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"Flugtaxis zu nutzen wird billiger, als das eigene Auto zu fahren"

Am Anfang waren die Jetsons. In der Zeichentrickserie aus den 1960er-Jahren bewegt sich die vierköpfige Familie samt Hund Astro und Roboter Rosie in einem fliegenden Auto fort. Für den aus Deutschland stammenden Sebastian Thrun, der bei Google selbstfahrende Autos entwickelte, war damit schon alles vorweggenommen, wie er auf der Innovationskonferenz DLD in München erzählt.

"Wenn wir Autos 500 Meter in die Luft bekommen, können wir Menschen von Staus und verstopften Straßen befreien", sagt Thrun. Heute leitet er das von Google-Gründer Larry Page mitfinanzierte Start-up Kitty Hawk, das autonom fliegende elektrische Fluggeräte herstellt. Die futurezone hat mit ihm über den Verkehr der Zukunft gesprochen.

futurezone: Ihr Unternehmen baut senkrechtstartende, autonome Elektroflugzeuge. Wozu brauchen wir solche Fluggeräte?
Sebastian Thrun:
Der Straßenverkehr wird in vielen Städten immer schlimmer. Wir haben immer mehr Autos. Mit solchen Flugzeugen haben wir völlig neue Verkehrsmittel, die sich nicht auf dem Boden bewegen, sondern ein paar hundert Meter in der Luft. Dort gibt es noch sehr viel Platz. Und wenn wir es schaffen elektrisch betriebene Fluggeräte zu erzeugen, die sicher, erschwinglich und leise sind, dann kann ich mir vorstellen, dass das Auto irgendwann abgelöst wird. 

Wie ausgereift sind die Geräte schon?
Es gibt weltweit etwa 30 Firmen, die daran arbeiten. Alle sind noch im Prototyp-Bereich. Es gibt noch keine Firma, die ein Produkt hat. Wir haben mit Kitty Hawk bereits über 150 Prototypen gebaut und fast 30.000 Testflüge hinter uns. 

Elektro-Flugzeug von Kitty Hawk

Wie sollen solche Fluggeräte zum Einsatz kommen?
Als eine Art Lufttaxi, das man sich über das Handy bestellen kann und das einen dann von A nach B bringt. All diese Systeme können vertikal starten und landen - man braucht keinen Flugplatz, es geht auch im Vorgarten.

In solche Geräte wird viel Geld investiert. Zuletzt steckte etwa Toyota mehrere hundert Millionen Dollar in Start-ups aus dem Bereich. Ist der Optimismus gerechtfertigt?
Die Prototypen, die wir gebaut haben, können ungefähr 53 Stundenkilometer schnell fliegen und haben eine Reichweite von ungefähr 200 Kilometern. Sie sind superleise und sie sind sehr sicher. Im Stadtverkehr ist man damit ungefähr 10 Mal so schnell wie heute, wenn man mit dem Auto fährt. Ich glaube schon, dass die Menschen das gerne möchten - sie mögen keinen Stau. Die Technologie ist da. Jetzt geht es darum, die Regulierung in den Griff zu bekommen.

Regulatorisch sind noch viele Fragen offen. Wo rechnen Sie zuerst mit Freigaben?
Wir haben sehr großen Erfolg in Neuseeland, wo wir sehr eng mit der Regierung zusammenarbeiten. Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten 3 Jahren ein Lufttaxisystem zur Verfügung stellen können. Wir arbeiten auch in den USA mit der Luftfahrtbehörde sehr eng zusammen und wollen dort das gleiche machen. Dort wird es eher 5 bis 7 Jahre dauern.

Wie sieht es in Europa aus?
Deutschland hat mit Lilium und Volocopter 2 sehr starke Unternehmen auf dem Gebiet. Ich bin mit europäischen Gegebenheiten nicht so vertraut. Ich weiß aber, dass es in der Schweiz großes Interesse gibt. 

Sie gelten als Pionier bei selbstfahrenden Autos und haben die Google-Fahrzeuge (heute Waymo) entwickelt. Wo stehen wir mit autonomen Autos?
In den USA gibt es eine Reihe von Firmen, die im Testeinsatzbereich eine extrem große Zuverlässigkeit bewiesen haben. Ich gehe davon aus, dass in den nächsten 2 bis 3 Jahren tatsächlich kommerzielle Systeme mit selbstfahrenden Autos zur Verfügung stehen werden. 

