iPhone 12 im Test: Schönheit ist nicht alles
Corona-bedingt mit etwas Verspätung hat Apple das lange erwartete iPhone 12 vorgestellt. Überraschte das iPhone 11 im Vorjahr vor allem durch das attraktive Preis-Leistungsverhältnis, steht bei den diesjährigen iPhone-Modellen das Design im Vordergrund. Die seit dem iPhone 6 und somit seit 6 Jahren dominierenden weichen Geräteformen sind Geschichte. Das iPhone 12 präsentiert sich geschliffen kantig.
Endlich wieder Apple-Präzision
Warum Apple erst jetzt wieder an die beliebte Gehäuseform des iPhone 4 anknüpft, die bis heute bei vielen Apple-Fans als Inbegriff für perfektes Apple-Design gilt, ist mir ein Rätsel. Denn abgesehen davon, dass der Konzern damit seine Vormachtstellung hinsichtlich präziser und hochwertiger Verarbeitung voll ausspielen kann, hält sich das iPhone 12 weitaus besser in der Hand als die rutschigen Vorgänger.
In der von uns getesteten schwarzen Aluminium-Variante wirkt das iPhone 12 weniger wie ein Gerät, das aus verschiedenen Komponenten zusammengesetzt ist, sondern wie aus einem Guss. Im Vergleich zum iPhone 11 ist das Gerät nicht nur eine Spur kleiner, sondern auch schmaler geworden. Mit 162 Gramm ist es um 15 Prozent leichter, was man definitiv merkt. Als Manko entpuppt sich die Glasrückseite, die leider besonders anfällig für Fingerabdrücke ist und damit das perfekte Aussehen schnell ruiniert.
Alles in allem ist das iPhone 12 von Material und Verarbeitung her das hochwertigste Smartphone, das Apple seit langem hervorgebracht hat. Ob das mit Keramik verstärkte Display tatsächlich 4 Mal sturzfester ist, muss sich erst zeigen. Ich wollte das Leihgerät im Test nicht zerstören. Wer es gerne bunt mag, sollte einen Blick auf das neue tiefblaue iPhone 12 und die anderen verfügbaren Farben werfen. Damit beweist Apple, dass ein buntes Gehäuse nicht weniger edel sein muss.
Später Umstieg auf OLED
Das Display ist eine willkommene Verbesserung zum iPhone 11. Endlich setzt Apple nicht nur beim Pro-Modell, sondern auch beim regulären iPhone auf OLED. Die Diagonale ist trotz kleinerem Gehäuse mit 6,1 Zoll gleich geblieben. Die Pixeldichte ist von 326 ppi auf 460 gestiegen. Um den Unterschied zum ebenfalls guten LC-Bildschirm das iPhone 11 zu sehen, muss man zwar beide Geräte nebeneinander liegen haben. Besonders im Dark-Mode spielt das Display seine Stärken aber merklich aus. Auch die übrige Farbdarstellung ist fantastisch.
Dass Apple sich in letzter Sekunde gegen den erhofften 120-Hertz-Modus entschieden hat, der noch flüssigeren Bildaufbau, etwa beim Scrollen von Webseiten verspricht, ist schade. In Kombination mit 5G, das in bestimmten Situationen und aufgrund der Neuheit der Technologie Akku-hungrig sein kann, wollte Apple hier wohl nichts riskieren. Der fehlende Modus fällt in der Praxis weniger ins Gewicht als der verhasste schwarze Notch, der weiterhin unerbittlich in das Display hineinragt. Das hat die Konkurrenz längst besser gelöst.
Wenige Kamera-Neuerungen
Wie beim iPhone 11 ist als Hauptkamera ein Weitwinkelobjektiv verbaut, wenngleich die Blende mit ƒ/1.6 im Vergleich zum Vorjahr (ƒ/1.8) geringfügig mehr Licht durchlässt. Die ebenfalls integrierte Ultraweitwinkelkamera ist auf dem Papier gleich geblieben. Im direkten Vergleich mit dem iPhone 11 fällt die Verzerrung zum Bildrand hin allerdings ein wenig geringer aus, was Ultraweitwinkelaufnahmen etwas natürlicher erscheinen lässt.
Ansonsten hat sich im Vergleich zum Vorjahr wenig getan. Die ohnehin gute Qualität der Hauptkamera und die von der Auflösung her weniger perfekte Zweitkamera haben sich nicht merklich verbessert. Am Tag funktionieren die Bildstabilisatoren, sowohl was das Fotografieren, als auch das Filmen betrifft, ausgezeichnet. Diesbezüglich gab es aber auch schon beim iPhone 11 wenig auszusetzen.
Neu ist allerdings, dass der im Vorjahr erstmals eingeführte Nachtmodus, der auch bei schlechten Lichtverhältnissen schöne Bilder verspricht, nun auch beim Ultraweitwinkel-Modus funktioniert. Da diese zweite Kamera aber ohnehin die schwächere ist und anfälliger für verwackelte Bilder ist, hat man davon in der Nacht nur bedingt einen Mehrwert - es sei denn, man verwendet ein Stativ.
