3D-gedrucktes Korbförmiges Gebäck mit Cremefüllung, Erdbeeren und Pistazien vor orangem Hintergrund

Mit einem 3D-Drucker lässt sich Gebäck in Formen herstellen, die mit traditionellen Methoden unmöglich wären.

© La Pâtisserie numérique

Digital Life

Französische Patisserie aus dem 3D-Drucker

Mehl, Zucker, Butter, Eier, vielleicht noch Milch und Backpulver – aus diesen Zutaten wird seit hunderten Jahren auf die gleiche Art und Weise Gebäck hergestellt. Das französische Start-up La Pâtisserie numérique (auf Deutsch „digitale Konditorei“) will diesen Bereich mit einem 3D-Drucker für Gebäck aufmischen, ohne von den klassischen Zutaten abzurücken.

Patiss3, wie das Gerät heißt, kostet 28.800 Euro und ist für den Einsatz in professionellen Backstuben gedacht. Es ermöglicht komplexe Gebäckformen zu kreieren, wie etwa geflochtene Schalen, Buchstaben oder sogar Architekturmodelle.

Drucken im Pulver für besondere Stabilität

Patiss3 spritzt essbare „Tinte“ dreidimensional und punktgenau in eine rechteckige Wanne, die mit einem Mehlpulver gefüllt ist. Diese Methode ist an das sogenannte „Binder Jetting“ angelehnt, das in der additiven Verarbeitung von Edelstahl oder Gips eingesetzt wird.

Der Vorteil liegt darin, dass das umliegende Pulver das Stück stützt, solange es noch ungebacken ist und nicht seine eigene Form halten kann. Gründerin Marine Coré-Baillais vergleicht das Prinzip mit Kindern, die am Strand spielen: „Wenn man im Sand eingegraben ist, kann man sich nicht mehr bewegen, genau wie das 3D-gedruckte Stück im Mehlpulver.“

Blick in den 3D-Drucker "Patiss3" mit Wanne voller Mehlpulver

Der Patiss3-3D-Drucker ist 100 x 90 x 60 cm groß.

Die Wanne wird anschließend in einem gewöhnlichen Umluftofen gebacken. Alternativ könne man auch eine handelsübliche Mikrowelle nutzen, erklärt Coré-Baillais. Nach dem Abkühlen folgt das „Entpudern“. Das heißt, das übrige Mehlpulver, das sich nicht mit der „Tinte“ zum 3D-Gebäck verbunden hat, wird entfernt.

„Tinte“ aus Butter, Zucker und Eiern

Die Zubereitung des Teigs ist gar nicht so weit entfernt von klassischem Gebäck, wo in der Regel erst die trockenen und flüssigen Zutaten separat gemischt werden, bevor alles zusammengerührt wird. Die Mischung der flüssigen Zutaten ergibt die „Tinte“, das Mehlpulver ist in diesem Fall die trockene Zutat.

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Diese können Bäckereibetriebe nach eigenen Vorstellungen zubereiten, sagt die Gründerin: „Ich will Konditoren nichts vorschreiben. Sie sollen Butter, Eier, Zucker und so weiter nach eigenen Rezepten verwenden.“ Wichtig sei nur, dass die „Tinte“ die passenden Fließeigenschaften hat, wie die Pâtisserie numérique in diesem Forschungsartikel aufzeigt. Alle, die sich damit nicht beschäftigen wollen, können seit vergangenem Jahr eine vorgefertigte „Tinten“-Mischung des französischen Lebensmittelherstellers Louis François kaufen.

Hightech-Mehlpulver aus der Normandie

Das Mehlpulver gibt es in mehreren Ausführungen: für klassische Kekse, mit Kakao, oder glutenfrei. Sie sind ein Hauptfokus in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Start-ups, das in seinem 11-köpfigen Team 6 Ingenieurinnen und Chemiker beschäftigt. 2 Studierende forschen in ihren Doktorarbeiten zu den Eigenschaften der Pulver.

