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Russlands nukleare Wunderwaffe Skyfall ist 14.000 km weit geflogen

Im März 2018 hat Russlands Präsident Putin mehrere „Wunderwaffen“ vorgestellt. Eine davon ist 9M730 Burewestnik (Sturmvogel), die international unter dem NATO-Codenamen SSC-X-9 Skyfall bekannt ist.

Das Besondere an dieser Waffe: Der Marschflugkörper kann nicht nur mit einem nuklearen Sprengkopf bestückt werden, sondern hat auch einen Atomantrieb. Wie jetzt bekannt wurde, soll Skyfall am 21. Oktober einen Testflug erfolgreich absolviert haben.

Laut Waleri Gerassimow, Generalstabschef der russischen Streitkräfte, legte der Marschflugkörper über 14.000 km bei dem Test zurück. Der Flug soll 15 Stunden gedauert haben. Er ergänzt, dass bei dem Test die maximale Reichweite nicht ausgereizt wurde.

Was unendlich Reichweite bedeutet

Russland sprach mehrfach darüber, dass Skyfall unendlich Reichweite haben wird – nannte aber nie eine konkrete Zahl. Internationale Experten gehen bei einem nuklearen Raketenantrieb von einer Reichweite von mindestens 25.000 km aus.

Da die Erde einen Umfang von 40.000 km hat, könnte Skyfall also jedes Ziel von jedem erdenklichen Abschusspunkt aus erreichen – ohne den direkten Weg nehmen zu müssen. Skyfall könnte also in Russland starten und sein Ziel aus jeder Himmelsrichtung anfliegen oder taktisch ausgedrückt: Aus der Richtung bzw. mit der Route, wo die Luftabwehr des Feindes am schwächsten ist.

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Mikroreaktor treibt Elektromotor an

Nicht nur zur Reichweite fehlen die Angaben: Auch über die Technik schweigt Russland. Man geht davon aus, dass der Mikroreaktor als Energiequelle für einen Elektromotor dient. Der Elektromotor verdichtet und bündelt die im Flug eingesaugte Luft und stößt diese aus dem Triebwerk aus, wodurch der Schub erzeugt wird.

Sollte diese Vermutung zutreffen, wird der Reaktor vermutlich erst bei einer bestimmten Mindestgeschwindigkeit eingeschaltet werden können, da ihm der Luftstrom gleichzeitig als Kühlung dient, um ein Überhitzen zu vermeiden. Zum Erreichen der Geschwindigkeit wird ein Booster mit konventionellem Antrieb genutzt werden, der später abgeworfen wird. Damit könnte Skyfall auch vom Boden oder Schiffen aus starten.

Startplattformen für Skyfall

Beim Start in der Luft könnte auf den Booster verzichtet werden, wenn der Bomber oder Kampfjet die nötige Geschwindigkeit erreicht. Sollten die Informationen von Gerassimow stimmen, wäre Skyfall ca. mit 935 km/h geflogen. Das ist noch Unterschallgeschwindigkeit, was typisch für Marschflugkörper mit hoher Reichweite ist.

Russlands Bomber Tu-95 erreicht die 935 km/h allerdings knapp nicht. Skyfall könnte von dort aus nur per Booster starten.

Der strategische Überschallbomber Tu-160 kommt bei Bedarf auf 2.220 km/h. Außerdem hat er eine Nutzlast von 40 Tonnen, könnte also gleich mehrere Skyfalls starten.

Als fliegende Startplattform würde sich noch die MiG-31K (3.480 km/h) anbieten. Die K-Variante ist eine angepasste MiG-31, um die Hyperschallrakete Kh-47M2 Kinzhal unter dem Rumpf zu tragen.

MiG-31 mit Kinzhal

Die Kinzhal ist 7,2 Meter lang. 2019 berichtete die russische Tageszeitung Nezavisimaya Gazeta, dass Skyfall im Flug 9 Meter lang ist und beim Start 12 Meter. Daher kann man davon ausgehen, dass der Booster 3 Meter lang ist. Ohne Booster ist der Längenunterschied zwischen Kinzhal und Skyfall wohl vernachlässigbar, wenn sie außen am Flugzeug und nicht in einem Bombenschacht getragen wird. Daher wird die MiG-31K sie vermutlich nutzen können.

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Vom Boden aus gestartet, wird vermutlich der 4-achsige Lkw MZKT-7930 genutzt. Dessen Vorgänger MAZ-543 kam u. a. als Startfahrzeug für die berüchtigte Scud-Rakete zum Einsatz, die 11,25 Meter lang ist.

Hohe Reichweite bei weniger Größe

Für so hohe Reichweiten, wie Skyfall angeblich erzielen kann, braucht man üblicherweise eine Interkontinentalrakete. Und diese sind riesig. Russlands neuestes Modell, die RS-28 Sarmat, ist 35 Meter lang.

Das macht es einfach, sie im Flug zu orten. Zudem starten sie aus unterirdischen Silos, deren Positionen Großteils bekannt sind. Frühwarnsysteme können deshalb einen Start recht verlässlich erkennen. Dadurch kann der Feind vor Eintreffen der Rakete ein Gegenschlag oder Abwehrmaßnahmen einleiten.

Skyfall könnte hingegen einfach auf einem Lkw-Starter aus einem Tunnel herausrollen und abgefeuert werden. Auch das Abfeuern von einer MiG-31K oder einer Tu-160 würde weit weniger auffallen, als wenn sich die Silotore einer RS-28 öffnen.

