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Assassin’s Creed Mirage im Test: Ein mutiger Schritt zurück

Das Spiel findet seltener in den Straßen als über den Dächern von Bagdad statt

Zum 15-jährigen Bestehen der Assassin’s-Creed-Reihe hat sich Ubisoft an seine Anfänge erinnert. Das wurde schon lange angekündigt, um der sogenannten Ubisoft-Formel des Abarbeitens sinnloser, immer gleicher Tasks, zu entgehen.

Denn mit der Trilogie Origins, Odyssey und Valhalla liefere man 3 epische Adventures ab, die sehr unterhaltsam aber auch enorm umfangreich waren. Viele Fans der ersten Stunde schreckte das ab. Das neueste Abenteuer könnte sie aber wieder abholen.

Mirage bezieht sich inhaltlich auf diese Trilogie, ohne vorauszusetzen, dass man sie kennt. Wir reisen ins 9. Jahrhundert, nach Bagdad. Ich steuere Basim, den ich noch bestens aus Valhalla kenne. Der junge Dieb und geübte Parkour-Läufer wünscht sich, Teil der Verborgenen (die Vorgänger der Assassinen) zu werden. Wir begleiten ihn auf seinem Weg.

Dabei müssen einmal mehr maskierte Strippenzieher, der Orden der Ältesten, ausgehoben werden. Doch Basim begegnet in Träumen und Visionen auch immer wieder einem dunklen Dschinn und wir müssen herausfinden, was es damit auf sich hat. Vom Animus wurde sich dafür verabschiedet.

Schleichen statt schlachten

Eine der wichtigsten Neuerungen findet man beim Kampfsystem. Das basiert jetzt vor allem darauf, gar nicht kämpfen zu müssen. Mit locken, ausweichen und Schwerthieben bleiben die Möglichkeiten bewusst begrenzt. Im Gegensatz zu Odyssey und Valhalla ist jetzt wieder schleichen das Herzstück des Games. Wird man dabei erwischt, muss man sehr gekonnt kämpfen - meisten ist hier aber wegrennen und im Blumenbeet verstecken die beste Lösung. 

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Als Basim gilt es daher, Angriffe im Vorhinein genau zu planen. Immer wieder müssen Häuser oder Institutionen infiltriert werden. Dabei hilft der treue Vogel Enkidu und Basims Adlerblick, mit dem man Gegner und Gegenstände anzeigen lassen kann – beides kennt man bereits.

Der Mörder lauert im Gebüsch

Bei besonders schwierigen Festungen oder Komplexen muss man z.B. durch Belauschen oder Bestechen Möglichkeiten ermitteln, ungesehen hineinzukommen. Das kann man meist mit Geld bzw. wertvollen Token lösen, etwa indem man Rebellen anheuert, die sich um die Wachen kümmern. Oder man erledigt ein Mini-Quest, konfiszierte Waren wieder zu bekommen. So ähnlich gab es das schon in Assassin's Creed 2.

Nun arbeitet man sich vor und ersticht einen Gegner nach dem anderen aus dem Schutz eines Gebüschs oder eines Schranks heraus, bis man sein Ziel erreicht hat. Zwar gibt es immer mal wieder andere Aufgaben, etwa einen Schlüssel zu finden oder Truhen zu inspizieren – im Endeffekt ist es aber immer ähnlich. Trotzdem ist das abwechslungsreicher als 500 Banditencamps zu überfallen, wie in früheren Ablegern.

Keine Level, kleiner Skilltree und überschaubares Inventar

Der starke Fokus auf Stealth ändert die Rollenspiel-Elemente. Es gibt keine Level mehr, wenig ausgewählten Loot und einen schlankeren Skill-Tree. Letzterer schaltet eigentlich nur Schleichhilfen frei. So kann man sich die Laufwege von Wachen anzeigen lassen oder nach erfolgreichem Eliminieren einen zweiten Gegner mit einem Wurfmesser töten. Solche Hilfsmittel sind essenziell für spätere Missionen. Besonders häufig habe ich die Blaspfeile benutzt, mit denen man Gegner in den Schlaf schicken kann.

Gerade gegen Ende, wenn man die meisten Dinge freigespielt und aufgelevelt hat, wird das Spiel dadurch sehr viel einfacher. Die Fokusleiste etwa lässt zu, 3 bis 5 Gegner auf einmal zu töten. Dafür bleibt die Zeit stehen, man wählt seine Opfer aus, bestätigt und muss nur noch zusehen. Das wurde von einigen als „zu einfach“ kritisiert, mir hat die Möglichkeit gut gefallen.

Schwierig ist das Spiel nicht, denn oft geben eindeutig von den Entwickler*innen zurechtgelegte Kletterpfade die Lösung bereits vor. Folgt man ihnen, kann man oft unentdeckt einen Gegner nach dem anderen eliminieren und gelangt so zum Ziel. Gestört hat mich das aber nicht, denn vorsichtig muss ich trotzdem bleiben.

Basim, der Meisterdieb

Insbesondere der Einstieg des Spiels hat sich an Disney's Aladdin bedient: Der kleine Dieb, der über die Dächer von Bagdad springt, um zu überleben. Zunächst habe ich mich geweigert, als Taschendieb alle zu bestehlen, die mir den Rücken zukehren. Ich wollte mir mein Geld lieber ehrlich (ok, als Profikiller, aber das ist auch ein Job!) verdienen.