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„Das Mehlpulver braucht bestimmte Klebereigenschaften und muss sich beim Backen ganz speziell verhalten“, erklärt Coré-Baillais. Wichtig seien vor allem die Größe und Form eines Mehlkorns.

Das Mehlpulver werde am Firmensitz in der Normandie aus gewöhnlichem französischen Weizen hergestellt und enthält in der Standard-Version keinerlei Zusatzstoffe. Die „Luxus“-Version ermöglicht durch zugesetztes Xanthan – ein Bindemittel, das häufig auch in glutenfreien Rezepten eingesetzt wird – eine besonders glatte Oberfläche des Gedruckten.

Nahaufnahme der transparenten Wanne im 3D-Drucker, die mit Mehlpulver gefüllt ist. Die "Tinten"-Düse ist darin eingetaucht

Die Düse spritzt die "Tinte" punktgenau in das Mehlpulver in der Wanne.

Ein 20-Liter-Sack des Mehlpulvers von der Pâtisserie numérique kostet je nach Art zwischen 68 und 136 Euro. Wie viel Gebäck damit hergestellt werden kann hängt von dessen Größe ab. Das Pulver, das beim Drucken nicht mit der „Tinte“ in Kontakt kam, sondern nur als Strukturgeber außenherum fungierte, kann wiederverwendet werden. Erst nach etwa 50 Mal Backen verliert es seine besonderen Eigenschaften, sagt die Gründerin.

Ziel: Handwerk unterstützen, nicht ersetzen

Coré-Baillais hat vor der Gründung ihres Start-ups mit Mitte 40 eine Konditorei-Ausbildung absolviert und in mehreren hochdekorierten Backstuben gearbeitet. Sie betont, dass ihr 3D-Drucker keine Konkurrenz für das Konditorei-Handwerk sein soll. Im Gegenteil: Er soll helfen, dem Fachkräftemangel zu begegnen, weil er aufwändige Handarbeit automatisieren kann.

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„Um den 3D-Drucker zu bedienen, braucht man keine handwerkliche Fachausbildung, das können auch Einsteiger machen“, so Coré-Baillais. Während Patiss3 innerhalb eines Tages hunderte bis tausende Gebäckstücke produziert, könnten sich Konditorinnen und Konditoren auf handwerklich komplexe Cremes, Füllungen und Garnituren konzentrieren.

Die Frage, ob sie Konditoreien mit ihren proprietären Mehlpulvern nicht doch in eine Abhängigkeit treibe, entgegnet die Gründerin mit einer Zukunftsvision: „Derzeit sind wir die einzigen Pulver-Hersteller, aber ich wünsche mir, dass die Technologie bekannter wird und mehr Produzenten so etwas entwickeln und vertreiben.“ 

Ungeahnte Formen möglich

Außerdem eröffne der 3D-Drucker Konditorinnen und Konditoren ungeahnte Möglichkeiten bei der Form von Gebäck. Mit Patiss3 lassen sich Strukturen herstellen, die mit traditionellen Methoden unmöglich wären oder spezielle Backformen bräuchten. Das betrifft zum Beispiel filigrane Korbgeflechte oder Hohlformen.

La Pâtisserie numérique bietet seinen Kundinnen und Kunden einen Katalog mit dutzenden Formen an, von Mini-Tassen und Bienenwaben über 20-seitige Würfel bis zu kleinen Labyrinthen. Man könne sich auch mit Designwünschen an das Start-up wenden, das diese dann als CAD-Datei erstellt und per WLAN direkt auf den Drucker transferiert. „Wenn du das Design allen zur Verfügung stellen willst, ist das kostenlos. Willst du ein Exklusiv-Design, musst du dafür bezahlen“, erläutert Coré-Baillais.

Konditorinnen und Konditoren, die mit CAD-Software umgehen können, können ihre eigenen Entwürfe an La Pâtisserie numérique schicken. Das Slicing der Datei, also die Aufbereitung für den konkreten 3D-Drucker, übernimmt dann das Start-up.