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Skyfall könnte Stealth-Eigenschaften haben

Zudem kann man davon ausgehen, dass Skyfall Stealth-Eigenschaften haben wird, wie viele andere moderne Marschflugkörper. Dadurch wird es schwieriger, den Flug per Radar zu verfolgen. Moderne Marschflugkörper können auch besonders tief fliegen, um schlechter vom Radar erfasst zu werden und bei Bedarf selbstständig Ausweichmanöver fliegen.

Durch diese Maßnahmen soll Skyfall eine Schwäche gegenüber Interkontinentalraketen kompensieren. Haben die nämlich ihre Fracht einmal bis in den Weltraum gebracht, ist es sehr schwierig, den Atomsprengkopf nach dem Wiedereintritt auf seinem Flug Richtung Ziel abzufangen. Ist Skyfall „stealthy“ unterwegs, ist das Abfangen ebenfalls schwierig: Denn man kann nichts beschießen, was man nicht kommen sieht.

Zerstörungskraft

Bei der Feuerkraft kann Skyfall aber vermutlich nicht mit Interkontinentalraketen mithalten. Diese sind üblicherweise mit MIRVs bestückt – also Mehrfachsprengköpfen, wovon jeder eine gewaltige Zerstörungskraft hat. Eine einzelne RS-28 kann etwa 10 Sprengköpfe mit je 750 Kilotonnen tragen. Zum Vergleich: Die Hiroshima-Bombe hatte eine Sprengkraft von 13 Kilotonnen.

Bei Skyfall geht man davon aus, dass der Gefechtskopf in etwa dasselbe Gewicht wie der der Kh-102 haben wird. Dabei handelt es sich um die Nuklearvariante des russischen Stealth-Marschflugkörpers Kh-101, die bis zu 4.000 km Reichweite haben soll. Der Sprengkopf der Kh-102 ist bis zu 250 Kilotonnen stark.

Eine Kh-101 wird verladen.

Die geringere Zerstörungskraft gegenüber einer Interkontinentalrakete kann kompensiert werden, wenn mehrere Skyfalls gleichzeitig gestartet werden. Als Alternative zum nuklearen Gefechtskopf, könnte Skyfall konventionellen Sprengstoff tragen, um wichtige Ziele zu zerstören, wie etwa die kritische Infrastruktur eines weit entfernten Landes. Durch den atomaren Brennstoff an Bord könnte Skyfall das Zielgebiet nach der Explosion aber trotzdem verstrahlen, ähnlich wie bei einer schmutzigen Bombe.

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Unfall mit Skyfall kostete 7 Personen das Leben

Geheimdienste westlicher Länder gehen davon aus, dass es bei der Entwicklung von Skyfall mehrere Zwischenfälle gab. So wurde südlich vom Ural 2017 das radioaktive Element Ruthenium freigesetzt, was mit dem Marschflugkörper in Zusammenhang stehen soll.

Am 8. August 2019 ereignete sich am Marinetestgelände Njonoksa eine Explosion, bei der Radioaktivität freigesetzt wurde und 7 Personen starben. Im November 2019 verlieh Putin den Verstorbenen posthum Ehrenmedaillen für ihre Arbeit an einer „unvergleichbaren Waffe, die Russlands Zukunft sichern wird“. Geheimdienste vermuten, dass der Unfall nicht direkt bei einem Testflug stattgefunden hat, sondern nachdem Skyfall-Marschflugkörper geborgen wurde, der bei einem Testflug 2018 ins Meer gestürzt war.

Russlands weitere Wunderwaffen

Wann Russland die Entwicklung von Skyfall abschließen oder die Waffe in Dienst stellen will, ist derzeit nicht bekannt. Zudem sind jegliche Angaben und Aussagen von russischer Seite dazu mit Vorsicht zu genießen. Skyfall wird etwa als „unstoppbar“ bezeichnet, genauso wie zuvor die Hyperschallrakete Kh-47M2 Kinzhal. Diese konnte von der Ukraine mehrfach mit regulären Luftabwehrsystemen abgefangen werden.

Ebenfalls als unbesiegbar feiert Russland den Hyperschall-Gleitflugkörper Awangard. Der gehört ebenso wie Skyfall zu Putins „Wunderwaffen“, die 2018 vorgestellt wurden. Er soll einen nuklearen Sprengkopf mit einer Geschwindigkeit von bis zu Mach 27 (über 33.000 km/h) ins Ziel bringen. Angeblich stehen seit Anfang 2024 10 Interkontinentalraketen bereit, die mit Awangard bestückt sind.

Weltuntergangs-Torpedo Poseidon

Eine weitere atomare Wunderwaffe soll 2M39 Poseidon sein. Es ist quasi die Torpedo-Version von Skyfall – eine Unterwasserdrohne mit Atomantrieb und Atomsprengkopf. Auch Poseidon hat angeblich „unendlich Reichweite“.

Sein Atomsprengkopf soll eine Kraft bis zu 2 Megatonnen haben. Durch Stealth-Techniken soll Poseidon nur schwer mit Sonar aufzuspüren sein. Im russischen Fernsehen wurde behauptet, Poseidon könne einen radioaktiven Tsunami auslösen, der Großbritannien versinken lässt.

Forscher haben mehrfach erklärt, dass dies physikalisch nicht möglich ist. Der Tsunami von Japan im Jahr 2011 hatte eine Kraft, die 163.000-mal größer war als die von AN602 Zar. Der Test dieser Atombombe war die stärkste jemals von Menschen verursachte Explosion.

Angeblich hat Russland 2023 mit der Herstellung von Poseidon angefangen. Die Waffe, die gerne als „Weltuntergangs-Torpedo“ bezeichnet wird, soll 2027 in Dienst gestellt werden. Ähnlich wie bei Skyfall sind auch hier Experten der Meinung, dass Russland übertreibt, was die Fähigkeiten der Waffe angeht.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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