
Ein Flüssigluft-Speicher von Highview Power
LAES: Eine Riesen-Batterie aus flüssiger Luft
Das größte Problem von erneuerbaren Energien: Sie sind nicht immer verfügbar. In der Nacht gibt’s keinen Sonnenstrom, bei Flaute dreht sich das Windrad nicht und in Dürreperioden geht sogar dem Wasserkraftwerk die Puste aus.
Wenn die Menschheit, wie geplant, zu 100 Prozent auf solche Energiequellen umsteigt, müssen also Lösungen her, um die Stromüberproduktion bei strahlendem Wetter und ausreichend Wind zu speichern, damit sie später verfügbar wird. Das geht schon jetzt, vor allem mit Großspeichern auf Lithium-Ionen-Basis, also einer XXL-Version einer Smartphone-Batterie. Allerdings haben diese hohe Baukosten, benötigen Konfliktstoffe und verlieren mit laufender Nutzung an Kapazität – genau wie das Handy.
Eine Alternative sind Flüssigluftspeicher (LAES - Liquid Air Energy Storage). Auf dem Papier klingen die nahezu perfekt: Als Speichermedium dient die Umgebungsluft und wenn diese Anlagen Strom aus Solar- und Windfarmen nutzen, sind sie komplett „grün“. Und weil bekanntlich Luft nichts kostet, sollen sie auch günstig sein. Um herauszufinden, ob das wirklich so ist, hat ein Forschungsteam des renommierten MIT in den USA berechnet, ob sich Flüssigluftspeicher tatsächlich auszahlen.
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So funktioniert der Speicher
Um den Speicher aufzuladen, wird der Überschuss von Solar- und Windkraftanlagen genutzt. Zuerst wird Umgebungsluft eingesaugt. Sie durchläuft Filter, um von Partikeln gereinigt zu werden. Danach wird sie verdichtet und auf etwa -195 Grad Celsius gekühlt. Bei dieser Temperatur verflüssigt sich Luft. Die flüssige Luft wird dann in große, isolierte Tanks gepumpt und bei etwa der 700-fachen Dichte von normaler Umgebungsluft gespeichert.
Wird Energie benötigt, wird die Flüssigluft aus den Tanks gepumpt. Dabei wird sie erwärmt und wieder gasförmig. In der Verdampfungsphase dehnt sie sich aus und treibt eine Turbine an, wodurch Strom erzeugt wird. Es entstehen weder Treibhausgase noch andere schädliche Emissionen: Das Speichern von Energie mittels flüssiger Luft ist also so grün, wie der Strom, der für das Betreiben der Anlage genutzt wird.

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Kein gewinnbringendes Geschäft
Umwelttechnisch ist die Methode also top. Aber wie sieht das finanziell aus? Dazu hat das MIT verschiedene Szenarien berechnet, inklusive des Erreichens der 100-prozentigen Dekarbonisierung (kein CO2-Ausstoß mehr) bis 2035 und der realistischeren Annahme einer 95-prozentigen Dekarbonisierung bis 2050. Unter der Voraussetzung, dass der überschüssige Strom zum Laden des Speichers besonders günstig gekauft und dann bei Bedarf teurer verkauft wird, ist ein Flüssigluftspeicher nur unter absoluten Idealbedingungen im bestmöglichen Szenario für den Betreiber gewinnbringend. Und das auch nur in Ländern, in denen der Energiemarkt die nötigen Voraussetzungen für dieses Szenario erfüllt.
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Bei der Analyse des MIT zeigte sich, dass ein Flüssigluftspeicher finanziell am sinnvollsten ist, wenn er für etwa eine Woche Strom liefern kann. Ein Monat wäre zu viel. Die Errichtung der Speichermöglichkeiten und das Halten der Flüssigluft auf der benötigten Temperatur würde zu hohe Kosten bedeuten.
Das MIT hat auch berechnet, wie sich Flüssigluftspeicher doch für Betreiber lohnen könnten. Eine Annahme ist, dass die technische Weiterentwicklung dabei hilft. Doch da gibt es einen Dämpfer: Selbst bei angenommener, theoretisch optimaler Energieeffizienz solcher Anlagen, würden sie sich nicht rentieren. Sinnvoller sei eine staatliche Unterstützung beim Bau, zwischen 40 und 60 Prozent. Eine Anlage mit 100 Megawatt, was eine Standardgröße für solche Energiespeicher ist, würde sich dann in allen realistischen Szenarien auszahlen, die berechnet wurden.

Grafische Darstellung eines Flüssigluftspeichers mit 50-MW-Leistung
© MAN/Highview Power
Günstiger als andere Speicherformen
Auch, wenn das ernüchternd wirkt, darf man eine andere Stärke nicht vergessen: Die Kosten zum Speichern der Energie, gerechnet über die Lebensdauer einer Anlage. Unabhängig von den Szenarien betragen diese laut dem MIT bei Flüssigluftspeichern etwa 53 Euro für eine Megawattstunde. Das sind nur ein Drittel der Kosten eines Lithium-Ionen-Speichers und etwa die Hälfte eines Pumpspeicherkraftwerks. „Wenn alle Speicheroptionen mehr kosten, als sie finanziell einbringen, wählt man die günstigste Variante“, schlussfolgern die Forscher.
Ein weiterer Vorteil ist, dass die benötigte Technologie bereits zur Verfügung steht. MAN stellt Komponenten für Flüssigluftspeicher her, die ua. in einer 50-MW-Anlage in England verbaut werden. Linde hat eine Versuchsanlage bereit. Laut dem Unternehmen können solche Speicher, aus geografischer Sicht, nahezu überall gebaut werden und hätten eine niedrige Errichtungszeit. Man kann sie also in der Nähe zu bereits vorhandener Infrastruktur positionieren, um Kosten zu senken.
Die britische Firma Highview Power will in Großbritannien 4 Flüssigluftspeicher bis 2030 aufbauen, die eine berechnete Lebensdauer von 40 Jahren haben. Jeder dieser Speicher soll genügend Kapazität haben, um mehr als 12 Stunden lang 650.000 Haushalte mit Energie zu versorgen. Damit könnten etwa Lücken der Solarstromerzeugung in der Nacht geschlossen werden, wofür aktuell Gas- und Atomkraftwerke genutzt werden.
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