Ausgemusterte Macarons wiederverwenden

La Pâtisserie numérique will mit seiner Technologie auch einen Beitrag gegen Lebensmittelverschwendung leisten. Bei der Herstellung klassisch französischer Macarons werden üblicherweise viele der Schalen aussortiert, weil sie nicht perfekt seien, erzählt Coré-Baillais.

Statt sie wegzuschmeißen, könne man sie auch zu Pulver verarbeiten und dieses für den 3D-Druck verwenden. La Pâtisserie numérique hat speziell für den Macaron-3D-Druck eine kleinere Maschine entwickelt, die nicht einmal halb so viel kostet wie Patiss3. Als flüssiger Bestandteil bzw. „Tinte“ wird hier genau wie bei einem klassischen Rezept Eischnee mit hohem Zuckeranteil eingesetzt.

Keine technische Spielerei

Das Team der Pâtisserie numérique ist natürlich nicht das einzige, das sich am 3D-Druck von Kuchen versucht. Im März 2023 ging ein Tortenstück der Columbia University in New York viral, das im Rahmen einer Studie in npj science of food gefertigt wurde. Es bestand aus einer Keksbrösel-Paste, Erdnussbutter, Erdbeermarmelade, Nutella, Bananenpüree, Kirschguss und Frosting und war, ähnlich wie bei einem Cheesecake mit Bröselboden, nicht gebacken.

Auf dieses Tortenstück angesprochen reagiert Coré-Baillais beinahe verärgert: „Das ist lustig anzuschauen, aber das wars dann auch schon. Hätten Sie Lust, so einen Kuchen zu essen?“. 7 Zutaten in Flaschen zu füllen und damit einen 3D-Drucker zu bestücken, habe nichts mit Konditorei zu tun.

Ihr gehe es nicht um technische Spielereien aus Laboren, sondern um „Innovation für heute“ und Gebäck, das geschmacklich und optisch mit klassischer französischer Backkunst mithalten könne.

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Teilnahme an Start-up-Show im französischen Fernsehen

La Pâtisserie numérique hat als Corona-Projekt von Coré-Baillais angefangen, die schon seit 15 Jahren in der 3D-Druck-Branche tätig ist. Nach dem Verkauf ihres ersten Start-ups Sculpteo an den Chemie-Konzern BASF hatte sie als erstes „CakeWalk 3d“ entwickelt.

Das ist ein Lebensmittel-Extruder, der mit vielen handelsüblichen 3D-Druckern kompatibel ist und sich an die Maker-Community richtete. Damit lässt sich zum Beispiel Schokolade, Frischkäse oder Meringue drucken. Die Gründerin weist im Interview aber darauf hin, dass sie dieses Projekt mittlerweile nicht mehr weiterverfolgt und keinen Support mehr bieten kann.

Im Frühjahr 2024 trat sie mit ihrem aktuellen 3D-Drucker Patiss3 bei Qui veut être mon associé, der französischen Version von „2 Minuten 2 Millionen“ auf. Gemeinsam mit dem französischen Star-Pâtissier Pierre Hermé präsentierte sie dort unter anderem einen 3D-gedruckten Keks-Eiffelturm. 2 Juroren investierten daraufhin 150.000 Euro für 10 Prozent der Anteile am Unternehmen. 

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Derzeit sind 10 ihrer Geräte in verschiedenen Konditoreien in Frankreich und Belgien im Einsatz. Coré-Baillais hofft, innerhalb der nächsten 5 Jahre eine Mini-Version für den Hausgebrauch marktreif zu bekommen. Bis es soweit ist, kann man sich im Onlineshop des Start-ups immerhin eine Probier-Box voller 3D-gedruckten Gebäcks um 25 Euro bestellen.

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Jana Wiese

interessiert sich besonders für die gesellschaftlichen Auswirkungen von Technologie und Wissenschaft. Mag das offene Web, Podcasts und Kuchen, (food-)bloggt seit 2009.

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Jana Wiese

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