Symbolbild: Blauer Laser
© Damien Jemison/LLNL

Meinung

Das große Missverständnis der Quanten-Esoterik

Der Quantenphysik verdanken wir großartige Erfindungen, vom Laser bis zum Mikrochip

Die Quantenphysik ist eine naturwissenschaftliche Theorie wie jede andere auch: Man rechnet und am Schluss kommt eine Zahl heraus. Das funktioniert ganz wunderbar: Der Quantenphysik verdanken wir großartige Erfindungen, vom Laser über den Mikrochip bis zum Magnetresonanz-Tomographen im Krankenhaus.

Trotzdem gilt die Quantentheorie bis heute immer noch bei vielen Leuten als etwas Unerklärliches, beinahe Magisches. Und deshalb ist aus verrückten Behauptungen rund um die Quantenphysik ein millionenschwerer Geschäftszweig geworden: Man kann Quanten-Heilkristalle kaufen, man kann zum Quanten-Astrologen gehen, oder man kann sich von Bestsellerautoren erklären lassen, wie man Wünsche ans Universum abschickt, sodass die dann garantiert in Erfüllung gehen – und zwar (erraten!) mit Hilfe der Quantenphysik.

Nichts davon ist wahr. Es handelt sich bloß um Geschäftemacherei, die mit echter Quantenphysik nicht das Geringste zu tun hat. Man kann aber erklären, woher diese seltsame Mystifizierung der Quantenphysik kommt: Sie hat ihren Ursprung in einem alten Missverständnis.

Die Messung beeinflusst den Zustand

Ein wesentlicher Grundsatz der Quantenphysik ist nämlich: Wenn man ein Quantenteilchen misst, dann greift man ganz zwangsläufig in seinen Zustand ein. Das ist in anderen Bereichen der Physik nicht so: Der Zustand des Mondes wird nicht verändert, wenn wir ihn fotografieren. Und ein Auto wird nicht schneller oder langsamer, bloß weil wir seine Geschwindigkeit messen.

Die Quantenphysik erlaubt aber Situationen, die sich von unserer Alltagserfahrung unterscheiden: Ein Quantenteilchen kann unterschiedliche Zustände gleichzeitig annehmen. Ein Elektron kann gleichzeitig nach links und nach rechts fliegen, ein Atom kann sich gleichzeitig im Uhrzeigersinn und gegen den Uhrzeigersinn drehen, ein Molekül kann gleichzeitig zerbrochen sein und ganz bleiben. Vorstellen können wir und das nicht, denn in unserem Alltag, in dem wir mit viel größeren Dingen zu tun haben, kommen solche Überlagerungs-Zustände nicht vor. Mit den Formeln der Quantentheorie kann man sie aber wunderbar ausrechnen.

Das Verwirrende daran ist: Sobald man ein solches Teilchen misst, gehen diese Überlagerungs-Zustände zwangsläufig kaputt. Das Atom dreht sich dann nicht mehr gleichzeitig im Uhrzeigersinn und gegen den Uhrzeigersinn – die Messung zwingt das Quantenobjekt, sich für eine der beiden Varianten zu entscheiden.

Genau das führt zu Missverständnissen: „Wenn ich mich bewusst dafür entscheide, das Teilchen zu messen, verändere ich also seinen Zustand“ heißt es dann. „Also beeinflusst mein Bewusstsein die Materie. Also kann ich durch bloßes Nachdenken die physische Welt verändern!“ Und schon ist man in der Quanten-Esoterik angekommen, in der angeblich Wunderheilungen, Telepathie und andere exotische Tricks möglich werden. Doch hier ist ein verhängnisvoller Fehlschluss passiert.

Das Bewusstsein ist egal

In Wahrheit spielt das Bewusstsein hier nämlich überhaupt keine Rolle. Ob die Messung bewusst von einem Menschen durchgeführt wird, von einem sibirischen Streifenhörnchen oder einer seelenlosen Maschine, ist völlig egal. Quantenzustände werden bei der Messung einfach deshalb verändert, weil sie in Kontakt mit etwas Großem kommen – mit einem Messgerät nämlich.

Das Messgerät ist ein Objekt aus der Welt der großen Dinge, und dort gelten andere Gesetze als in der Quantenwelt. Große Dinge wie Messgeräte, Autos oder der Mond haben nun mal einen eindeutigen Zustand – Überlagerungen mehrerer Möglichkeiten sind hier nicht erlaubt.

Wir haben es also mit 2 verschiedenen Welten zu tun: Mit der Welt der großen Dinge, in der jedes Objekt einen eindeutig messbaren Zustand hat, und in der Quantenwelt, die auch beliebige Kombinationen dieser Zustände erlaubt – und die Messung bringt diese beiden Welten miteinander in Kontakt. Das ist das ganze Mysterium an der Sache.

Spannend ist die Frage, wie diese beiden Welten zueinanderpassen, und was im Zwischenbereich passiert, in der die Gesetze beider Welten eine Rolle spielen. Einen Grund, die Quantentheorie mit dem Bewusstsein, der Seele oder mystischen „Wünschen ans Universum“ in Verbindung zu bringen, gibt es aber nicht. Das Geld für Quanten-Feng-Shui, Quanten-Wunderheilungen oder Quanten-Astrologie ist anderswo zweifellos besser aufgehoben.

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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