Infraschall: Angst vor dem Unhörbaren
In unzähligen Horrorfilmen hat sich das Konzept bewährt: Am furchteinflößendsten ist eine Gefahr, wenn man sie weder sehen noch hören kann. Wir Menschen haben Angst vor dem, was sich unserer Beobachtung entzieht. Bei Windkraftanlagen lässt sich das wunderbar instrumentalisieren. Sie erzeugen Infraschall, den wir nicht hören können, das klingt irgendwie unheilvoll. Es ist also kein Wunder, dass gerade dieser Infraschall oft als Argument gegen Windenergie verwendet wird.
Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es dafür freilich keinen Grund: Infraschall ist gut untersucht, Hinweise auf Gefahren gibt es nicht. Ein viel wichtigeres Thema wäre der hörbare Schall – der kann nämlich tatsächlich schädlich sein.
Ein Rechenfehler mit Folgen
Als Infraschall bezeichnet man normalerweise Frequenzen unterhalb von 20 Hertz. Sie können von ganz unterschiedlichen Quellen erzeugt werden. Nicht nur Windkraftanlagen erzeugen solche unhörbaren Frequenzen, sie entstehen auch durch Meeresrauschen oder das Blätterrauschen im Wald.
Zumindest im deutschen Sprachraum dürfte der Mythos von der Infraschall-Gefahr auch durch einen simplen Rechenfehler Auftrieb erfahren haben: Im Jahr 2005 veröffentlichte die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) eine Studie, in der die Infraschall-Werte von Windkraftanlagen falsch angegeben waren – und zwar ungefähr um einen Faktor 10.000 zu hoch. Die BGR gab den Fehler später zu, doch da war der Schaden bereits angerichtet: Von Windkraftgegnern wurden die angeblich unerhört hohen Infraschall-Werte immer wieder zitiert.
Vergleichbar mit Kühlschrank und Autobahn
In Wahrheit ist der Infraschall, der in einem Abstand von ein bis zwei Kilometern Entfernung von einer Windkraftanlage gemessen werden kann, vergleichbar mit dem Infraschall, den auch ein Kühlschrank erzeugt. Eine Autobahn in der Nachbarschaft führt zu einem höheren Infraschall-Pegel, wenn man selbst in einem Auto sitzt, ist die Infraschall-Belastung noch einmal deutlich höher. Wenn man also der Meinung ist, dass Infraschall schädlich sei, dann müsste man sich von Kühlschränken und Autos auch fernhalten.
Mittlerweile gibt es viele medizinische Studien zum Thema Infraschall. Dabei entdeckte man keine Hinweise darauf, dass Infraschall, wie er von Windkraftanlagen erzeugt wird, irgendwelche schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit haben könnte.
Trotzdem sind die Ergebnisse höchst interessant. So wurde etwa in Australien 2023 eine Doppelblindstudie durchgeführt: Im Schlaflabor ließ man Versuchspersonen zwischen großen Lautsprechern schlafen – manche Lautsprecher produzierten Infraschall, andere waren ausgeschaltet. Die Versuchspersonen wussten nicht, zu welcher Gruppe sie gehörten, die Schlafqualität war bei beiden Gruppen gleich. Eine dritte Gruppe allerdings, die man mit Verkehrslärm beschallte, zeigte Beschwerden.
Hörbarer Lärm ist das wichtigere Thema
Dieses Muster lässt sich auch bei anderen Studien zeigen: Es gibt keine Hinweise auf Probleme durch unhörbaren Schall, aber unzweifelhafte Probleme durch hörbaren Schall. Das kann natürlich auch bei Windkraftanlagen ein wichtiges Thema sein, denn neben Infraschall erzeugen sie auch ganz gewöhnlichen hörbaren Lärm. Das kann zu Einschlafproblemen und Stress führen. Alleine schon der Ärger über Hintergrundlärm kann schlecht für die Gesundheit sein.
Es ist also durchaus sinnvoll, für gewisse Abstände zwischen Windkraftanlagen und Wohnsiedlungen zu sorgen – aber nicht, weil vom Infraschall eine mysteriöse, unhörbare Gefahr ausgeht, sondern weil Lärm generell nicht gesund ist. Gleichzeitig sollten wir dann aber ehrlicherweise auch über Straßen- und Fluglärm reden.
Wie immer gilt der Grundsatz: Man sollte sich nicht vor etwas fürchten, was weniger schlimm ist als eine andere Sache, vor der man sich nicht fürchtet. Wer kein Problem mit Kühlschränken und Autos hat, sollte sich vor Infraschall-Horrormeldungen jedenfalls den Schlaf nicht rauben lassen.
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