
Die Trump-Regierung setzt die Forschung massiv unter Druck
Die US-Wissenschaft im Anti-Wokeness-Krieg
Die USA sind das Wissenschaftsland Nummer eins. Sie liegen bei den Nobelpreisen an der Weltspitze – mit über doppelt so vielen Auszeichnungen wie das zweitplatzierte Großbritannien. Die amerikanischen Gebrüder Wright bauten das erste Flugzeug, die amerikanische NASA brachte die ersten Menschen zu Mond, das amerikanische Silicon Valley prägte unsere Computerwelt.
Doch nun haben die USA erstmals in der Geschichte eine Regierung, die aktiv und gezielt die Wissenschaft torpediert. Man teilt nun die Wissenschaft in politisch erwünschte und politisch unerwünschte Forschung ein – und setzt damit Forschungsthemen auf die Abschussliste, die wichtig, nützlich und zukunftsweisend wären. Welche Folgen das haben wird, ist noch unklar – es könnte als Katastrophe enden.
Diversity-Maßnahmen in der Wissenschaft
Hintergrund ist ein tief sitzender Hass gegen sogenannte „Wokeness“: Wer sich für Gleichberechtigung, Minderheitenschutz, sexuelle Toleranz oder Umweltschutz einsetzt, gilt als verdächtig. Unter dem Titel „Diversity, Equity and Inclusion“ (DEI, Diversität, Fairness und Inklusion) hat man an vielen Universitäten, aber auch in privaten Firmen versucht, die faire Behandlung unterschiedlicher Personengruppen zu gewährleisten. Man achtete darauf, nicht nur weiße Männer einzustellen, man machte auf strukturelle Benachteiligung von Frauen und Minderheiten aufmerksam, die vielen Leuten oft gar nicht bewusst ist.
Waren diese DEI-Maßnahmen immer perfekt? Sicher nicht. Nichts ist jemals perfekt. Man kann zweifellos über einzelne Maßnahmen diskutieren, manche Regelungen wurden als überbordende Bürokratie empfunden, manche Sprachregelungen als umständlich und unnötig. Muss man diese Programme evaluieren und verbessern? Ja, natürlich.
Tatsache ist aber auch: Die Wissenschaft ist immer noch ziemlich männlich und ziemlich weiß. Nicht weil sexistische, rassistische Universitätsangestellte bewusst und bösartig diskriminieren, sondern weil gewisse Ungleichheiten einfach tief in unsere Kultur eingebaut sind. Weil man jungen Frauen intuitiv oft immer noch weniger zutraut als jungen Männern. Weil man Männer darin bestärkt, Risiken einzugehen, Frauen, die eine akademische Karriere anstreben, aber immer noch besorgt die Frage stellt, ob sie sich das denn wirklich zutrauen. Weil Hautfarbe oder Herkunft zwar nirgendwo ein explizites Jobhindernis sind, es aber einfach immer eine Portion Extra-Anstrengung braucht, die erste Person einer bestimmten Gruppe zu sein, die einen bestimmten Weg einschlägt. Im Strom ähnlicher Menschen mit ähnlichen Erfahrungen und ähnlicher Herkunft mitzuschwimmen, ist nun mal einfacher.
Wenn man also in der Spitzenforschung die klügsten und fähigsten Leute der Welt haben möchte, dann muss man auch überlegen, wie man für mehr Diversität sorgt. Wenn man bestimmten Bevölkerungsgruppen auf vielleicht unbewusste, subtile Art signalisiert „Menschen deiner Gruppe sind bei uns nicht normal“, dann wird man die klügsten Leute dieser Gruppen nicht im nötigen Ausmaß rekrutieren können. Wenn man über dieses Problem nicht nachdenkt, blendet man einen Teil der verfügbaren menschlichen Intelligenz einfach aus – DEI-Programme sind also letztlich ein Mittel der langfristigen Qualitätssicherung.