Selbstfahrendes Auto von Google

Wie viel wird die Nutzung solcher autonomer Taxisysteme kosten?
Wir gehen davon aus, dass die Kosten für ein autonomes Taxisystem oder ein autonomes Flugtaxisystem pro Kilometer unter den Kosten eines Privatautos liegen, die etwa 30 Cent pro Kilometer betragen.

Wäre es nicht sinnvoller den öffentlichen Verkehr auszubauen, anstatt weitere Angebote im Individualverkehr zu schaffen?
Nehmen wir Busse. Sie sind nur ökonomisch, weil viele Personen von einem Fahrer transportiert werden können. Wenn es keinen Fahrer mehr gibt, gibt es auch keinen Grund, warum es Busse geben sollte. Vom Energieverbrauch sind sie weniger gut als Autos, durch das Wegfallen der Kosten für den Fahrer fällt auch der Grund weg, warum sich viele Menschen im gleichen Fahrzeug befinden müssen. Das selbstfahrende Taxi ist besser, weil Leute dann auch nicht getaktet und nicht alle zum selben Ort fahren müssen.

In Wien gibt es zum Beispiel ein sehr gut ausgebautes U-Bahn- und S-Bahn-Netz.
Wenn es ein gutes Schienensystem gibt, werden solche autonomen Systeme wahrscheinlich weniger Einfluss haben.

Welche Rolle werden solche Flugtaxis in der Mobilität der Zukunft spielen?
Sie werden hauptsächlich im Nahverkehr eingesetzt werden. In den USA beträgt die Geschwindigkeit im Stadtverkehr im Schnitt 30 Kilometer pro Stunde, in Manhattan sind es nur 8. Da macht es einen großen Unterschied.

Wann werden fliegende Autos zum Alltag gehören?
Das geht nicht von heute auf morgen. Es gibt viel Dialog mit Verkehrsplanern. Aber die Städte entwickeln sich sehr langsam. Es wird Jahrzehnte dauern, bis sie sich darauf eingestellt haben. Man darf nicht vergessen, dass es in vielen Städten auch bis zu 40 Jahre gedauert hat, bis Pferde durch Autos ersetzt wurden. 

Google-Gründer Sergej Brin mit Datenbrille

Sie haben Googles Innovationslabor Google X gegründet und dort auch die Datenbrille Google Glass entwickelt. Die hat die in sie gesetzte Hoffnung im Markt für Endkonsumenten nicht erfüllt. Warum?
Wir waren ein bisschen zu früh. Die Optik war nicht gut genug und auch die Software war nicht ausgereift. Es war ein frühes Modell von einem neuen Konzept. Google Glass wird aber bald wieder auf den Markt kommen. Längerfristig werden Datenbrillen auch bei Endkonsumenten Erfolg haben.

Können Datenbrillen längerfristig das Smartphone ersetzen?
Das glaube ich nicht. Das Smartphone ist auch kein Ersatz für den PC geworden. Jede Technologie hat ihren eigenen Sweet Spot. Bei Google Glass waren die Interaktionen die besten, die weniger als 4 Sekunden dauern. Etwa das Aufnehmen und Teilen von Fotos. Für das Lesen der "New York Times" war Google Glass nie gut. Es war sehr unbequem, weil man nach oben schauen musste.

Sie gelten als Experte für künstliche Intelligenz (KI). Die Technologie ist bereits allgegenwärtig. Wo sehen Sie das größte Potenzial?
KI ist die wichtigste Technologie, die existiert, weil sie in der Lage ist, von uns zu lernen. Die meisten Angestellten arbeiten in Büros und verrichten repetitive Tätigkeiten. KI hat gezeigt, dass es in der Lage ist, diese Muster zu lernen und die Menschen bei der Ausführung der Arbeit zu unterstützen. Menschen werden effizienter. Sie müssen keine repetitive Arbeit mehr machen. Ärzte, die KI zu Erkennung von Krankheiten einsetzen, werden damit deutlich besser. Das gilt auch für Rechtsanwälte, Piloten, Investmentbanker und für viele andere Berufssparten. KI wird die Arbeitswelt gewaltig verändern.

Die Systeme werfen auch viele Fragen auf. Was braucht es, um Vertrauen zu schaffen?
Wir müssen mit Technologie verantwortungsvoll umgehen. Für mich ist KI nur ein Werkzeug, ähnlich wie eine Schaufel oder ein Messer. Auch damit kann man Schlimmes anstellen. Wir müssen dafür sorgen, dass KI zum Wohle der Menschheit eingesetzt wird. 

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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