Das Spiel hält einen aber so knapp bei Kasse, dass es irgendwann gar nicht mehr ohne Diebstahl geht. Die Skrupel legt man dann angesichts der guten Beute schnell ab. 

Der Diebstahl ist das einzige Minispiel in Mirage. Nähert man sich dem leuchtenden Geldsackerl an der Hüfte eines NPCs, drückt man einen Button. Dann muss man erneut im richtigen Moment den Button drücken, um unbemerkt die Beute zu schnappen.

Drückt man zu früh oder zu spät, wird man entdeckt. Dabei, und bei sämtlichen anderen illegalen Aktivitäten, füllt sich die "Bekanntheitsgrad"-Leiste. Je voller sie ist, desto eher werden wir von Wachen als gesuchte Verbrecher verfolgt. Um sie loszuwerden, müssen wir Fahndungsplakate abreißen - schön, dass diese Mechanik aus Assassin's Creed 2 zurückgekehrt ist.

Schöne, aber emotionslose kleine Welt 

Auch an anderer Stelle ist mit Mirage der Schritt zurück im besten Sinne gelungen. Statt in ganz Griechenland, Großbritannien oder Ägypten herumzureisen, wurde das Gebiet auf Bagdad und das Umland beschränkt. Allein das ist heute schon mutig. Während der Trend Spiele immer größer und umfangreicher zu machen leider immer noch nicht abgerissen ist (looking at you, Starfield), ist Assassin’s Creed Mirage erfrischend übersichtlich.

Eigentlich war der neueste Teil als DLC für Valhalla geplant. Das merkt man im Schlechten.

Mirage schenkt uns viele interessante Charaktere wie Vogelzüchter Fuladh, Schmiedin (Rafiq) Rebekah und den Rebellenführer Ali. Hier wurde viel Potenzial verschenkt, ihnen eine Geschichte zu geben. Tatsächlich kann man nur ein paar Gespräche mit ihnen führen.

Selbst ihre kurzen Hintergrundgeschichten werden mit Worten wie „das sind Geschichten fürs Lagerfeuer“ abgewürgt. Einzig Lehrmeisterin Roshan und Weggefährtin Nihal, die sich wegen der dunklen Kräfte sorgt, die Basim heimsuchen, erhalten ein wenig mehr Substanz.

Roshan, Fuladh und Basim 

Dadurch wirkt die Geschichte gehetzt und es wird schwierig, eine emotionale Bindung aufzubauen. Verstehen kann ich das nicht ganz, denn nur weil eine Spielwelt kompakt ist, muss sie nicht leblos sein. Gerade im Vergleich zu den Vorgängern fehlen gut geschriebene Nebenquests und spannende Orte, die man entdecken kann. Die Welt ist hübsch, lädt aber nicht zum Erkunden ein. Vielmehr wirkt sie ungewohnt leer.

Fazit

Trotz meiner Kritik hat mir Assassin's Creed Mirage gut gefallen. Als AC-Ultra mit jeweils über 250 Stunden bei Odyssey und Valhalla brauchte ich eine kurze Umgewöhnungsphase. Statt Sightseeing und Draufhauen zählt jetzt nur noch Stealth. Das macht mir sehr viel Spaß und ich gratuliere Ubisoft dazu, mit dem reduzierten Gameplay wieder ein ursprüngliches Assassin’s Creed entwickelt zu haben.

Fans der alten Teile können hier durchaus mal wieder zugreifen, besonders wenn ihnen die vorherigen Ableger nicht mehr gefallen haben. Das verdeutlicht nochmal mehr, dass die vorherigen Teile, so sehr ich sie mochte, nichts mit dem ursprünglichen Assassin's Creed zu tun hatten.

Dass der Animus fehlt, gefällt mir. Was mir aber abgeht sind die Geschichten und Nebenschauplätze - das hat die Spielewelt für mich in früheren Teilen so lebendig gemacht. Wenn ich etwas über Bagdad und das Leben dort erfahren möchte, muss ich das Glossar lesen. Das finde ich schade, denn wenn man die Stadt schon so mühsam und aufwändig nachbaut, dann sollte man sie doch auch wirklich zum Leben erwecken. Mit kleineren Quests, die man oft zufällig aufschnappt, erhält man maximal einen flüchtigen Blick auf die Zeit. Das ging früher besser und das wünsche ich mir definitiv zurück.

Mehr Geschichte und Geschichten, besseres Kennenlernen der Nebenfiguren und ein abwechslungsreicheres System als „gehe zu XY und suche AB“ – und dann wäre das ein super Spiel. Aktuell ist es gefangen zwischen dem Status DLC und einem Vollpreisspiel und weiß nicht recht, wohin es soll. Der Schritt zurück zu den Anfängen der Reihe war aber der richtige und ich bin froh, dass Ubisoft ihn gegangen ist.

Assassin's Creed Mirage kostet für alle Plattformen 49,99 Euro und ist für PC, PS4/PS5 und Xbox One und Series X/S erschienen. Es ist im Aboservice Ubisoft+ enthalten.

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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