
3D-Illustration des HI-Virus. Medizinisches Konzept.
Massensterben durch Fake News
Wenn ein Arzt einen Fehler macht, stirbt vielleicht ein Patient. Wenn eine Pilotin einen Fehler macht, sterben vielleicht zweihundert Passagiere. Aber wenn man in der Gesundheitspolitik einen Fehler macht, sterben möglicherweise Hunderttausende.
So geschah das in Südafrika in den 2000er-Jahren, als sich die Regierung unter Präsident Thabo Mbeki auf Basis von Fake News und wissenschaftlichen Falschaussagen für eine haarsträubend irrationale AIDS-Politik entschied – ein erschreckendes Beispiel dafür, wie tödlich es sein kann, bei Gesundheitsfragen die Wissenschaft zu ignorieren. Leider wird genau dieser Fehler auch heute immer wieder gemacht.
Die Wissenschaft hätte es gewusst
Thabo Mbeki folgte 1999 Nelson Mandela als Präsident Südafrikas nach. Damals war AIDS in Südafrika bereits ein gewaltiges Problem: Rund ein Fünftel der Bevölkerung sollen nach wissenschaftlichen Schätzungen damals HIV-positiv gewesen sein. Medizinisch gesehen war die Krankheit damals bereits gut verstanden: Man kannte das HI-Virus, man wusste, dass es die Krankheit AIDS auslöst, und man verstand, auf welche Weise es übertragen wird.
Doch Mbeki sah die Sache anders: Er umgab sich mit höchst fragwürdigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit extrem exotischen Außenseitermeinungen, die von anderen längst widerlegt worden waren. Zu Mbekis Beratern gehörte etwa der deutsche Biologe Peter Duesberg, der behauptete, die Krankheit AIDS habe mit dem HI-Virus gar nichts zu tun. Sie käme stattdessen durch Mangelernährung oder Drogenkonsum zustande. Mbekis Gesundheitsministerin Manto Tshabalala-Msimang erklärte, man könnte AIDS mit Knoblauch, Zitronensaft oder Roten Rüben bekämpfen – ohne jede wissenschaftliche Grundlage.
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Gratis-Medikamente abgelehnt
Besonders katastrophal war das für Kinder HIV-positiver Mütter. Es gab damals nämlich bereits Medikamente, um eine Übertragung der Viren von der Mutter auf das Kind zu verhindern – etwa Nevirapin, das in den USA und Europa damals bereits zugelassen war. Der Hersteller Boehringer Ingelheim wollte es in Südafrika kostenlos zur Verfügung stellen – doch die Mbeki-Regierung war dagegen. Medikamente, die zahlreichen Leuten das Leben gerettet hätten, wurden als „Gift“ verunglimpft.
Es mag verständlich sein, dass viele Leute in Südafrika nach vielen Jahren rassistischer Apartheid-Politik wenig Vertrauen in westliche Politik oder Pharmafirmen hatten. Doch gerade deswegen hätte Mbeki die Aufgabe gehabt, Fakten rational zu prüfen und seine Bevölkerung aufzuklären. Dass seine Regierung aber genau das Gegenteil tat, wissenschaftsbasierte Behandlungen schlechtredete und zu wirkungslosen Hausmittelchen riet, ist eine der größten Katastrophen aus dem Bereich der öffentlichen Gesundheit, die es jemals gab.
Mehr Todesopfer als mancher Krieg
Natürlich hätte auch eine andere Regierung damals das südafrikanische AIDS-Problem nicht rasch lösen können. Aber man schätzt heute, dass durch verfehlte Politik mehr als 330.000 Menschen gestorben sind, die durch klügere Maßnahmen überlebt hätten – das sind mehr Menschen als in den Jugoslawienkriegen oder im Irak-Krieg starben.
An diese furchtbare Episode sollten wir uns erinnern, wenn heute Impfgegner-Lobbys ihr Unwesen treiben, die wohlerprobte Impfmaßnahmen schlechtreden. Wenn sich in Texas die Masern ausbreiten, die eigentlich schon längst ausgerottet sein könnten. Wenn Forschungsmittel gestrichen werden, mit denen die Vogelgrippe H5N1 genauer erforscht werden sollte.
Wissenschaftsfeindlichkeit kann tödlich sein. Und wenn es um Fragen der öffentlichen Gesundheit geht, ist sie oft hunderttausendfach oder millionenfach tödlich. In kaum einem anderen Bereich können Fehlentscheidungen so viel Unheil anrichten wie hier. Gesundheitspolitik ist kein Ort für ideologische Kämpfe. Gerade hier muss man sich dafür einsetzen, dass Politik besten wissenschaftlichen Erkenntnissen folgt.
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