Das Erdgas und sein schmutziges Geheimnis
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Kohlen sind schwarz und dreckig, Erdgas hingegen ist farb- und geruchlos. Irgendwie fühlt es sich daher logisch an, dass Erdgas gerne als saubere Alternative zu Kohle, Benzin oder Diesel präsentiert wird: Erdgasautos sollen gut fürs Klima sein, Erdgaskraftwerke sollen Kohlekraftwerke ersetzen.
Man darf hier allerdings nicht den verbreiteten Fehler begehen, Luftverschmutzung mit Klimaschädlichkeit zu verwechseln – das sind zwei ganz unterschiedliche Probleme. Auch wenn Erdgas mit perfekt sauberer Flamme völlig rückstandsfrei verbrennt, entsteht klimaschädliches CO2. Die Frage ist also: Wie schneidet CO2 ab, wenn es um die Klimabilanz geht?
Auf den ersten Blick könnte man meinen: Gar nicht so schlecht. Pro Energiemenge wird beim Verbrennen von Erdgas nämlich deutlich weniger CO2 emittiert als beim Verbrennen von Kohle, Benzin oder Diesel.
Viele Wasserstoffatome pro Kohlenstoff
Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan - ein Kohlenstoffatom, verbunden mit vier Wasserstoffatomen. Beim Verbrennen geht das Kohlenstoffatom eine Bindung mit Sauerstoff ein und wird zu CO2, die energiereichen Bindungen mit den Wasserstoffatomen werden gelöst. Für jedes entstehende CO2-Molekül wir die Energie von vier Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen freigesetzt. Das ist kein schlechter Deal: Bei anderen fossilen Brennstoffen ist der Kohlenstoff-Anteil höher, daher entsteht durch sie beim Verbrennen pro nutzbarer Energiemenge auch mehr CO2. Pro Energiemenge ist der CO2-Ausstoß bei der Erdgasverbrennung nur ungefähr halb so groß wie bei der Verbrennung von Kohle.
Das ändert allerdings nichts am Grundproblem: Wir müssen unsere CO2-Emissionen nicht auf die Hälfte reduzieren, sondern auf null, und das möglichst schnell. Das gelingt uns mit Erdgas nicht. Aber wenn Erdgas doch besser ist als Kohle – kann man es dann nicht zumindest als Schritt in die richtige Richtung durchgehen lassen? Leider ist auch das nicht garantiert.
Wir haben nämlich nicht nur ein CO2-Problem, sondern auch ein weltweites Methanproblem: Ungefähr seit dem Jahr 2007 nimmt die Methan-Konzentration in der Atmosphäre deutlich zu – und es ist schwer zu sagen warum. Liegt es an der wachsenden Tierzucht? Wiederkäuer, etwa Kühe, atmen Methan aus. Oder liegt es an Permafrostböden, die auftauen und dabei eingeschlossenes Methan freisetzen?
Der stille Methanverlust
Eine Studie aus dem vergangenen Jahr zeigt eine andere Möglichkeit auf: Mit Satelliten der Europäischen Weltraumbehörde ESA kann man feststellen, wie viel Methan an welchen Stellen freigesetzt wird. Man nahm das Perm-Becken in den USA unter die Lupe, eine der wichtigsten Fördergebiete für Öl und Gas auf der ganzen Welt. Dabei zeigte sich: Ungefähr 3,7 Prozent des geförderten Methangases verschwindet einfach in die Atmosphäre.
Das ist das schmutzige Geheimnis des Erdgases: Beim Fördern und beim Transport geht still und heimlich immer ein bisschen Gas verloren – und das kann verheerende Folgen haben. Methan ist nämlich noch viel klimaschädlicher als CO2. Erdgas, das durch ein Leck in die Atmosphäre entweicht, ist also viel schlimmer als Erdgas, das verbrannt wird. In den ersten 20 Jahren hat Methan in der Atmosphäre eine rund 80 mal stärkere Treibhauswirkung als CO2. Das bedeutet: Auch wenn nur ein kleiner Anteil des Erdgases entweicht, ist Erdgas insgesamt mindestens so klimaschädlich wie Kohle.
Wir dürfen also nicht den Fehler machen, nur auf die CO2-Bilanz zu schauen: Auch die Methan-Bilanz ist entscheidend. Wenn wir nicht vorsichtig sind, erkaufen wir uns eine CO2-Reduktion mit einer Steigerung der Methan-Emissionen, die für das Klima noch verheerendere Folgen hätte.
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