Digital Life

100.000 Opfer bei Internet-Betrug

Einer Bande von Internet-Betrügern haben jetzt österreichische und deutsche Ermittler mehr oder weniger das Handwerk gelegt. Mehr oder weniger, weil noch immer falsche Webshops der Gruppe online sind. Die Betrüger zockten mit den gefakten Internet-Verkaufsseiten Kunden im gesamten deutschsprachigen Raum ab. Die Fahnder gehen von rund 100.000 Opfern aus, sagte Rudolf Unterköfler vom Bundeskriminalamt (BK) am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Eine zentrale, wenngleich vermutlich unterbezahlte Rolle spielte dabei ein 20-jähriger Weinviertler.

Österreicher war "krimineller Provider"
Der junge Niederösterreicher hat eine EDV-Schule absolviert und dürfte danach offenbar nur mehr für Internetkriminelle aktiv gewesen sein. „Er hat den Webspace zur Verfügung gestellt, er war sozusagen der kriminelle Provider“, so Unterköfler über die Rolle des 20-Jährigen. Er dürfte auch die Homepages online gestellt und nach vier bis sechs Wochen wieder vom Netz genommen haben.

Die Bande hatte jeweils fünf bis zehn Online-Shops im Web. Der 20-Jährige bediente sich dabei auch frei verfügbaren Webspaces auf der ganzen Welt, beispielsweise in Russland und China. Verschlüsselungssoftware und Passwortschutz machte die Nachvollziehbarkeit der Machenschaften dabei schwierig, auch dafür soll der junge Niederösterreicher verantwortlich gezeichnet haben. Etwa zwei Jahre war die Gruppe aktiv, laut Unterköfler dürften dabei rund 800 gefakte Webshops im Einsatz gewesen sein. Vorgeblich wurden Autos, Markenartikel, Elektroartikel zu besonders günstigen Preisen verkauft. Die Opfer überwiesen die Gelder per Vorauszahlung, die Ware sahen sie nie.

Weitere Auftragsarbeiten
Von den anderen Bandenmitgliedern war nur einer dem 20-Jährigen bekannt. Mit den anderen verkehrte er ausschließlich per Mail. Der Weinviertler soll auch andere Auftragsarbeiten erledigt haben. Unter anderem ist er verdächtig, an einem groß angelegten Phishing-Coup bei der deutschen Postbank beteiligt gewesen zu sein, der rund 180.000 Euro Schaden verursachte.

Die Ermittler spürten der Bande rund eineinhalb Jahre lang nach. Auf die Fährte der Organisation waren sie durch verdächtige Finanztransaktionen gekommen. Die Täter verschoben die durch die Online-Betrügereien eingenommenen Gelder beinahe ausschließlich über sogenannte Finanzagenten. Dabei handelt es sich um Strohleute, die ihre Konten zum Geldparken zur Verfügung stellen oder Konten für die Bande eröffnen. Mehr als 1.000 dieser Agenten sollen für die Betrüger tätig gewesen sein.

Komplizierte Geldwege
Nicht zuletzt diese Transaktionen macht es für die Ermittler sehr schwierig nachzuvollziehen, wie hoch der Schaden durch die Internet-Betrügereien tatsächlich ist. Das Geld wurde kreuz und quer durch die ganze Welt verschoben. Unterköfler bezifferte den Schaden mit vermutlich mindestens 20 Millionen Euro. Angesichts dessen dürfte der Anteil des Niederösterreichers eher mäßig ausgefallen sein. Die Ermittler gehen davon aus, dass er nicht mehr als 60.000 bis 70.000 Euro bekommen hat.

Der Zugriff musste wohl abgestimmt sein: „Es war unbedingt notwendig, dass wir zu einem offenen Rechner kommen“, erzählte Unterköfler. Vor genau einer Woche war es soweit. Der 20-Jährige ging außer Haus. Die Ermittler waren sicher, dass der PC aufgedreht war, und griffen daher zu. Kurze Zeit später schlugen auch die Fahnder in ganz Deutschland zu. 29 Objekte wurden in ganz Deutschland durchsucht, acht Personen verhaftet, darunter der mutmaßliche Mastermind der Bande sowie ein weiterer Provider. Unterköfler: „Es wurden zahlreiche Beweismittel sichergestellt.“

Beschuldigter nicht kooperativ
Der Weinviertler zeigte sich bisher durchaus nicht unkooperativ. Unter anderem gab er den Ermittlern eines seiner Passwörter: „wehatethissh..f...bka...... (danach folgt ein Code, Anm.)“ lautete es.

Das Bundeskriminalamt warnte allfällige Internet-Konsumenten vor Kaufaktionen auf folgenden Webseiten, die der Gruppe zugerechnet werden und die noch online sind. So sind etwa die Seiten usa-auto-kaufen.de, luxus-freienhaus24.de oder af-import-autohaus.de zum Teil noch online erreichbar.

Bundeskriminalamt sieht rasanten Anstieg bei Internet-Kiminalität
Straftaten im Internet sind in den vergangenen Jahren zahlreicher und raffinierter geworden. Es sei eine zunehmende Professionalisierung und internationale Organisierung der Tätergruppen zu beobachten, warnte das Bundeskriminalamt (BK) am Dienstag aus Anlass der Ausforschung  der Bande.

Gleichzeitig würden die Verwendung hoch entwickelter Softwareprogramme die Arbeit der Kriminalisten erschweren. „Die von den Tätern hinterlassenen Computerspuren sind im Internet durch eigens verwendete Verschlüsselungssoftware sehr schwierig zu verfolgen“, sagte Rudolf Unterköfler vom BK.

Vervielfachung der Anzeigen
Im Bereich der IT-Kriminalität wurden laut BK im Jahr 2001 in Österreich 38 Straftaten zur Anzeige gebracht, 2005 waren es 2.453 Fälle, im Jahr 2010 bereits 4.450. In den ersten drei Monaten des Jahres 2011 wurden 1.129 Delikte angezeigt. Die Aufklärungsquote lag im ersten Quartal dieses Jahres bei 44,4 Prozent. In absoluten Zahlen zählen der Betrug durch Internetauktionen (1.874 angezeigte Fälle im Jahr 2010) bzw. der Betrug durch Missbrauch des Internets (1.490 Fälle im Jahr 2010) zu den am häufigsten begangenen Delikten.

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