
Lukas Ehl und Ivan Trofimenko mit dem Prototyp des Mini-Kühlschranks
Elastokalorik: Klimaanlage und Heizung in einem, aber 5-mal effizienter
Klimaanlage, Heizung und Kühlschrank sind Energiefresser. Das belastet nicht nur das Börserl, sondern auch das Stromnetz. Aufgrund des menschgemachten Klimawandels werden Extremtemperaturen zunehmen, damit der Bedarf an Kühlung und entsprechend der Stromverbrauch.
Große Hoffnung wird deshalb in Elastokalorik gesteckt. Diese Technologie ist effizient und braucht keine giftigen Kühlmittel, sondern funktioniert durch das Strecken von Drähten oder Blechstücken aus Nickel-Titan. Noch steckt sie aber in den Kinderschuhen.
Forschende an der Universität Saarland gelten als Pioniere auf diesem Gebiet. Sie wollen der Elastokalorik zur Serienreife verhelfen. Ein großer Schritt dahin ist, dass erstmals ein Prototyp eines Elastokalorik-Mini-Kühlschranks gebaut wurde. Dieser wird auf der Hannover Messe ausgestellt und demonstriert, die heuer vom 31. März bis 4. April stattfindet.
Wärme wird durch Ziehen und Entlasten transportiert
Das Herzstück der Elastokalorik ist die Nickel-Titan-Legierung. Diese haben die Form von Drähten oder Blechen und ist ein Formgedächtnismaterial. Durch Ziehen und Entlasten nimmt die Legierung Wärme aus der Luft auf und gibt sie wieder ab.

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Für den Mini-Kühlschrank rotiert ein Bündel aus 200 Mikrometer dünnen Nickel-Titan-Drähten um die zylinderförmige Kühlkammer. Dafür ist ein eigens entwickelter Nockenantrieb zuständig. Während sie rotieren, werden sie auf einer Seite gezogen und auf der anderen wieder entlastet. Die Drähte entziehen dabei der Luft in der Kühlkammer die Wärme. Bei der weiteren Rotation wird dann die Wärme nach außen hin abgegeben.
Der erreichte Temperaturunterschied liegt bei dem Prototyp bei 15 Grad Celsius. Das scheint jetzt nicht besonders viel, allerdings ist das, für den ersten Kühlschrank mit dieser Technologie, ein beachtlicher Fortschritt, der noch dazu außerhalb des Labors reproduzierbar ist. Zusätzliche Sensoren zur Steuerung des Mini-Kühlschranks sind nicht nötig. Anhand des elektrischen Widerstands wird die Deformation der Drähte gemessen. Künstliche Intelligenz kann mit diesen Daten die genaue Position der Drähte bestimmen und dadurch den Betrieb optimieren.
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5-mal effizienter als aktuelle Systeme
Elastokalorik kann weit mehr, als Getränkedosen kühlen – der Mini-Kühlschrank soll lediglich die Technologie für Menschen angreifbar machen. Aktuell lassen sich Temperaturdifferenzen von rund 20 Grad Celsius erzielen, für einstufige Bauelemente. Koppelt man mehrere Elastokalorik-Systeme aneinander, steigen die Temperaturunterschiede.
Ein großer Vorteil der Technologie ist, dass sie gleichzeitig als Kühlanlage und Wärmepumpe funktionieren kann. Wohnungen oder Häuser könnten so mit einem einzigen Gerät im Sommer gekühlt und im Winter beheizt werden. Außerdem ist der Wirkungsgrad 3- bis 5-mal höher im Vergleich zu bestehenden Klimageräten und Wärmepumpen.
Mehr Reichweite für E-Autos
Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig. Zusammen mit VW wird in einem Projekt geforscht, wie Elastokalorik in Elektroautos eingesetzt werden kann. So könnten leichtere Klimaanlagen mit weniger Verbrauch gebaut werden, was die Reichweite der E-Autos erhöht. Auch eine Funktion als Kühlung für die Akkus ist angedacht. Derzeit werden erste Prototypen gebaut.
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In einem weiteren Projekt sollen Wohnhäuser mit einer Elastokalorik-Klimaanlage ausgestattet werden. Dabei gibt es Lüftungsschlitze in den Außenwänden. Die Elastokalorik-Klimaanlage nutzt diese und sorgt dafür, dass energiesparend geheizt und gekühlt werden kann.
Das klingt beinahe simpel, in der Praxis muss aber erst herausgefunden werden, wie sich solche Kreislaufsysteme am effizientesten bauen und umsetzen lassen. Daher wird daran geforscht, welche Antriebe das Nickel-Titan in Bewegung halten, welche Formen die Bleche oder Drähte haben sollen und wie die beste Luftströmung erzeugt werden kann. Außerdem wird erforscht, wie sich solche Systeme, egal ob Industriekühlung oder Haushaltsgeräte, in die Serienfertigung bringen lassen – von der Materialherstellung über die eigentliche Produktion bis zum Recycling.
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