Autostoppen wird digital
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Start-ups

Spontan mitfahren: Neue App für digitales Autostoppen

Im Bregenzerwald ist das Verkehrsaufkommen sehr hoch. In den Kolonnen, die sich durch die Vorarlberger Region schlängeln, sitzt aber kaum mehr als eine Person in einem Auto, erzählt Stefan Türtscher. Fahrgemeinschaften und Mitfahrbörsen seien zwar wirksame Mittel, um das Verkehrsaufkommen zu verringern. Gemeinsame Fahrten müssten aber oft lange im Voraus geplant werden, sagt der 33-Jährige, der aus der Gemeinde Alberschwende kommt und selbst pendelt: "Das ist für die jüngere Generation nicht mehr vorstellbar. Wir sind viel flexibler unterwegs."

Gemeinsam mit dem Informatiker Patrick Schedler hat der studierte Maschinenbauer die App VLOW ins Leben gerufen. Sie vermittelt freie Plätze auf kurzen Strecken bis zu 50 Kilometer in Echtzeit. Nutzer*innen sollen spontan nach einer Mitfahrgelegenheit suchen können. Ziel sei es, an Hauptverkehrsrouten in weniger als 10 Minuten eine Fahrt vermitteln zu können, sagt der Gründer.

Abrechnung in der App

Den Fahrpreis legt das Start-up dabei im Vorhinein fest. Er orientiert sich am amtlichen Kilometergeld (derzeit 42 Cent pro Kilometer) und wird direkt in der App abgerechnet und dem oder der Fahrer*in gutgeschrieben. Pro Person könnte er sich im Bereich von 10 bis 20 Cent pro Kilometer bewegen, rechnet Türtscher vor. Er will dazu aber noch potenzielle Fahrer*innen und Mitfahrer*innen befragen.

Einen ersten Test mit der App im kleinen Rahmen hat das Start-up bereits absolviert. Vor allem bei Mitfahrenden sei das Angebot gut angekommen, erzählt Türtscher. Ende des Sommers soll die App zunächst in einer Modellregion in Vorarlberg an den Start gehen.

Netzwerk

Weil das Ziel in wenigen Minuten Fahrten vermitteln zu können, ohne ein dichtes Netzwerk an Fahrer*innen nicht zu erreichen ist, will das Start-up die Verbreitung und Akzeptanz der App schrittweise steigern.

Zunächst soll die Anwendung Nutzer*innen im Freundes- und Familienkreis einen Mehrwert bieten und beim Organisieren, Kommunizieren und auch der Abrechnung von Fahrgemeinschaften helfen. Danach will das Start-up gezielt Veranstalter*innen und Vereine ansprechen und auch bestehende Fahrgemeinschaften durch die App verbessern. Damit solle auch die Hemmschwelle zur Nutzung gesenkt werden, sagt Türtscher. Vertrauen in seine Lösung will das Start-up auch durch personalisierte Mitfahrgelegenheiten schaffen. Dazu sollen Daten aus sozialen Medien, etwa gemeinsame Kontakte, herangezogen werden.

VLOW-App

Personalisierte Mitfahrangebote in Echtzeit: VLOW-APP

Gebühr und Kooperationspartner  

Geld verdienen will das junge Unternehmen mit einer Transaktionsgebühr, die zwischen 10 und 20 Prozent des Fahrpreises betragen soll. Die Gebühr könnte aber auch von Kooperationspartnern übernommen werden, meint Türschter. Etwa Unternehmen oder Gemeinden, die so Anreize zur Nutzung von Fahrgemeinschaften schaffen können.

Als Konkurrenz zu öffentlichen Verkehrsmitteln sieht sich das Start-up nicht. "Wir verstehen uns als Ergänzung", sagt Türtscher. Bei dem ersten Test im vergangenen Winter arbeitete man mit den Vorarlberger Verkehrsbetrieben zusammen. Für öffentliche Anbieter sei es vor allem zu Randzeiten nicht rentabel, bestehende Linien auszubauen oder neue einzuführen: "Man sucht nach Alternativen."

VLOW-Gründer

VLOW-Gründer Stefan Türtscher und Patrick Schedler

Expansion

Bis 2024 will das Start-up österreichweit aktiv werden und auch erste Regionen in Deutschland und der Schweiz erschließen. Eine ähnliche Lösung gibt es etwa auch in Berlin, wo über die App CityHitcher spontan Mitfahrgelegenheiten gebucht werden können. VLOM will den Fokus aber auch weiterhin auf ländliche Regionen legen. In Städten, wie Wien, wo der öffentliche Verkehr gut ausgebaut sei, sehe man nicht so viel Potenzial, meint Türtscher.

Auf kurze Strecken habe man sich auch deshalb spezialisiert, weil längere Strecken durch bestehende Apps oder Mitfahrbörsen bereits gut abgedeckt seien, erzählt Türtscher: "Wenn ich von Wien nach München fahren will, nehme ich auch einen größeren Planungsaufwand in Kauf."

Finanziert wird VLOW mit Eigenleistungen der Gründer sowie Förderungen der Förderbank Austria Wirtschaftsservice und dem Land Vorarlberg. Mit weiteren Investor*innen und Business Angels ist man bereits in Gesprächen.

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und Austria Wirtschaftsservice (aws).

Zahlen

1,4 Personen
sitzen im österreichweit im Schnitt in einem Auto. In ländlichen Regionen ist diese Zahl geringer

150 Millionen Kilometer
legen Pkw pro Tag in Österreich zurück

95 Prozent
der Fahrten sind kürzer als 50 Kilometer

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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