35 Jahre Österreich in der ESA: Exzellent, aber da geht noch mehr
1987 wurde Österreich zum Vollmitglied bei der europäischen Raumfahrtorganisation ESA. Anlässlich des 35-Jahre-Jubiläums zogen Weltraumministerin Leonore Gewessler und der österreichische ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher am Dienstag ein kleines Resümee und gaben einen Ausblick auf die Zukunft des Landes im Weltraum. Dabei wurde deutlich, dass es in Österreich viel Potenzial gibt, die öffentliche Unterstützung aber höher sein könnte.
Das Land hat viel anzubieten
"In den vergangenen 35 Jahren hat sich Österreich zu einem anerkannten Partner im Weltraumbereich entwickelt, in einzelnen Bereichen haben wir eine Technologieführerschaft", meint Gewessler stolz. "Momentan haben wir rund 200 Unternehmen, die im Weltraumbereich tätig sind, 1500 Beschäftige und einen Jahresumsatz von 140 Millionen Euro." Das Bundesministerium für Klimaschutz (BMK) stecke jährlich 70 Millionen Euro in den Weltraumbereich, zwei Drittel davon gehen an die ESA.
"Österreich verdient es, gefeiert zu werden, weil es viel anzubieten hat", meint Aschbacher. Mit seinen Innovationen sei das Land an einer langen Liste an Weltraumprojekten beteiligt, nicht nur innerhalb der ESA, auch darüber hinaus: "Die NASA kauft in Österreich ein, weil die Technologie aus Österreich so gut ist." Als Beispiele für ESA-Projekte mit heimischer Beteiligung nennt Aschbacher u.a. die Merkur-Sonde BepiColombo, das in Graz entwickelte "Schweizer Messer unter den Satelliten" OPS-SAT oder Raketen wie die Vega-C. "Sie wird nächste Woche ihren ersten Start haben und soll künftig Erdbeobachtungssatelliten in den Orbit befördern."
Fokus auf die Erde
Erdbeobachtung ist der Bereich, in den Österreich in den vergangenen Jahren das meiste Geld investiert hat. Auch in Zukunft soll es so sein, erklärt Gewessler, denn Österreichs Weltraumstrategie laute verkürzt: Menschen, Klima, Wirtschaft. Der Blick aus dem Weltall auf die Erde, das Nutzen von Daten aus dem Orbit für innovative Dienste und den Klimaschutz sowie der Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs in der Raumfahrt stehen im Fokus. Das heimische Budget für den Weltraumbereich sei in der Vergangenheit nicht ausreichend gewesen. Gewessler bemühe sich um mehr Budget, strebe aber genaue Kalkulationen und größtmöglichem Profit an.
Pflicht erfüllt, beim Rest knausrig
Österreichs Beitrag zum ESA-Budget besteht aus einem Pflichtteil und einem optionalen Bereich, erklärt Aschbacher. Der Pflichtteil errechnet sich nach der Wirtschaftsleistung eines Landes. 2,12 Prozent des ESA-Pflichtteilbudgets kommen demnach aus Österreich. 80 Prozent des ESA-Gesamtbudgets machen jedoch freiwillige Investitionen der Mitgliedsstaaten in ausgewählte ESA-Projekte aus. Hier hat Österreich Aufholbedarf.
Aschbacher wünscht sich, dass Österreich hier wie beim Pflichtbeitrag auf 2,12 Prozent kommt. Davon ist das Land momentan weit entfernt, es gebe aber die Absicht, sich dem Wert behutsam anzunähern. Investitionen würden sich in jedem Fall auszahlen. Aschbacher: "Der Multiplikationsfaktor beträgt 3,5. Jeder investierte Euro bringt 3,5 Euro zurück nach Österreich. Diesen Faktor muss man ausnutzen, denn sonst wird er von anderen ausgenutzt."
Europa muss am Ball bleiben
Was auf dem Spiel steht, wenn Österreich seine Investitionen in den Weltraumbereich nicht verstärke, schildert Aschbacher anhand eines 500 Jahre alten Beispiels: "Die Entdeckungsreise von Christopher Columbus hat dazu geführt, dass Europa über hunderte Jahre das geopolitische Zentrum war und Europa einen enormen Wohlstand aufgebaut hat." Im Weltraum verhalte es sich ähnlich. Der Bereich erfahre ein enormes Wachstum, eine immer stärker werdende Kommerzialisierung. Europa müsse hierbei am Ball bleiben, um wie andere Weltraummächte von Dingen wie "Space Mining" zu profitieren.
Derzeit werden auch Pläne geschmiedet, wonach Europa künftig eine größere Rolle in der bemannten Raumfahrt spielen soll. Aschbacher: "Die ISS wird in ein paar Jahren nicht mehr existieren, das ist beschlossene Sache. In den USA gibt es mehrere Firmen, die private Raumstationen aufbauen werden. Soll Europa hier an Bord einer dieser Raumstationen ein Zimmer mieten oder eine eigene Kapazität aufbauen?"
Langfristige Positionierung wichtig
Auch der Mond sei hochinteressant. "Das wird vielleicht noch mehrere Jahre oder Jahrzehnte dauern, aber man muss sich jetzt schon überlegen, wie man sich positioniert. Pharmafirmen und Firmen in der Materialwissenschaft führen schon lange Experimente im Weltraum durch. Der Weltraum wird der nächste Wirtschaftsraum werden."
Gewessler bringt die Zuhörerschaft an dieser Stelle auf den Boden der österreichischen Realität zurück und sagt: "Solche strategischen Fragen müssen wir gesamteuropäisch beantworten. Unsere Aufgabe in Österreich ist es, festzustellen wo unsere Stärken liegen, wozu wir am besten beitragen können und wovon wir profitieren. Wir fokussieren stark auf die Erdbeobachtung und liefern heute schon Technik für fast alle Missionen."