Natürlichere Fotos
Softwareseitig verspricht Apple mit Smart HDR 3 eine noch bessere Ausbalancierung von Farben und Kontrasten. Wenngleich die Unterschiede zum iPhone 11 im Test nur minimal ausfielen, geht Apple bei den iPhones 12 wieder einen Schritt zurück in Richtung natürlichere, dezentere Farbgebung. Die vor allem beim iPhone X und Xs auffallende Saturiertheit, die man sonst eher von Samsung und anderen asiatischen Herstellern kannte, ist Geschichte.
In der Praxis bedeutet dies, dass man bei den meisten Bildern mit der nachträglichen Bearbeitung direkt am Handy noch einiges an Leuchtkraft und Dynamik herausholen kann. Auf den ersten Blick können Fotos des iPhone 11 und davor folglich lebendiger und leuchtender wirken. Wer sich gerne mit seinen Fotos spielt und diese nachträglich perfektionieren will, bekommt mit der natürlicheren Grundeinstellung nun aber mehr Gestaltungsmöglichkeiten.
5G: Aktuell vernachlässigbar
Dass die neuen iPhones 5G-fähig sind, ist eine schöne Sache. Als ausschlaggebender Kaufgrund ist diese Funktion aufgrund des nur fleckenhaft verfügbaren Netzes eher vernachlässigbar. Wer sich im Jahr 2020 ein teures Premium-Smartphone anschafft und das Ganze auch als Zukunftsinvestition betrachtet, macht definitiv nichts falsch.
Im recht kurzen Testzeitraum loggte sich das iPhone 12 tatsächlich hin und wieder in das Netz von A1 ein. Bei entsprechenden Hotspots konnte ich Download-Raten von bis zu 183 Mbps und Upload-Raten von über 50 Mbps erzielen. In den meisten Gegenden, in denen 5G vorhanden ist, zeigte aber auch LTE hervorragende Datenraten. Inwiefern die aktive 5G-Nutzung sich negativ auf den Akku auswirkt, konnte ich in dem Testzeitraum nicht seriös überprüfen. Apple hat einen Modus integriert, mit dem der Akkuverbrauch optimiert wird.
A14 und Akku
Dass sich Apple mit dem im iPhone 12 verbauten A14-Chip nicht verstecken muss, war bereits vor dem Marktstart klar. Im Geekbench-5-Test lässt das iPhone 12 nicht nur das iPhone 11 Pro, sondern auch das Samsung Galaxy Note 20 Ultra und das Galaxy S20 Plus weit hinter sich zurück. Im futurezone-Test schaffte das iPhone 12 mit einem Ergebnis von 1596 für Single-Core-Anwendungen und 4045 für Multi-Core-Anwendungen zudem fast den identischen Wert wie das teurere iPhone 12 Pro.
Je nach Benchmark-Test holen die neuen iPhone-Chips noch einmal 30 Prozent mehr Leistung im Vergleich zum Vorjahr heraus, was sich etwa auf das Schneiden von Videos, aber auch auf rechenintensive Games sowie AR-Anwendungen positiv auswirkt. Wenig profitieren von dem Geräte-Setup tut die Akkuleistung. Sie ist bestenfalls gleich gut wie im Vorjahr und definitiv kein Ruhmesblatt für Apple. Natürlich kommt man mit den Geräten einen Tag gut durch. Der große Akku-Durchbruch lässt aber weiterhin auf sich warten.
Fazit: Rückkehr zu Glanzzeiten, aber…
Das iPhone 12 punktet im Vergleich zum iPhone 11 mit schickem Design, hochwertiger Verarbeitung und einem besseren OLED-Bildschirm. Das ohnehin bereits gute Kamerasystem wurde mit dem Nachtmodus für die Ultraweitwinkellinse nur geringfügig verbessert. Dass Apple am relativ großen Notch festgehalten hat, ist enttäuschend. Auch die Akkuleistung könnte besser sein.
Der technische Abstand zum Pro-Modell fällt weitaus geringer als im Vorjahr aus. Das schlägt sich allerdings im Preis nieder. Das iPhone 12 kostet mit 899 Euro für 64 Gigabyte um 100 Euro mehr als das iPhone 11 beim Marktstart. Wer auf 5G verzichten kann und Geld sparen möchte, kann sich ein iPhone 11 (680 Euro) oder ein iPhone 11 Pro (900 Euro) zulegen, oder auf das kleinere iPhone 12 Mini (799 Euro) warten, das in Kürze verfügbar ist.
Ob sich der Aufpreis von 200 bis 250 Euro (je nach Speicherausstattung) zum iPhone 12 Pro lohnt, lest ihr in unserem Test auf futurezone.at.
Disclaimer: Das iPhone 12 wurde uns für einen begrenzten Zeitraum von A1 zur Verfügung gestellt
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