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Ghost Recon Breakpoint im Test: Nahe am Erbrechpunkt

Ein schwer bewaffneter Elite-Soldat blickt ins Tal der Insel. Er ist trainiert im Nah- und Fernkampf, Fallschirmspringen und Steuern von Hubschraubern. Drohnenfliegen und hacken kann er auch, ist ein Experte mit dem Scharfschützengewehr und beherrscht das LMG wie kein anderer.

Der Elite-Krieger macht einen Schritt vorwärts. Ein Schritt Richtung der Befreiung der tyrannisierten Bevölkerung dieser Insel. Ein Schritt Richtung Rettung der Welt! Ein Schritt, der ihn ein Gefälle mit 15 Grad auf den Hintern herabrutschen lässt.

Nach ein paar Sekunden dahinschlittern, auf einem Hügel, der nicht mal reichen würde um im Winter ein 4-jähriges Kind am Bob in Bewegung zu versetzen, rafft sich der Supersoldat auf. Völlig fertig, keine Ausdauer mehr, körperlich so am Ende, dass man glaubt, er muss sich vor Anstrengung gleich übergeben. Auch als Spieler rührt sich ein Brechreiz. Nicht, weil man mit dem armen Soldaten mitfühlt, sondern weil einem als Ghost-Recon-Fan übel wird bei dem, was Ubisoft mit Ghost Recon Breakpoint (PS4, Xbox One, PC) gemacht hat.

Es war einmal…

Um zu verstehen, warum Breakpoint nicht einfach nur ein mittelmäßiges, verbuggtes Game ist, sondern ein Schlag ins Gesicht einer treuen Fan-Community, muss man einen Abstecher ins Jahr 2017 machen. Da erschien mit Ghost Recon Wildlands ein verstecktes Juwel, das die nahezu tote Serie wiederbelebte.

In einer offenen Welt schlich und ballerte man sich durch Bolivien, ging kooperativ mit anderen Mitspielern vor und war stets auf der Jagd nach Waffen und Zubehör, die meist in schwer bewachten Gebieten zu finden waren. Auch wenn das Spiel nicht nur positive Testberichte erhalten hat, hat sich doch eine Fangemeinschaft versammelt, die den Taktik-Shooter lange und gerne spielte.

…und ist nicht mehr

Zurück in die Gegenwart. Breakpoint nimmt das gute Gameplay von Wildlands und versaut es. In meiner Vorstellung ist das folgendermaßen passiert. Ein Ubisoft-Manager geht zum Entwicklerteam und sagt: „Hey, ich habe gehört die Kids stehen jetzt voll auf Loot-Shooter. Macht das in euer Breakdingsi-Spiel rein.“ Game-Director von Breakpoint: „Aber dafür hat Ubisoft doch schon Division 2…“ Ubisoft-Manager: „Ihr tut gefälligst was ich sage! Und gebt auch Survival-Zeug dazu, die Kids lieben das!“

Was dabei rausgekommen ist: Ein furchtbares Ausdauer-System, das aus dem Supersoldaten einen Reservisten mit der Ausdauer eines Asthmatikers macht und ein Gear-Level-System, wie man es von Loot-Shootern wie Destiny, Division und Borderlands kennt. Das hat in einem Taktik-Shooter, der „authentisch“ sein will, nichts zu suchen. Aber Hauptsache Hosen, Handschuhe, Helme und Schutzwesten sind von echten Marken. Authentizität gibt’s wohl nur noch, wenn Firmen dafür bezahlen.

Hauptsache es schießt

Auch nach 15 Stunden Spielzeit kotzt mich das Loot-System von Breakpoint immer noch an. Jeder dritte Gegner verliert eine Waffe oder einen Ausrüstungsgegenstand – wie von Loot-Shootern gewohnt in verschiedenen Seltenheitsgraden. Grün ist ein bisschen gut, Blau hat mehr spezielle Eigenschaft, Lila ist Premium und Gold ist ganz toll. Sehr authentisch ist das nicht, wenn das lila Maschinengewehr +10 Prozent Ausdauer gibt.

Durch die ständig neuen Drops ist es einfach nur noch egal, welche Waffe man verwendet. Es zahlt sich nicht mal aus, diese mit Zubehör im Menü anzupassen, weil man sowieso in ein paar Minuten eine Waffe mit mehr Gear-Level findet, die man wieder anpassen müsste. Ignoriert man das Gear-Level, macht man den Gegnern weniger Schaden. Will man, warum auch immer, unbedingt eine bestimmte Waffe behalten, kann man deren Werte aufrüsten. Macht erst im Endgame Sinn, vorher ist es irrelevant.

