Frau mit Hand am Ohr
© Kristina Kokhanova / Getty

Science

Gezielte Schallwellen sollen Kopfhörer ersetzen

Kopfhörer ermöglichen es, Dinge zu hören, ohne dass andere Menschen in unmittelbarer Umgebung mithören können bzw. müssen. Eine neue Technologie könnte nun eine derart gezielte Audioübertragung ermöglichen, ohne dass man dafür etwas aufsetzen oder in die Ohren stecken muss. Die Methode, die an der US-amerikanischen Universität Penn State entwickelt wird, verspricht genau das. 

Möglich wird das mit “hörbaren Audioenklaven”, wie die Forscher in einer Mitteilung schreiben. Die Klänge, die sie erzeugen, sind also nur an einem ganz bestimmten Ort hörbar, genau dort, wo man sie eben braucht. Die Studie über "Audible Enclaves" wurde in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht.

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Basis sind spezielle akustische Oberflächen, die sich selbst krümmende Ultraschallstrahlen erzeugen. Ultraschall bezeichnet Schallwellen mit Frequenzen oberhalb des menschlichen Hörbereichs, also über 20 kHz. Diese Wellen breiten sich wie normale Schallwellen in der Luft aus, sind aber für Menschen unhörbar. Dieser Ultraschall fungiert bei der Methode als “Träger” für den hörbaren Schall. Er kann den Schall also unhörbar durch den Raum transportieren und erst dort zum Klang bringen, wo man ihn braucht. Dadurch, dass sich der Ultraschall mit einer Krümmung verbreitet, kann man ihn auch um Hindernisse herum Steuern. 

Neue Schallwelle

Konkret sind es 2 Ultraschallstrahlen, die mit verschiedenen Frequenzen losgeschickt werden. Diese sind für menschliche Ohren nicht wahrnehmbar. Wenn sie sich aber treffen, erzeugen sie durch eine neue Schallwelle eine hörbare Frequenz, die nur in einer bestimmten Region hörbar ist.

Das Schlüsselphänomen dabei ist die sogenannte Differenzfrequenzerzeugung. Überlappen sich zwei Ultraschallstrahlen mit leicht unterschiedlichen Frequenzen, beispielsweise 40 kHz und 39,5 kHz, erzeugen sie eine neue Schallwelle mit der Differenz ihrer Frequenzen. In diesem Beispiel wären das 0,5 kHz oder 500 Hz, was deutlich im menschlichen Hörbereich liegt.

Anwendungszwecke

Die potenziellen Anwendungszwecke der Technologie sind äußerst vielfältig, wie auch die Forscher betonen. Museen könnten Besucherinnen und Besuchern beispielsweise ohne Kopfhörer verschiedene Audioguides anbieten. Auch in Bibliotheken können Audioenklaven es ermöglichen, Dinge zu hören, ohne dass andere gestört werden.

Im Auto könnten Passagiere Musik hören, ohne die Fahrer von Navigationsanweisungen abzulenken. Audio-Enklaven könnten zudem so angepasst werden, dass sie Lärm in bestimmten Bereichen ausblenden und so Ruhezonen schaffen, die die Konzentration am Arbeitsplatz verbessern oder die Lärmbelästigung in Städten reduzieren.

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Militärischer Einsatzzweck

Was die Forscher nicht erwähnen, einem aber durchaus in den Sinn kommen könnte, sind militärische oder sicherheitspolizeiliche Einsatzzwecke. So könnten bei Menschenansammlungen äußerst gezielt Schallwaffen auf bestimmte Personen oder Gruppen gerichtet werden. 

Erst kürzlich gab es Berichte, wonach bei einer Demonstration gegen die serbische Regierung in Belgrad eine heute schon verfügbare Art der Schallwaffe eingesetzt wurde. Zahlreiche Videos im Netz zeigen, wie Menschen plötzlich in Panik auseinanderlaufen. 

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Der serbische Präsident Aleksandar Vučić dementierte im Nachhinein den Einsatz von Schallwaffen. Regierungskritiker berufen sich aber auf Aussagen von Tausenden Protestierenden, die die Nutzung einer solchen Kanone belegen soll.

Viel Forschung notwendig

Bis die neue Entwicklung bereit für den kommerziellen oder militärischen Einsatz ist, dürfte aber noch viel Zeit vergehen. So steht die Technologie noch vor vielen Herausforderungen. So könnten etwa Verzerrungen die Klangqualität massiv hindern. 

Auch die Energieeffizienz ist Thema. Die Umwandlung von Ultraschall in hörbaren Schall erfordert  Felder, deren Erzeugung sehr energieintensiv sein kann. Die Forscher orten in ihrer Entdeckung aber dennoch einen "grundlegenden Wandel", wie Klänge in unmittelbarer Umgebung übertragen und gesteuert werden können. 

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