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Nothing Phone (1) im Test: Man darf sich nicht blenden lassen

Nothing-Gründer Carl Pei ist ein Meister der Salamitaktik. Scheibchen für Scheibchen teaserte der 33-Jährige das neue Nothing Phone (1) an. Ein Leak da, ein Bildausschnitt hier, so bleibt man für Wochen in den Medien - und in den Köpfen der Kund*innen.

Pei versteht jedoch nicht nur etwas von Marketing, sondern auch von Smartphones. Mit 24 hatte er bereits bei Nokia, Meizu und Oppo gearbeitet, als er die neue Smartphone-Marke OnePlus gründete. Ende 2020 schied Pei aus der Firma aus, um sein neues Unternehmen “Nothing” zu gründen. Im Juli 2022 folge der Start des Nothing Phone (1).

Es ist jedoch nicht einfach, sich aus der Masse der Smartphones hervorzuheben, die am Markt sind. Für seine neue Marke musste sich Pei daher etwas einfallen lassen: Die Glyph-Beleuchtung war geboren.

Ein schöner Rücken kann entzücken

Aber von vorn: Das Nothing Phone setzt auf ein 6,55-Zoll-OLED-Display, einer Holepunch-Aussparung in der linken oberen Ecke und auf einen kantigen Alu-Rahmen, der an ein iPhone 13 erinnert. Die Rückseite ist es aber, die beim Nothing Phone hervorscheint - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Unter der transparenten Glasrückseite 4 LED-Elemente in Streifen angeordnet - das sogenannte Glyph. Ein “C” um das Dual-Kamera-Setup, ein einfacher Strich in der rechten oberen Ecke und ein stilisiertes “G” rund um die Ladespule. Ein LED-Licht in Rufezeichenform zeigt direkt zur mittigen Ladebuchse (USB-C versteht sich). Daneben finden sich Lautsprecher und ein SIM-Kartenslot mit Dual-SIM-Funktion.

Mehr als 90 Mikro-LEDs sollen im Glyph verbaut sein. Zugegeben, so etwas hat man bei einem Smartphone noch nicht gesehen. Das Glyph soll dabei nicht nur designtechnisch hervorragen, sondern auch einen Mehrwert bei der alltäglichen Nutzung liefern. Die LED-Streifen leuchten im Takt des Klingeltons, für einzelne Anrufer*innen oder Messenger-Dienste lassen sich eigene Muster einprogrammieren. Im zweiwöchigen Test habe ich die Funktion genau nie verwendet. Zu stark eingebrannt hat sich die Gewohnheit, sein Handy nicht mit der Bildschirmseite nach unten abzulegen.

Glyph nur selten nützlich

Beim Ladevorgang zeigt das Rufezeichen den Akkustand an. Eine nützliche Funktion, auch wenn man das Handy dafür wieder auf den Bauch legen muss. Das Smartphone lädt dabei mit maximal 33 Watt, auch wenn Nothing selbst auf seiner Seite ein 45-Watt-Ladegerät anbietet. Der 4.500 mAh starke Akku reicht locker über den Tag, und man kann das Handy auch mit 15 Watt kabellos laden. Das Nothing Phone unterstützt auch Reverse Wireless-Charging mit 5 Watt. Wie Apple verzichtet Nothing in der Packung allerdings auf ein Ladegerät - nur das Ladekabel ist im Preis inklusive.

Ein weiterer Usecase für das Glyph: Die LEDs können als eine Art Ringlicht bei Foto- und Videoaufnahmen verwendet werden. Das funktioniert allerdings nur gut, solange man das Handy wirklich nur an den Rändern hält und nicht die halben LED-Streifen mit der Hand abdeckt. Eine einhändige Bedienung ist so kaum möglich.

Gutes Display, jedoch kein Rechenmonster

Aber nun einmal zur Vorderseite, denn so schillernd das Glyph auch sein mag - die meiste Zeit schaue ich nun einmal auf das Display meines Smartphones. Das löst mit 1080x2400 Pixel (402 ppi) auf, die Bildwiederholrate kann entweder auf 60 Hertz (spart Akku) oder 120 Hertz (flüssigere Animationen) eingestellt werden. Die Display-Helligkeit ist auch bei hoch stehender Sonne mehr als ausreichend, bis zu 700 Nits sind laut Hersteller maximal drin. Auch ein Fingerabdrucksensor findet sich unter dem Display, der zuverlässig und schnell funktioniert.

Im Inneren des Nothing Phones werkt der Qualcomm Snapdragon 778+, ein Oberklasseprozessor, aber kein Flagship-Prozessor. Das Grundmodell wird mit 8 GB RAM/128 GB internen Speicher ausgeliefert, die weiteren Ausführungen haben 8 GB RAM/256 GB und 12 GB/256 GB. Hervorzuheben ist der Vibrationsmotor, der fast schon unangenehm scharf auf Eingaben reagiert.

Aufgehübschte Software

Als Software kommt Stock-Android (Version 12) zum Einsatz, dessen Oberfläche im Nothing-Style aufgehübscht wurde. Ansonsten verzichtet das Nothing Phone auf Bloatware, bis auf 2 Ausnahmen: Zum einen ist eine Galerie für NFTs unlöschbar in das Smartphone integriert, zum anderen können direkt im NothingOS bestimmte Tesla-Funktionen ferngesteuert werden. Das Feature wird als “experimentelles Merkmal” bezeichnet und konnte aufgrund eines fehlenden Teslas nicht getestet werden.

