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Wie Metallguss dank 3D-gedrucktem Sand nachhaltiger wird

„Gussprodukte sind überall um uns herum: in Kopfhörern genauso wie am Türrahmen oder in Motoren“, sagt Mirnes Berbić. Der Metallurge ist am Österreichischen Gießerei-Institut (ÖGI) für das Projekt „DiGiPro“ verantwortlich, das kürzlich mit dem ACR Innovationspreis 2025 gewürdigt wurde.

Das Projekt hat zum Ziel, durch Digitalisierung den ökologischen Fußabdruck von Gussbauteilen zu minimieren. Gussverfahren seien etabliert und günstig, aber sehr komplex, betont Berbić: „Im Inneren eines Verbrennungsmotors z. B. befinden sich Ölkanäle und zahlreiche Verstrebungen. Da die Toleranzen nur 0,3 bis 0,5 Millimeter betragen, muss der Guss äußerst präzise gefertigt werden.“ Kleine Veränderungen am Prozess haben teilweise große Auswirkungen auf das Endprodukt.

Prozessoptimierung und Produktentwicklung

Industriebetriebe hätten im durchgetakteten und von Kostendruck geprägten Produktionsalltag keine Kapazitäten, Neues auszuprobieren. „Die Erprobung von Prozessen und Entwicklung von Produkten ist aufwändig, da unterstützen wir die heimischen Gießereien“, sagt Berbić.

Gemeinsam mit 2 Kollegen aus dem Labor des ÖGI sucht er seit 2017 nach Stellschrauben, die Gussverfahren emissionsärmer, ressourcenschonender und wirtschaftlich effizienter machen. „In der Gießerei nutzen wir seit jeher alles im Kreislauf: Aluminium oder Gusseisen wird wieder eingeschmolzen, der Sand wird wiederverwertet“, meint der Projektleiter.

Mirnes Berbić ist Projektleiter am ÖGI.

Sandkerne

Eine der Stellschrauben betrifft die Sandkerne, die den Gussteilen ihre Innenstruktur geben. Die Außenkontur wird durch eine Stahl- oder Sandform vorgegeben. 

Für die Sandkerne wird Sand üblicherweise mit Bindemitteln vermischt und in Form gepresst, ähnlich wie ein Sandkuchen am Strand. Diese Kerne müssen stabil sein, wenn die Metallschmelze diese umfließt und in Form bleiben, bis das Metall erstarrt ist. 

Sand muss rückstandslos verschwinden

Zu diesem Zeitpunkt ist es wichtig, dass die Sandkerne möglichst leicht zerfallen, sodass der Sand rückstandslos entfernt werden kann. „Es dürfen keine Sandkörner im Inneren verbleiben, denn wenn diese später z. B. in den Kühlbereich eines Motorenbauteils wandern, droht ein Motorschaden“, sagt Berbić. 

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Um den Sand aus dem Inneren der Gussteile zu lösen, werden sie gerüttelt oder mit einem Hammer darauf geschlagen. Je öfter das nötig ist, desto höher ist die Gefahr, das fabrikneue Bauteil zu schädigen, außerdem läppert sich der zusätzliche Energieaufwand.

3D-gedruckte Sandkerne

Berbić und sein Team experimentieren daher mit 3D-gedruckten Sandkernen. Dabei wird ein Bindemittel auf Sand aufgetragen, sodass die gewünschte Form Schicht für Schicht entsteht. Durch dieses Verfahren ist insgesamt weniger Bindemittel nötig, da nur die Außenhülle und besonders stark belastete Stellen damit versetzt werden.

Aus Quarzsand gedruckte DiGiPro-Versuchsform.

3D-Druck: Mehr als nur Plastik

Beim Stichwort 3D-Druck dürften viele zunächst an Kunststoff denken. Denn das gängigste Verfahren, das sogenannte „Fused Deposition Modeling“ (FDM) bzw. Schmelzschicht-Verfahren, basiert auf Thermoplastik-Filament. 

Ein drahtförmiger Kunststoff-Strang wird dabei erhitzt und gemäß einem digitalen Bauplan durch eine Düse Schicht für Schicht auf eine Platte aufgetragen. Beim Abkühlen härtet das Material in seiner neuen Form aus. 

Eine weitere Art des 3D-Drucks ist das sogenannte Binder Jetting. Dieses Verfahren kommt für die Sandkerne im Metallguss zum Einsatz. Dabei wird ein flüssiges Bindemittel durch eine Düse auf ein Bett aus Pulverpartikeln  – z. B. Sand  – gespritzt. Das Bindemittel klebt diese zusammen.  Dann folgt die nächste Schicht Sand und Bindemittel und der Prozess beginnt von vorn.  Zum Schluss kann das lose Pulver einfach entfernt werden.

Für dieses Verfahren kommen viele Werkstoffe infrage: Das Pulver kann z. B. aus Metall, Kunststoff, Gips oder Keramik sein, das Bindemittel muss entsprechend angepasst werden. Selbst Lebensmittel lassen sich mit diesem Verfahren drucken: So gibt es 3D-Drucker, die mit Butter, Zucker und Eiern spezielles Mehlpulver verbinden, um Gebäck herzustellen.

Der Sand im Inneren bleibt lose – und rieselt nach dem Metallguss beinahe von selbst heraus. „Normalerweise braucht man 40 Schläge zum Entkernen, also um den Sandkern zu entfernen. Mit unserem optimierten Sandkern sind nur noch 4 Schläge nötig“, sagt Berbić.

An welchen Stellen des Sandkerns wie viel Bindemittel eingebracht werden sollte, errechnet er mittels Simulationssoftware. Grundlage dafür sind jahrelange vorbereitende Messungen im hauseigenen Formstofflabor. 

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Emissionsfreie Bindemittel

Eine weitere Stellschraube auf dem Weg zu nachhaltigeren Gussverfahren sind die Bindemittel, die 2 bis 3 Prozent der Sandkerne ausmachen. Organische Bindemittel seien lange erprobt und ließen sich im Nachhinein recht leicht entfernen, erklärt der Metallurge. Doch ihre Emissionsbelastung ist hoch. 

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Eine emissionsfreie Alternative sind anorganische Bindemittel aus Natriumsilicaten. Bei diesen funktioniere das Entkernen noch nicht so gut, was ihre Umweltbilanz wieder verschlechtert, sagt Berbić.

Hier wird Bindemittel mittels 3D-Drucker auf Sand gedruckt.

Er will weiter an ihnen forschen, um sie baldmöglichst in breite Anwendung zu bringen. 2026 sollen die Erkenntnisse aus dem „DiGiPro“-Projekt im Rahmen einer Fallstudie in österreichischen Gießereien realitätsnah überprüft werden. 

Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaft, Energie und Tourismus.

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Jana Wiese

interessiert sich besonders für die gesellschaftlichen Auswirkungen von Technologie und Wissenschaft. Mag das offene Web, Podcasts und Kuchen, (food-)bloggt seit 2009.

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