Zwar kann man, wie bei Wildlands, auch bestimmte Waffen gezielt suchen, allerdings sind das nur die Pläne dafür. Damit kann man in der Basis diese Waffe, immer mit dem aktuellen Gear-Level, kaufen. Macht das Sinn, wenn man zwei Minuten später wieder eine findet, die ein höheres Gear-Level hat? Nope.

Stichwort nachkaufen: Sollte die Ingame-Währung knapp werden, kann man die mit echtem Geld nachkaufen. Und dann gibt es noch eine Premium-Ingame-Währung, die man nicht erspielen, sondern nur mit echtem Geld kaufen kann. Zufälligerweise wird, ähnlich wie bei Destiny, das Gear-Level eures Charakters genauso in den Versus-Multiplayer-Modus übernommen. Das heißt wer mit der Premium-Ingame-Währung brav starke Waffen kauft, hat es im PVP-Modus leichter – pay to win.

Ich bin so Survival, ich trink sogar Wasser

Wie gut verträgt sich ein Loot-Shooter mit einem Survival-Shooter? In etwa so gut wie der Breakpoint-Spieldesigner mit dem Ubisoft-Manager oder mein Magen mit dem, was Ubisoft aus diesem Taktik-Shooter gemacht hat. Anscheinend hat das Entwicklerstudio das erkannt und die Survival-Elemente soweit wie möglich reduziert.

Die Gesundheitsleiste regeneriert sich normalerweise. Wird man leicht verwundet, füllt sich ein Drittel nicht mehr, wird man schwer verwundet, füllen sich 2/3 nicht mehr. Um das zu beheben verbindet man sich mit einem Medikit, das unendlich oft genutzt werden kann.

Der zweite Survival-Aspekt: Hat man wieder einmal einen Abhang am Arsch rutschend bewältigt oder es gewagt mehr als 10 Sekunden zu sprinten, erholt sich die Ausdaueranzeige nicht mehr ganz. Hier hilft Wasser trinken oder an einem Biwak rasten. Das Wasser ist beschränkt und kann bei Wasserquellen wieder aufgefüllt werden. Essen muss man übrigens nicht. Vielleicht ist das der Grund, dass die Elite-Krieger so wenig Puste haben und regelmäßig Hügel hinunterkullern.

Das Ausdauer-Problem lässt sich im späteren Spielverlauf durch mehrere Freischaltungen im Skill-Tree lösen. Dann rutscht man zwar immer noch durch die Gegend, muss aber dem Elite-Soldaten nicht mehr beim Schnaufen zuschauen.

Bugs-Parade

Leider gibt es keinen Skill, um die vielen Bugs und Probleme zu beheben. Manchmal werden Controller-Eingaben nicht genommen. Das ist ein Problem, wenn man versucht Gegner zu bekämpfen, die auf einen zustürmen oder in Deckung gehen will, bevor man entdeckt wird. Gegner sehen und treffen gelegentlich den Spieler durch Bäume und andere Hindernisse, was das Schleichen erschwert.

Selbst wenn man mit Schalldämpfer schießt und die Leiche erst später entdeckt wird, steuern die Gegner zielsicher auf die Position zu, von der aus man geschossen hat. Im Liegen zielt man beim Wechsel aus der Third- in die First-Person-Perspektive manchmal irgendwo hin oder schießt in den Boden. Bei Zwischensequenzen in Häusern steht man in Wirklichkeit davor. Kommt zufällig ein Gegner vorbei und schießt dann die Person ab, die man gerade gerettet hat, während man die Zwischensequenz zum Abschluss der Mission sieht, heißt es auf einmal „Mission fehlgeschlagen“.

