Meinung

Strom, der auf dem Acker wächst

Photovoltaik ist eine tolle Sache – aber sie braucht eine Menge Platz. Haben wir den überhaupt? Das ist eine vieldiskutierte Frage, wenn es um die Energiewende geht. Wir können schließlich nicht ganze Bundesländer mit Photovoltaikanlagen zupflastern!

Zum Glück ist das auch nicht notwendig. Spricht man mit Leuten aus der Photovoltaikbranche, bekommt man immer wieder zu hören: Die Fläche ist nicht das Problem. Was den Zubau von Photovoltaik heute und in absehbarer Zukunft bremst, ist eher die begrenzte Verfügbarkeit von Solarpaneelen und die begrenzte Verfügbarkeit von gut ausgebildeten Leuten, die sie installieren können.

Platz haben wir genug – etwa auf unseren Dächern. Oder auch auf Flächen, die heute ziemlich nutzlos das Sonnenlicht einfach absorbieren. Gewaltige Flächen haben wir mit Parkplätzen versiegelt, sie alle könnte man mit Photovoltaik überdachen. Auch Fabrikanlagen, brachliegende Industriegelände, Mülldeponien und viele andere längst vom Menschen in Anspruch genommene Flächen würden sich anbieten.

Keine Konkurrenz zwischen Energie und Nahrung

Vermeiden sollte man, der Natur zusätzliche Fläche wegzunehmen. Und auch landwirtschaftlich bewirtschaftete Flächen durch Photovoltaik-Kraftwerke zu ersetzen ist keine gute Idee – wir wollen schließlich unsere Nahrung möglichst lokal erzeugen und nicht von Importen abhängig sein.

Es gibt allerdings vielversprechende Experimente, beides zu kombinieren: Die sogenannte „Agri-Photovoltaik“ könnte ein Trend werden, der viele Vorteile miteinander vereint. Dabei werden auf großen Gerüsten direkt über dem Feld Photovoltaik-Paneele installiert – mit vielen kleinen Schlitzen dazwischen. Einen Teil des Sonnenlichts wandeln sie in Strom um, den anderen lassen sie zu den Pflanzen durch. Das Gerüst ist so dimensioniert, dass man darunter auch mit großen landwirtschaftlichen Maschinen immer noch arbeiten kann.

Auf diese Weise kann man also mit derselben Fläche doppelt Geld verdienen: Einmal durch die Pflanzen und einmal durch den Strom. Allerdings muss man das sorgfältig planen: Manche Pflanzen bringen weniger Ertrag, wenn man ihnen auf diese Weise einen Teil des Lichts nimmt – dann entscheidet letztlich der Strompreis, ob sich die Sache finanziell trotzdem lohnt oder nicht. Es gibt aber auch Pflanzen, die bei teilweiser Beschattung sogar besser wachsen als sonst.

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Das hängt nicht zuletzt vom Wetter ab: Experimente zeigen, dass gerade in heißen, trockenen Jahren der Ertrag auf diese Weise gesteigert werden kann. Die Teilbeschattung durch Photovoltaik schützt die Pflanzen vor Hitzeschäden, die Verdunstung geht zurück, der Boden trocknet weniger schnell aus, man muss weniger bewässern. Gleichzeitig hält auch die Verdunstungskälte der Pflanzen die PV-Anlage kühler und erhöht somit ihre Effizienz.

Die Lichtmenge, die durchgelassen wird, lässt sich regulieren – man muss nur den Winkel der Photovoltaik-Anlagen anpassen. Insgesamt hat man es hier mit einer ziemlich komplexen Optimierungsaufgabe zu tun: Abhängig vom Wetterbericht, vom bisherigen Wachstumsprozess der Pflanzen, von der Bodenfeuchte und vom aktuellen Strompreis kann es manchmal sinnvoller sein, mehr Licht in Strom umzuwandeln, und manchmal sinnvoller sein, mehr Licht zu den Pflanzen durchzulassen. Das heißt aber nicht, dass landwirtschaftliche Betriebe künftig morgens komplizierte Gleichungen lösen müssen, um die optimale Steuerung der Photovoltaik-Anlage zu berechnen – so etwas lässt sich automatisieren, das ist eine Aufgabe wie geschaffen für künstliche Intelligenz.

Verwaltungs-Hürden abbauen

Agri-Photovoltaik hat gute Chancen, ein großer, internationaler Trend zu werden: Wie das Blätterdach eines Waldes könnten Photovoltaik-Anlagen Teilschatten spenden und darunter ganz konventionelle Landwirtschaft ermöglichen.

Ob das gelingt, hängt aber nicht zuletzt von politischen Rahmenbedingungen ab: Darf man auf für Landwirtschaft gewidmeten Flächen überhaupt solche Konstruktionen errichten? Wie viel Bürokratie ist dafür nötig? Bekommt man dafür Förderungen? Oder bekommt man vielleicht andere Förderungen, die heute für Landwirtschaft ausbezahlt werden, nicht mehr, weil die Fläche nun doppelt genutzt wird?

Manche Ideen sind so gut, dass sie sich ganz von selber durchsetzen, auch wenn sie nicht staatlich gefördert werden. Aber zumindest sollte man sich bemühen, sie nicht staatlich einzubremsen.

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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