Solide Kamera

Carl Pei setzt beim Nothing Phone auf eine Dual-Kamera. Der Hauptsensor, ein Sony IMX766, löst mit 50 Megapixel auf (f/1,88 Blende), die Ultra-Weitwinkelkamera hat ebenfalls 50 Megapixel (f/2,2 Blende) und erlaubt ein 114 Grad Sichtfeld. Dieser Sensor wird auch für die Makroaufnahmen genutzt. Teleobjektiv gibt es keines.

Videos nimmt das Smartphone mit 4K bei 30fps aus, bei 1080p gehen sich 60fps aus. In der Front findet sich ein 16MP-Sensor, der bei guter Belichtung schöne Fotos macht. Im Porträtmodus werden die Umrisse des Hauptobjekts gut erkannt. Bei schwachen Lichtverhältnissen werden die Fotos allerdings körniger. 

Bei der Fotosoftware wurde allerdings gleich nach der Veröffentlichung des Smartphones nachgebessert. Das Software-Update soll die Klarheit der Fotos und die Sättigung bei Weitwinkelaufnahmen verbessert haben. Zudem soll die Prozesszeit beim Nachtmodus und bei HDR-Fotos beschleunigt worden sein. Da ich das Update leider gleich installiert habe, habe ich leider keine Vergleichsbilder mit der alten Software. 

Laut Pei ist das Update allerdings “dope” - und er verspricht weitere Verbesserungen in Zukunft. 

Nicht alle mit Update-Politik glücklich

Teilen der Smartphone-Community ist die Update-Politik von Nothing dennoch zu langsam. Auf die Frage, wann das Update auf Android 13 geplant ist, das momentan an Googles Pixel-Geräte verteilt wird, vertröstet Pei seine Follower. Ein Produkt sei mehr als nur Spezifikationen, Funktionen und Versionsnummern. 

Dennoch verspricht Nothing Android-Updates für 3 Jahre und 4 Jahre lang Sicherheitsupdates. Das sollte das Smartphone mindestens bis Android 15 bringen, auch wenn Android 13 wohl erst in der ersten Hälfte 2023 aufgespielt werden dürfte.

Fazit

Das Nothing Phone (1) ist nichts für Nerds, denen die neuesten Features der neusten Software wichtig sind. Und auch der Prozessor ist nicht das Nonplusultra, das der Smartphonemarkt momentan hergibt. Und auch Schnellladen können andere Smartphones in dem Preisbereich deutlich besser.

Das alles dürfte der Zielgruppe aber egal sein. Die Leistung des Geräts ist sowohl für die Alltagsnutzung als auch für Games mehr als ausreichend, und dürfte es wohl auch noch die nächsten Jahre sein. 

Das Nothing Phone ist vor allem eins: ein ausgewogenes Gesamtpaket. Nicht unbedingt das Beste, was es gibt, für einen Preis ab 469 Euro jedoch ein gut zusammengestelltes Smartphone. Die Glyph-Beleuchtung sorgt außerdem für einen WOW-Effekt - wenn diese auch im Alltag kaum genutzt wird.  

Der Formfaktor ist Geschmackssache. Mir persönlich sind die Ecken zu kantig, Handschmeichler ist das Smartphone keiner. Auch die Vibrationen sind gewöhnungsbedürftig. Sollte man das Nothing Phone einmal in der Hand halten, sollte man das austesten, indem man etwa die Anruftöne ändert.

Außerdem wurde die Rückseite meines Modells unter Last - etwa beim Spielen - merklich warm. Auch auf Reddit gibt es Stimmen, die von warmen oder sogar heißen Geräten berichten. Problematisch war das bei mir zwar zu keinem Zeitpunkt, jedoch spürbar. Die Frage ist, ob es sich dabei nur um Montagsgeräte handelt oder ob die Geräte generell zur Hitzeentwicklung neigen. 

Specs

Display: 6,55-Zoll-OLED, 60 oder 120 Hz Refreshrate, 2.400x1080 Pixel (402 ppi)
Prozessor: Qualcomm Snapdragon 788G+
GPU: Adreno 642L
RAM: 8 oder 12 Gigabyte (nur mit 256 GB Hauptspeicher)
Speicher: 128 oder 256 Gigabyte
Batterie: 4,500 mAh, 33 Watt kabelgebundenes Laden, 15 Watt kabelloses Laden, 5 Watt umgekehrtes kabelloses Laden
Kameras: 50 MP Dual-Kamera, 16MP Frontkamera
Audio: Stereo-Lautsprecher
Konnektivität: GSM, UMTS, LTE, 5G, NFC, WiFi 4/5/6 und 802.11 a/b/g/, GPS mit A-GPS, GLONASS, BDS, GALILEO, QZSS
Maße: 159,2x75,8x8,3 Millimeter
Gewicht: 194 Gramm
Farben: Schwarz, Weiß
Preis: 469, 499 und 549 Euro (je nach Ausstattung

Alternativen

Der Markt der Mittelklasse-Smartphones zwischen 300 und 600 Euro ist hart umkämpft. Nothing gelingt es vor allem durch das Glyph, aus der Masse herauszustechen. Das Samsung Galaxy S21, Google Pixel 6 oder auch das Xiaomi 11T sind zwar bereits etwas älter, bieten aber zumindest auf dem Papier eine bessere Ausstattung für denselben Preis.

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Marcel Strobl

marcel_stro

Ich interessiere mich vor allem für Klima- und Wissenschaftsthemen. Aber auch das ein oder andere Gadget kann mich entzücken.

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