Spielt man kooperativ, sieht man die Teamkameraden ab und zu herumschweben oder auf dem Rotor des Hubschraubers sitzen, anstatt drinnen. Man bleibt oft hängen und kann manchmal Objekte nicht benutzen, weil diese zu nahe an einem anderen Gegenstand sind. Oder man muss sich schnell hinlegen, um nicht von einer Suchdrohne entdeckt zu werden, doch der Supersoldat pausiert stattdessen und nimmt automatisch eine Banane auf, die am Boden legt. Prioritäten…

Das Entdecktwerden durch die Suchdrohne ist insofern problematisch, da es das Auftauchen aus dem Nichts von besonders starken Gegnern und Kampfdrohnen auslöst. Um das plötzliche Auftauchen zu erklären, wird das Radar gestört, bis die Bedrohung beseitigt oder man gestorben ist. Immerhin weiß man dadurch, dass jetzt Feinde aus dem Nichts auftauchen werden. In vielen Gebieten tauchen aber die normalen Feinde zu spät auf, wenn man zu schnell dorthin reist. Es passiert immer wieder, dass man mit dem Hubschrauber in einer leeren Basis landet, aussteigt und 10 Sekunden später stehen auf einmal 30 Feinde um einen herum, die das Spiel zu langsam geladen hat.

Einsame Insel

Ein weiteres Problem ist, dass die Spielwelt nahezu tot wirkt. Die Insel hat zwar zahlreiche Gebiete, die von Schnee über Sumpf und Wald bis zu Strand reichen, ist aber kaum besiedelt. In Wildlands wirkte das authentischer, die Balance zwischen Bevölkerung und zivilen Gebäuden passte.

In der Pseudo-Zukunft von Breakpoint findet man hauptsächlich verlassene Hightech-Bauten und kaum Bewohner. Dafür gibt es alle 50 Meter eine feindliche Patrouille oder eine Gruppe von Gegnern, die vor ihrem abgestellten Auto steht. Sie warten einfach nur darauf, erschossen zu werden. Dasselbe gilt für diverse Standorte, wie etwa der Häfen. 5 Zivilisten gehen in einer Halle langsam im Kreis, während draußen 40 Gegner herumstehen und hoffen, dass endlich eine Kugel kommt, um sie von ihrer Tristesse zu erlösen.

Dazu kommt noch eine unübersichtliche Karte, ein Menü das langsam zum Umschalten und ebenso unübersichtlich ist und ein Haufen Pseudoinformationen, die nichts fürs Gameplay bringen. Die Grafik auf der PS4 Pro ist auch nicht besonders spannend. Vieles, besonders Charaktere, wirkt zu glatt und steril – so als hätte man einen Schieberegler für Details nach unten geschoben.

Nicht alles was stinkt ist Scheiße

Breakpoint nimmt einen Haufen Mist und wirft es auf Wildlands. Aber wenn man sich die Nase zuhält und durch diesen Dreck wühlt, findet man noch ein bisschen Wildlands. Das ist der Punkt, an dem Breakpoint doch noch Spaß macht.

Dieser Punkt ist, wenn man kooperativ mit anderen Spielern zusammen zockt. Gemeinsam Schleichen, Taktikten austüfteln, oder einfach mal probieren was passiert, wenn man mit Maschinengewehren per Fallschirm über einer riesigen Feindbasis abspringt: Das ist Ghost Recon. Diese Mischung aus Schleichen und Chaos ist die Essenz von Wildlands, die es auch noch in Breakpoint gibt.

Fazit

Ubisoft, warum hasst ihr die Wildlands-Spieler? Waren wir nicht gut zu euch? Haben wir nicht das Game verteidigt, jahrelang weitergespielt und sogar die schlechten DLCs dafür gekauft? Breakpoint ist wie eine Schlag ins Gesicht dieser Spieler.

Die Survival-Elemente sind dezent genug, dass man darüber hinwegsehen könnte. Aber der Versuch aus dem Taktik-Shooter einen Loot-Shooter zu machen, ist ordentlich schiefgegangen. Es nervt einfach nur und lenkt vom Gameplay ab.

Ubisofts Intention war wohl, die Spieler des Loot-Shooters Division 2 (ebenfalls ein Ubisoft-Game) dazu zu bringen, auch Breakpoint zu kaufen. Dass man dafür die Wildlands-Spieler opfert, oder darauf hofft, dass sie aufgrund von Mangel an Alternativen trotzdem Breakpoint kaufen, ist eine Schande.

Schande und Spaß schließt sich aber nicht aus. Das Problem ist, dass man sich den Spaß in Breakpoint selbst suchen muss, weil er zwischen so vielen Bugs und schlechten Gameplay-Elementen versteckt ist. Den Vollpreis ist Ghost Recon Breakpoint deshalb nicht wert. Einige Shops verkaufen es bereits um 50 statt 70 Euro (erschienen ist es am 4. Oktober). Und das ist noch zu teuer. Vermutlich wird es in spätestens einem Jahr kostenlos bei Sonys PS Plus oder Microsofts Games with Gold enthalten sein.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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