Um die Sicherheit von Kosmetik für unsere Haut zu gewährleisten, leiden bis heute viele Tiere – oft verwendet man Schweine als Versuchstiere.

Um die Sicherheit von Kosmetik für unsere Haut zu gewährleisten, leiden bis heute viele Tiere – oft verwendet man Schweine als Versuchstiere.

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Science

Pflanzliche "Haut" aus dem 3D-Drucker ersetzt Tierversuche

Sie stecken in Sonnencreme, Deo und Zahnpasta: Nanopartikel sind allgegenwärtig, aber wegen ihrer mikroskopisch kleinen Größe unsichtbar. Kosmetikprodukten verleihen sie vorteilhafte Eigenschaften: Lippenstifte und Cremes halten damit stundenlang, vom Abdeckstift genügt zum Verstecken von dunklen Augenringen eine hauchdünne Schicht.

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Einige dieser Stoffe könnten aber gefährlich sein: Das Metall Silber verleiht Cremes etwa antibakterielle Eigenschaften. Studien zeigten jedoch, dass die Partikel wahrscheinlich giftig sind. Laut EU fehlen dazu bislang allerdings noch Daten. Andere werden verdächtigt, die Fruchtbarkeit zu beeinträchtigen. Das österreichische Gesundheitsministerium sagt, dass es bei Nanopartikeln in Kosmetik noch viele offene Fragen gibt.

Fakten

Alternativen
zu Tierversuchen nennt man in der Fachsprache NAMs (New Approach Methodologies). Dazu zählen neben Tests mit Zellkulturen oder Gewebe auch Computermodelle und Simulationen, sowie Organ-on-a-Chip-Systeme, bei denen man die Funktion ganzer Organe simuliert.

7 Kosmetikprodukte
verwenden Österreicher im Schnitt jeden Tag. Darin stecken oft Nanopartikel.

Zu Tierversuchen
gibt es keine zuverlässigen Zahlen. Eine Erhebung von 2017 geht von 50 bis 100 Millionen betroffenen Tieren pro Jahr aus. Tierschutzorganisationen gehen von einer hohen Dunkelziffer aus.

80 Prozent der Länder testen Kosmetik an Tieren

Ob sie schädlich sind, wird bis heute mit Tierversuchen überprüft. Obwohl sie für kosmetische Produkte in der EU bereits seit 2013 verboten sind, sind sie in 80 Prozent der Länder weltweit nach wie vor gängige Praxis. In einer Zeit, in der Hunde und Katzen in unseren Betten schlafen und als Familienmitglieder gesehen werden, wirkt diese grausame, aber wissenschaftlich in vielen Fällen notwendige Praxis bestenfalls veraltet. 

Forscher entwickeln deswegen alternative Testmethoden, die künftig sicherstellen, dass uns das neueste Anti-Haarausfall-Shampoo nicht krank oder unfruchtbar macht. „Bei klassischen Tierversuchen werden oft Schweine verwendet. Man untersucht dann, wie deren Haut auf Behandlungen reagiert. Diese Haut müssen wir jetzt durch andere Materialien ersetzen,“ erklärt die Chemikerin Karin Stana Kleinschek von der TU Graz der futurezone. 

Karin Stana Kleinschek und ihr Team stellen mit 3D-Druck ein Hydrogel als Basis für eine künstliche "Haut" her. 
 

Jüngst haben Forscher von der TU Graz (Institut für Chemie und Technologie Biobasierter Systeme) gemeinsam mit dem indischen Vellore Institute of Technology (VIT) ein neuartiges 3D-Gewebe entwickelt. Das könnte künftig Tierversuche ersetzen, bei denen man die Wirkung verschiedener Nanopartikel auf der Haut testet.

