Käse ohne Kühe aus Wiener Produktionsanlagen
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Der Markt für vegane Lebensmittel ist in den vergangenen Jahren auch in Österreich stark gewachsen. Im vergangenen Jahr wurden fast 100 Millionen Euro umgesetzt. Europaweit waren es laut der NGO Good Food Institute Europe 5,8 Milliarden Euro. Das Gros geht auf vegane Milchersatzprodukte zurück, gefolgt von pflanzenbasiertem Fleisch. Käseersatz auf Pflanzenbasis rangiert unter ferner liefen. Europaweit beträgt der Anteil unter veganen Lebensmitteln gerade einmal drei Prozent.
„Weil die Qualität nicht stimmt“, sagt Eva Sommer. „Die Produkte bestehen nur aus Fett und Stärke.“ Auch typische Eigenschaften von Käse, wie Dehn- und Schmelzbarkeit, ließen sich damit nicht erreichen. Die Biotechnikerin will das ändern und gründete gemeinsam mit dem Bioverfahrenstechniker Christoph Herwig, bei dem sie an der TU Wien studierte, vor eineinhalb Jahren Fermify. Das Wiener Start-up hat eine Produktionsplattform entwickelt, mit der sich aus Bakterien das für die Käseproduktion zentrale Kasein ohne die Mitwirkung von Kühen herstellen lässt.
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Geschmacklich lasse sich kein Unterschied feststellen, sagt Sommer. Der Käse habe die gleiche Konsistenz wie herkömmlicher Käse, sei aber wesentlich umweltfreundlicher. Bei der Herstellung würden 80 bis 90 Prozent weniger CO2 anfallen als bei der tierischen Käseproduktion. Mit einer Produktionsanlage können pro Jahr circa 130 Tonnen Kasein gewonnen werden. Im Gemisch mit pflanzlichen Fetten kann damit durch Ansäuern jede Art von Käse hergestellt werden. Eine Anlage ersetzt laut der Gründerin bis zu 640 Kühe.
Finanzspritze
Im Frühjahr schloss das Start-up eine Finanzierungsrunde in Höhe von sechs Millionen Euro ab. Unter den Investoren finden sich der Klimatechfonds Climentum Capital, die deutsche Cremer Gruppe sowie der Lebensmittelgroßhändler Interfood aus den Niederlanden. Unterstützt wird das Start-up auch mit Förderungen der Förderbank Austria Wirtschaftsservice (aws).
Das Interesse an der Technologie ist groß. Man sei bereits von 50 Käsereien weltweit kontaktiert worden, erzählt die Gründerin. In den USA, Europa und Asien sollen jetzt die ersten drei Pilotanlagen entstehen. Diese sollen es den Unternehmen ermöglichen, das Protein selbst herzustellen. „Molkereien sind zwar risikoavers. Sie wollen aber ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen“, sagt Sommer.
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Mit Foodtech-Start-ups hat sie Erfahrung. Das 2019 in Belgien von ihr mitgegründete Unternehmen Peace of Meat, das tierisches Fett aus Stammzellen zur Geschmacksverbesserung pflanzlicher Proteinprodukte kultiviert, wurde 2020 um 15 Millionen Dollar (13,8 Mio. Euro) an das israelische Biotech-Unternehmen Meat Tech verkauft.
Wann wird der erste vegane Käse aus den Fermify-Anlagen im Handel sein? Nicht vor 2025, sagt Sommer. Die Errichtung der Pilotanlagen in den Molkereien durch das Start-up nehme ein Jahr in Anspruch. Die Produktentwicklung dauere noch einmal ein Jahr. Parallel dazu will sich das junge Unternehmen um die Zulassung der Proteine kümmern. In den USA sollte diese sechs Monate in Anspruch nehmen, in Europa kann es bis zu zwei Jahre dauern. Das passe gut zum Zeitplan des Start-ups, meint Sommer.
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und Austria Wirtschaftsservice (aws).
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