann sich richtig in der Landschaft verlieren, die dank Jahreszeitenwechseln immer wieder optisch verzückt. Hier mit dem Foto-Modus Erinnerungen festzuhalten, macht richtig Spaß. Tiere und Menschen, abgesehen von den 2 Hauptfiguren, schauen dafür aber generisch und wenig detailliert aus.
Assassins Creed Shadows Foto-Modus: No Filter



15 Bilder
Gut ist auch wieder, dass es richtig viel zu tun gibt – perfekt für alle, die, so wie es die berüchtigte Ubisoft-Formel vorgibt, mit Freude Icons auf der Karte abarbeiten. Aber sehr viel davon wiederholt sich.

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Und dann sind da noch so lästige Kleinigkeiten. Zum Beispiel: Nachdem man das Ziel erfüllt hat, kann man nicht direkt zum Questgeber schnellreisen, sondern muss den nächstgelegenen Schnellreisepunkt anwählen. Und wenn der auf einem Aussichtspunkt ist, muss man runterspringen, zum nächsten Weg runterklettern und kann dann erst aufs Pferd steigen, um schneller hinzukommen. Ja, die Landschaft ist schön – aber sie ist nicht so schön, dass ich denselben Weg, unnötigerweise, mehrfach laufen und klettern möchte.
Fazit
Assassin‘s Creed Shadows ist durchwachsen. Und das sollte nicht so sein. Ubisoft macht diese Games mittlerweile lange genug, dass gewisse Gameplay-Schwächen einfach nicht mehr auftreten sollen. Noch dazu war das Ninja- bzw. Japan-Theme so lange gewünscht von Fans der Serie, dass man sich hier extra ins Zeug hätte legen sollen. Passiert ist das aber nur bei der wunderschönen Spielewelt. Der Rest sind japanische Klischees, die über die vertraute Ubisoft-Formel drübergelegt sind.
Ist Shadows deshalb ein schlechtes Spiel? Nein. Aber so gut, wie es sein sollte, ist es auch nicht. Dass ich beim Spielen von Shadows geistig zu schönen Erinnerungen an Valhalla und Ghost of Tsushima abgeschweift bin, spricht nicht für das Game.
Immerhin bekommt man sehr viel Spielzeit für sein Geld. Die falschen Hoffnungen sollte man aber vor dem Spielbeginn begraben: Shadows ist kein Valhalla und schon gar kein Ghost of Tsushima mit Assassinenklinge im Ärmel.
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