Impfungen sind nicht perfekt, aber immer noch besser als die Krankheit, vor der sie schützen.

Impfungen sind nicht perfekt, aber immer noch besser als die Krankheit, vor der sie schützen.

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Meinung

Impfungen und Fledermausmenschen

Der Impf-feindliche US-Gesundheitsminister Robert Kennedy lässt nun durch deklarierte Impfgegner den Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus untersuchen. Schon jetzt ist klar: Der wissenschaftliche Wert einer solchen Studie wird ziemlich exakt bei null liegen.

Auf dem Mond leben menschenartige Wesen mit Flügeln. So stand es in der Zeitung, in New York im Jahr 1835. Mit einem revolutionären Riesenteleskop, so wurde behauptet, habe man dort eine blühende Zivilisation entdeckt. Das war natürlich frei erfunden, sorgte damals aber für Begeisterung. Im Lauf der Zeit sprach sich herum, dass es sich um eine Lüge handelte – heute glaubt niemand mehr an eine lunare Zivilisation geflügelter Fledermausmenschen. Es ist ein Beispiel für eine Fake-News-Story, die rückstandsfrei wieder verschwunden ist.

Das Märchen vom Impf-Autismus

Doch andere Behauptungen, die genauso wenig faktische Basis haben, werden oft über Jahrzehnte weitergeglaubt, obwohl sie längst widerlegt sind. Eine davon ist das Schauermärchen von den Impfungen, die angeblich Autismus verursachen sollen. Man findet es immer noch in Internetforen, in schlechten Büchern und nun sogar in Amerikas Spitzenpolitik: Der Impf-feindliche Gesundheitsminister Robert Kennedy lässt nun durch deklarierte Impfgegner den Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus untersuchen. Schon jetzt ist klar: Der wissenschaftliche Wert einer solchen Studie wird ziemlich exakt bei null liegen.

Woher das Märchen kommt, wissen wir: 1998 veröffentlichte der britische Impfgegner Andrew Wakefield im Fachjournal „Lancet“ einen Artikel, der behauptete, es gebe einen Zusammenhang zwischen der Masern-Mumps-Röteln-Impfung und Autismus. Die mediale Aufregung war groß, die Ängste, die Eltern kleiner Kinder dadurch eingeredet wurden, ebenso. Doch eigentlich war die Studie völlig wertlos: Gerade mal 12 Kinder mit Autismus waren untersucht worden, viel zu wenige, um eine sinnvolle Aussage zu treffen.

Bei näherer Betrachtung zeigte sich: Das Team hatte wichtige wissenschaftliche Regeln nicht eingehalten. Außerdem stellte sich heraus, dass Wakefield selbst ein Patent für ein Konkurrenzprodukt besaß – er hatte also finanzielles Interesse daran, die Masern-Mumps-Röteln-Impfung schlechtzureden. Der Artikel musste zurückgezogen werden, Wakefield verlor die Lizenz, als Arzt zu arbeiten.

Trotzdem ging man nun der Frage nach, ob an den Behauptungen nicht doch irgendetwas dran sein könnte. Große epidemiologische Studien wurden durchgeführt – mit Daten von vielen tausend Kindern. Dabei zeigte sich kein Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus.

Damit hätte das Schauermärchen vom Impf-Autismus eigentlich ein für alle Mal zu Ende sein sollen – wie die Geschichte von den Fledermausmenschen am Mond nach der ersten Mondlandung, bei der man keine blühende Fledermauszivilisation vorfand, sondern nur Staub und Mondgestein. Aber wie so oft, wenn es um irrationale Ängste geht, lässt sich ein Mythos von wissenschaftlichen Fakten nicht auslöschen.

„Mehr Forschung!“ ist manchmal eine sinnlose Forderung

Tatsache ist: Es gibt keinen einzigen Grund, an von Impfungen verursachten Autismus zu glauben. Nicht aus theoretischen Überlegungen, nicht aus neurochemischen Argumenten, nicht aus Beobachtungsdaten. Natürlich kann man sich immer auf den Standpunkt stellen: „Wir brauchen noch größere Studien mit noch mehr Daten! Vielleicht finden wir dann doch noch einen solchen Zusammenhang!“ Das klingt wissenschaftlich – ist es aber nicht. Es käme auch niemand auf die Idee, noch größere Mondexpeditionen zu fordern, um herauszufinden, ob es die Fledermausmenschen nicht doch irgendwo gibt. Wenn es von vornherein keinen Grund gibt, etwas zu glauben, wenn etwas dem widerspricht, was wir bereits wissen, dann ist es irrational, danach zu suchen.

Eines steht jedenfalls bereits fest: Kinder ungeimpft zu lassen ist gefährlicher, als Kinder impfen zu lassen. Ja, Impfschäden gibt es. Und es ist prinzipiell immer denkbar, dass eines Tages noch neue, exotische Nebenwirkungen entdeckt werden, von denen wir heute nichts wissen. Aber von ihnen geht auf jeden Fall eine viel geringere Gefahr aus als von den Krankheiten, vor denen die Impfung schützt. Sonst hätten wir sie nämlich schon längst entdeckt. 

Impfungen sind nicht perfekt, denn nichts auf der Welt ist je perfekt. Aber sie sind eine fantastische Erfolgsgeschichte. Wir sollten froh sein, dass wir sie haben.

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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