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Verkehrslärm: Wie Straßen "leiser" werden können

Der Lärm aus dem Straßenverkehr schlägt aufs Gemüt. Sind Menschen dem lauten Schall permanent ausgesetzt, begünstigt er nicht nur Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Schlaganfälle – laut einer neuen Studie des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts erhöht er sogar das Risiko für Suizid.

Das menschliche Gehirn nehme Lärm als Zeichen einer potenziellen Bedrohung war und aktiviere die Kampf-oder-Flucht-Reaktion, heißt es in dem Papier. Lärmschutzmaßnahmen wie Geschwindigkeitsbegrenzungen oder lärmarme Straßenbeläge seien daher umso wichtiger. 

Leiser Asphalt

An solchen arbeitet Manfred Haider von der Competence Unit Transportation Infrastructure Technologies am AIT-Center for Low-Emission Transport.  Ein Schwerpunkt sind lärmarme Fahrbahnoberflächen. „Es geht dabei um das Zusammenspiel zwischen den Reifen, die ein Profil haben, und der Fahrbahnoberfläche, die ebenfalls strukturiert, also nicht ganz glatt ist“, sagt der Forscher der futurezone.

Da die akustische Eigenschaft eines Straßenbelags von der Struktur der Fahrbahnoberfläche und den Hohlräumen im Asphalt abhängt, die den Schall „schlucken“, gilt es, die Fahrbahntextur und den Hohlraumgehalt zu optimieren. 

Um Hinweise auf die Fahrbahninteraktion zu erhalten, wurde am AIT ein spezieller Scanner entwickelt, der 3D-Texturmessungen im fließenden Verkehr vornimmt. Damit kann ein Computermodell von Straßenoberfläche, Reifen-Fahrbahngeräusch und Straßentextur erstellt werden.

3D-Texturscanner

„Glatte“ Fahrbahn

Die Materialien für die neuen Beläge bleiben weiterhin Asphalt und Beton. Wesentlich seien ebene Fahrbahnoberflächen, die den Reifen wenig zum Schwingen anregen. „Wenn ich es gleichzeitig schaffe, das Volumen in den Hohlräumen innerhalb der Fahrbahnoberfläche zu erhöhen, kann ich relativ breitbandig eine Reduktion des Lärms erreichen“, sagt Haider.  

Dabei geht es aber natürlich nicht um vollkommen glatte Oberflächen, da diese die Verkehrssicherheit beeinträchtigen würden. „Die Ebenheit soll in der richtigen Größenordnung und im richtigen Strukturbereich verfügbar sein“, sagt Haider. 

Schallsignal aussenden

Ein anderer Forschungsbereich seien klassische Lärmschutzwände. „Wir haben am AIT ein Verfahren entwickelt, mit dem Lärmschutzwände vor Ort auf ihre akustische Wirkung beurteilt werden können. Darunter fallen etwa die Schalldämmung, also wie viel Schall durch die Wand hindurchgeht, und die Absorption, also wie viel Schall zurückgeworfen wird“, erklärt der Experte. Normalerweise werden solche Eigenschaften im Labor ermittelt. Mit dem AIT-Verfahren können sie nun vor Ort gemessen werden. 

Lärmschutzwände vor Ort auf ihre akustische Wirkung beurteilen

Zum Einsatz kommt ein spezieller Lautsprecher, der ein Schallsignal aussendet. „Das hört sich an wie ein breitbandiges Rauschen“. Mikrofone auf der anderen Seite der Wand fangen den Schall auf. Das System misst damit, wie viel davon hindurchgeht. Laut Haider habe der ausgehende Schall eine besondere Signalform. „Wenn etwa ein Lkw vorbeifährt, kann dieser Schall aus dem Verkehrsgeschehen herausgefiltert werden.“

Nachhaltige Materialien

Bei Lärmschutzwänden spiele auch Nachhaltigkeit eine zunehmend große Rolle. „Wir wollen daher untersuchen, wie sich der Einsatz von nachhaltigen oder recycelbaren und biobasierten Materialien auf ihren Lebenszyklus auswirkt und ob sie akustisch wirksam sind.“ Das AIT ist diesbezüglich an 2 Projekten beteiligt. 

In Österreich wurde eines mit Schilf gestartet. Gemeinsam mit einem deutschen Partner sollen außerdem auch Lärmschutzwälle erforscht werden. Das sind künstlich aufgeschüttete Erdwälle, die eine ähnliche Wirkung wie Lärmschutzwände haben. „Wir wollen den Effekt von Bewuchs auf dem Wall und dessen Absorptionseigenschaften untersuchen.“ Da es bereits Prototypen oder Versuchsinstallationen gibt, könnten die Entwicklungen mittelfristig eingesetzt werden.  

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen AIT und futurezone.at.

Straßenschall stört 1,2 Millionen Österreicher

Verkehrslärm ist für 1,2 Millionen Österreicher*innen eine Belastung, wie der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) kürzlich ermittelt hat. 980.000 Menschen geben dabei den Kfz-Verkehr als Hauptursache an. Während sich auszugsweise in der Steiermark  jeder Neunte vom Verkehrslärm belästigt fühlt, ist es in Tirol  schon jeder Siebte. 

Und wie sieht es in der Großstadt aus? Laut der Stadt Wien leiden insgesamt 60 Prozent der Einwohner*innen unter generellem Lärm. 38 Prozent der Wiener fühlen sich vom Verkehrslärm beeinträchtigt. Der Großteil führt den lauten Schall auf den Straßenverkehrslärm zurück und 3 Prozent auf den Schienenlärm von Straßen- und Eisenbahn. 

Langsamer fahren

Weitere 3 Prozent fühlen sich vom Fluglärm gestört. Ein Viertel der Wiener*innen wiederum stört 
sich am Baustellenlärm, 21 Prozent an der Lautstärke aus der Nachbarwohnung.

Eine wirksame Maßnahme zur Reduktion der Verkehrsbelastung seien laut dem VCÖ niedrigere Tempolimits. Im Ortsgebiet wirke Tempo 30 statt 50 hinsichtlich des Verkehrslärms wie eine Halbierung der Verkehrsmenge. 

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Andreea Bensa-Cruz

Andreea Bensa-Cruz beschäftigt sich mit neuesten Technologien und Entwicklungen in der Forschung – insbesondere aus Österreich – behandelt aber auch Themen rund um Raumfahrt sowie Klimawandel.

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