3D-Druck mit stabilem Wassergel

Während 3D-Druck mit Plastik heute kein Problem mehr darstellt und alltäglich geworden ist, verhält es sich beim Drucken von biologischem Material anders. Die Grazer Forscher machen das mit speziellen wasserhaltigen Gelen. „Diese vernetzen wir so, dass sie bestimmte Eigenschaften haben,“ erklärt  Stana Kleinschek: „Dieser 3D-Druck ist eine Herausforderung, weil diese Hydrogele einen Wassergehalt von bis zu 95 Prozent haben.“ Sie müssten biologisch stabil bleiben und optimale Bedingungen haben, damit Hautzellen wachsen können.

Vergleichbare Hautmodelle werden bereits von den Kosmetikherstellern eingesetzt und es gibt einen großen Markt dafür. Forscher der Uni Innsbruck haben etwa 2020 ein solches Hautimitat präsentiert, das mit einem 3D-Druck-Verfahren hergestellt wird. Dabei werden die Hautzellen direkt in das Gel gedruckt.

So sieht das ausgedruckte Gel aus, auf dem dann Hautzellen wachsen. 

Hydrogel aus Pflanzen

Während die Forscher von der Uni Innsbruck Gelatine aus Schweinehaut verwendet haben, geht das österreich-indische Forscherteam nun einen anderen Weg und setzt für ihre „Haut“ auf rein pflanzliche Materialien. Der Drucker verteilt ein wässriges Gel, das die Elastizität, Durchlässigkeit und Poren der Haut nachahmt. 

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Drei Jahre hat die Entwicklung des Gel-Gerüsts gedauert. „Im Unterschied zu anderen Hautmodellen ist an unserem besonders, dass wir nicht mit tierischem Kollagen, sondern mit pflanzlichen Biomolekülen arbeiten“, so Stana Kleinschek. Die TU Graz habe dazu kürzlich einen speziellen Apparat angeschafft. „Ein Homogenisator zerteilt pflanzliche Rohstoffe in sehr feien Faserstoffe, sogenannte Nano-Zellulose. Diese verwenden wir  in den  Druckertinten, um mechanische Eigenschaften kollagen-ähnliche Eigenschaften zu erhalten.“ 

Verbindet man dieses Gel-Skelett anschließend mit Hautzellen, die darin gedeihen können, ist das Hautimitat fertig. Solche menschlichen Hautzellen werden in Laboren gezüchtet. „Wir haben uns in Graz mit dem 3D-Druck und der Biomechanik der Gele befasst. In Indien werden die Hautzellen mit den 3D-Strukturen verbunden,“ erklärt Stana Kleinschek.

Erste Tests zeigen, dass das Anwachsen der Hautzellen funktioniert. Stana Kleinschek  schätzt, dass es trotzdem noch bis zu 10 Jahre dauern könnte, bis die „Haut“ tatsächlich einsatzbereit ist.

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Petrischale statt Schwein 

Experimente, für die noch immer viele Versuchstiere sterben, könnte man dann mit dieser „Haut“ aus dem 3D-Drucker ersetzen. Das Hautimitat ist in einem Gefäß. Dann gibt man eine kosmetische Substanz darauf. „Aufgrund der Interaktion von dem Haut-Modell und der hinzugefügten Komponente kann man schlussfolgern, wie sich das auf unsere Haut auswirkt“, erklärt die Forscherin.

Die  TU Graz legt einen Fokus auf Technologien, die sich zur Lösung von Problemen die Natur zum Vorbild nehmen. Zumeist geht es um biomedizinische Anwendungen. Mit 3D-Druck machen Forscher nicht nur Gel-Skelette, sondern sie können ganze Organ-Modelle drucken, etwa von der Aorta. Solches Gewebe könnte man in der Ausbildung von Chirurgen oder für Prothesen verwenden. 

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Jana Unterrainer

Überall werden heute Daten verarbeitet, Sensoren gibt es sogar in Arktis und Tiefsee. Die Welt hat sich durch die Digitalisierung stark verändert. Das interessiert mich besonders, mit KI und Robotik steigt die Bedeutung weiter enorm.

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Jana Unterrainer

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