Verbotene Wörter
Donald Trump und seine Leute versuchen aber nicht einfach, DEI-Programme an Universitäten zu ändern. Sie betrachten ganze Forschungsbereiche als „woke“ und wollen sie abschaffen. Die US-Gesundheitsbehörde CDC bekam eine Liste von „verbotenen Wörtern“, die von ihren Webseiten und Publikationen gestrichen werden mussten – Wörter wie „transgender“, „LGBT“ oder „nichtbinär“. Das bedeutet: Über gesundheitliche Probleme von Transgender-Personen oder psychische Belastungen von nichtbinären Menschen kann die CDC nun einfach nicht mehr informieren. Zahlreiche Webseiten, die über HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten informierten, wurden offline genommen.
Dann wurde auch in der National Science Foundation (NSF) eine Liste „unerwünschter“ Wörter bekannt. Die NSF spielt für die Forschung in den USA eine entscheidende Rolle. Wer Geld für Forschung braucht, schreibt Anträge an die NSF – dann wird entschieden (anhand von Gutachten anderer WissenschaftlerInnen), welche Projekte gefördert werden sollen und welche nicht.
Nun müssen all diese Projektanträge auf bestimmte Wörter hin durchsucht werden – wenn sie vorkommen, wird das Projekt als DEI-Forschung gebrandmarkt. Darunter finden sich Begriffe wie „Rassismus“, „Opfer“, „Frau“, „unterrepräsentiert“ oder „Minderheit“. In vielen Forschungsbereichen ist es völlig unmöglich, einen Projektantrag zu schreiben, der keine Wörter dieser Liste enthält. Wenn man Sozialforschung über benachteiligte Minderheiten macht, kann man an dieser Wortliste nicht vorbei navigieren. Hier werden also ganze Wissenschaftszweige attackiert.
„Neo-marxistischer Klassenkampf“
Der republikanische Senator Ted Cruz wiederum veröffentlichte eine Datenbank mit tausenden Forschungsprojekten, die aus seiner Sicht „fragwürdige Diversitätsprogramme“ oder „neo-marxistische Klassenkampf-Propaganda“ fördern. Interessant ist, was auf dieser Liste angeblich links-woker Forschung alles zu finden ist: Projekte, mit denen Kindern die Sonnenfinsternis erklärt werden soll. Eine sprachwissenschaftliche Studie über hebräische Grammatik – angeblich, weil sie auf „gender“ fokussiert. In Wahrheit taucht dieses Wort dort nur auf, weil Hauptwörter im Hebräischen (wie auch im Deutschen) ein Geschlecht haben.
Auch Projekte über Medizin oder selbstfahrende Autos landeten auf der „woken Liste“ von Ted Cruz, möglicherweise, weil die Projektanträge Passagen über die besondere Einbindung von Frauen im Forschungsprojekt enthielten. Befasst sich ein Forschungsprojekt mit sozialer Gerechtigkeit? Woke! Mit Rassismus? Woke! Mit Umweltschutz? Woke!
Einigkeit ist gefragt
Für viele 1.000 Forscherinnen und Forscher in den USA heißt das nun: entweder einen neuen Job suchen – oder vorerst abwarten und bangen, ob und wie es weitergehen wird. Glasklar hat die Trump-Regierung jedenfalls gezeigt: Es geht nicht darum, Bürokratie abzubauen, übertriebene Bevorzugungen von Frauen oder Minderheiten zu hinterfragen, oder politisch korrekte Sprachregelungen zu streichen. Es geht um das Auseinanderdividieren von Wissenschaft in politisch erwünschte und politisch unerwünschte Bereiche. Das ist ein noch nie dagewesener Kulturbruch.
Niemand aus der Wissenschaft sollte das hinnehmen – auch nicht Menschen aus Forschungsbereichen, die zumindest derzeit nicht auf der Abschussliste stehen. Es wäre gefährlich, diese politische Säuberung der Wissenschaft nun schönzureden, vielleicht mit Argumenten wie „nun gut, vielleicht hat man es an US-Universitäten mit dem Minderheitenschutz tatsächlich etwas übertrieben, das ist nun halt die Korrektur.“ Nein, das ist keine Korrektur übertrieben „woker“ Maßnahmen – das ist ein Angriff auf die wissenschaftliche Kultur der Wissenschaftsnation Nummer eins. Und wir wissen auch: Vieles, was in den USA beginnt, hat auch im Rest der Welt große Auswirkungen. Diese Entwicklung geht uns alle an.
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