Das kanadische Unternehmen CarbonRun will gleichzeitig  entfernen und saure Flüsse durch die Zugabe von gemahlenen Kalkstein sanieren.

Das kanadische Unternehmen CarbonRun will gleichzeitig  entfernen und saure Flüsse durch die Zugabe von gemahlenen Kalkstein sanieren.

© CarbonRun

Science

Wie tonnenweise Steinmehl in Flüssen das Klima retten sollen

Übermäßiges CO2 in der Erdatmosphäre heizt den Treibhauseffekt an. Durch die Verbrennung von Kohle- und Gas, Industrie und Verkehr wird es freigesetzt. Ein Teil davon wird von Seen, Flüssen und Meeren aufgenommen. 

Ideen, wie man das Treibhausgas aus dem Wasser kriegen könnte, gibt es einige. Eine Möglichkeit wäre etwa, natürliche Stoffe wie das Mineral Magnesiumoxid oder Kalkstein in Flüsse und Seen zu schütten. Das Gestein bindet das CO2 und macht es damit unschädlich. Gleichzeitig können die Gewässer dadurch wieder mehr CO2 aus der Luft aufnehmen, was die Erderwärmung verlangsamt.

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Genau diesen Ansatz verfolgt das Unternehmen CarbonRun aus Kanada. Tech-Konzerne wie Google und Meta investierten bereits Millionen in das Start-up. Es will tonnenweise gemahlenen Kalkstein in Flüsse und sogar Meere schütten und dadurch CO2 binden.

„Technisch ist das nachvollziehbar. Im gewissen Umfang würde das auch dazu beitragen, dass sich die pH-Werte in sehr sauren Gewässern verbessern, die etwa durch sauren Regen oder Abwässer geschädigt wurden“, erklärt Tobias Pröll. An der Universität für Bodenkultur forscht er seit 20 Jahren am sogenannten Carbon Capture and Storage (CCS), Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2. Diese Methode funktioniere aber nicht bei allen Gewässern. Als Beispiel nennt er die Flüsse des Alpenvorlandes, die von Natur aus sehr viel Kalkstein enthalten. Die Zugabe würde dort nichts ausrichten.

Fakten

CCS

Carbon Capture and Storage sind technische Methoden, mit denen CO2 aus der Atmosphäre entfernt und dann langfristig gespeichert wird.
CO2

löst sich auf natürliche Weise im Wasser auf. Das kennt man etwa von Mineralwasser – die Blasen dort sind nichts anderes als CO2. Der Kalkstein reagiert mit dem Wasser und dem Treibhausgas. Es entsteht Bikarbonat, wo das Klimagas eingeschlossen wird.

Der pH-Wert

eines Gewässers sagt, wie sauer oder basisch es ist. Er schwankt und wird z. B. von Chemikalien beeinflusst. Saure Gewässer gelten als ungünstiger Lebensraum für Tiere, denn nur wenige Arten kommen damit klar.

Saure Flüsse verbessern

CarbonRun will mit dem Kalkstein nicht nur CO2 binden, sondern gleichzeitig auch saure Gewässer sanieren, die es in den USA und Asien zuhauf gibt. Dass das funktioniert, zeigen Erfahrungen aus Skandinavien, wo diese Technik bereits in den 1970er-Jahren zum Einsatz kam. „Wegen saurer Abgase der Industrie und Kohlekraftwerken kam es dort zu einem Waldsterben, weil es dort keinen Kalkstein gibt. Da kann Kalksteinmehl eine Reparaturmaßnahme sein“, erklärt Pröll.

Eine Tonne Kalkstein benötigt CarbonRun, um eine Tonne CO2 zu binden. Meistens ist das Gestein aber nicht dort, wo es gebraucht wird. Man muss es also abbauen und zu den Flüssen hin transportieren. Kalkstein wird aber auch sonst gebraucht, in der Zementherstellung etwa. „Grundsätzlich ist Kalkstein ausreichend vorhanden, hier sehe ich kein Problem“, sagt Pröll. Im Vergleich zu anderen CCS-Methoden würde sich der Transport recht milde zur Bilanz schlagen.

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CarbonRun müsste Effekt beweisen

Auch für Lebewesen sei das Kalksteinmehl in normalen Dosen nicht schädlich. „Normalisiert man damit die pH-Werte von geschädigten Ökosystemen, könnte es sich sogar positiv auswirken“, so der Experte. „Insgesamt ist die Wirkung der Maßnahme für das Weltklima aber überschaubar. Das saure Wasser würde irgendwann ohnehin mit Kalkstein in Berührung kommen – spätestens im Ozean. Die Frage ist, wie sinnvoll es ist, das künstlich zu beschleunigen.“ 

Punktuell könne es aber eine sinnvolle Maßnahme sein. Zunächst brauche es aber eine ordentliche Untersuchung der tatsächlichen Auswirkung, die alle Aspekte berücksichtigt – vom Abbau des Kalksteinmehls, benötigte Kraftstoffe bis hin zu Abfällen. „Man müsste sich das über gewisse Zeiträume ansehen und die Wirkung auf den gesamten Planeten berücksichtigen.“

Greenwashing-Gefahr Zertifikatshandel

Kritisch sieht er das Geschäftsmodell von CarbonRun, das CO2-Zertifikate verkaufen will. Emittenten fossiler Brennstoffe könnten mit deren Kauf ihre Emissionen ausgleichen. Es bestehe die Gefahr von Greenwashing. 

„Wir stehen vor einer riesigen Herausforderung. Es ist unangenehm, auf fossile Energieträger zu verzichten. Deshalb klammert man sich an alle Strohhalme, die versprechen, dass wir einfach so weitermachen können wie bisher“, so Pröll. 

„Solange wir das Problem nicht an der Wurzel angehen, kratzen die anderen Maßnahmen nur an der Oberfläche“. CCS würde künftig wohl eine Rolle spielen. Statt irgendwo Steinmehl in Flüsse zu kippen, sollte man die Technologie jedoch direkt dort einbauen, wo man nicht verhindern kann, dass CO2 ausgestoßen wird.

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Jana Unterrainer

Überall werden heute Daten verarbeitet, Sensoren gibt es sogar in Arktis und Tiefsee. Die Welt hat sich durch die Digitalisierung stark verändert. Das interessiert mich besonders, mit KI und Robotik steigt die Bedeutung weiter enorm.

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Jana Unterrainer

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