
Arbeiten an der stählernen Schutzhülle über dem 4. Reaktor des AKW Tschernobyl, die wenige Tage zuvor von einer russischen Drohne getroffen wurde.
Drohnenangriff auf Tschernobyl verursachte hohen Millionenschaden
Mitte Februar traf eine russische Drohne mit hochexplosivem Sprengkopf die Schutzhülle des ehemaligen Kernkraftwerks Tschernobyl und ging in Flammen auf. Dabei entstand ein 15 Quadratmeter großes Loch im äußeren Dach. Ein Schwelbrand beschädigte die Innenverkleidung. Erhöhte Strahlungswerte wurden glücklicherweise nach der Explosion nicht festgestellt.
Experten schätzten die Kosten einer vollständigen Reparatur auf weit mehr als 25 Millionen Euro. Dieser Betrag steht bereits in einem internationalen Sonderfonds für Krisenfälle zur Verfügung, den verschiedene westliche Staaten bereitstellen.
Drohne im Iran entwickelt
Die Ukraine sieht in dem Zwischenfall einen absichtlichen Angriff seitens Russlands, berichtet der Guardian. Eine Sprecherin des russischen Außenministeriums erklärte, es handle sich um eine Provokation, die vom „Regime in Kiew absichtlich herbeigeführt“ worden war.
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Auf Basis von Trümmerteilen schlussfolgerten ukrainische Behörden, dass es sich um eine Shahed 136-Drohne handeln müsse. Das Einweg-Modell wurde im Iran entwickelt und wird heute in Russland zu Stückkosten zwischen 50.000 und 100.000 US-Dollar hergestellt.
Stahlstruktur über sowjetischem Sarkophag
Die getroffene 110 Meter hohe Stahlstruktur wurde erst 2017 fertiggestellt und kostete 1,5 Milliarden Euro. Sie sollte den unsicheren sowjetischen Sarkophag absichern, der nach dem Atomunfall 1986 über dem betroffenen Tschernobyl-Reaktor errichtet wurde.
Dieser Sarkophag ist durch das Loch in der neuen Schutzhülle nun wieder den Elementen ausgesetzt, was ein potentielles Risiko darstellt. Doch laut ukrainischer Umweltschutzbehörde seien die Strahlungswerte auf normalem Niveau und unter dauerhafter Kontrolle, heißt es im Guardian.
Reparatur unbedingt notwendig
„Es nicht zu reparieren, ist keine Option“, sagte Eric Schmieman gegenüber dem Guardian. Der US-amerikanische Ingenieur hatte 15 Jahre am Design der neuen Schutzhülle mitgearbeitet. Eine vollständige Reparatur könnte seiner Einschätzung nach hunderte von Millionen Euros kosten und Monate, wenn nicht Jahre dauern. Noch im Mai will die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE), die die Stahlstruktur finanziert hatte, eine detaillierte Einschätzung abgeben.
Die Stahlstruktur von 2017 war ursprünglich für einen 100-jährigen Einsatz konzipiert. Doch durch die Beschädigungen könnte schon früher Rost um sich greifen.
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Unter dem Sarkophag befindet sich eine stark radioaktive Mischung aus 200 Tonnen Uran und 5.000 Tonnen Sand, Blei und Borsäure, die als lavaähnlich beschrieben wird. Die hohe Radioaktivität ist eine Gefahr für die Arbeiterinnen und Arbeiter, die das Loch flicken sollen.
Nicht für Krieg konzipiert
Das ehemalige Atomkraftwerk von Tschernobyl befindet sich nur wenige Kilometer von der belarussischen Grenze entfernt. Es wurde von russischen Soldaten belagert, die 2022 Kiew einnehmen wollten. Derzeit ist es wieder unter ukrainische Kontrolle, innerhalb einer militärischen Sperrzone.
„Wir haben das Gebäude für viele Krisenfälle designt, aber nicht für Krieg“, erklärte Schmieman. Seit 1986 gebe es eine No-Fly-Zone über dem Gebiet, weshalb die Struktur nicht dafür ausgelegt wurde, Flugzeugabstürze – oder Drohneneinschläge – auszuhalten.
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