
Parapsychologie: Das Scheitern eines Forschungsgebiets
Kann man mit reiner Gedankenkraft Objekte bewegen? Kann man durch pure Konzentration Bilder in den Kopf anderer Leute übertragen? Kann man in die Zukunft sehen? Das sind ziemlich verrückte Fragen. Man könnte vermuten, dass sich die Wissenschaft mit solchen Themen gar nicht befassen will – aber sie wurden mit vollem Ernst wissenschaftlich untersucht, an einigen der berühmtesten Universitäten der Welt.
Vom Spiritismus bis zur CIA
Schon im 19. Jahrhundert forschte man an paranormalen Phänomenen, testete Wahrsagerei, Geister-Fotographie und Spiritismus. Die Ergebnisse waren wenig überzeugend, Parapsychologie blieb ein Randthema. Ein bisschen Rückenwind bekam sie dann später, während des Kalten Kriegs. In der Sowjetunion, so hieß es in den 1970er Jahren gerüchteweise, habe man große Summen ausgegeben, um mit übersinnlichen Kräften militärischen Geheimnissen auf die Spur zu kommen. Das wollte man in den USA nicht auf sich sitzen lassen: Wenn die Sowjets dabei sind, Hellsehen zu lernen, dann müsste man das doch in Amerika auch schaffen!
An der renommierten Universität Stanford begann man daher, sich das Thema anzusehen, unter anderem mit dem späteren Löffelverbiegungs-Star Uri Geller. Ein wissenschaftlicher Gutachter, der Psychologe Ray Hyman, bezeichnete die Ergebnisse zwar als „kompletten Schwindel“ („complete fraud“), aber das hielt die CIA nicht davon ab, zumindest in kleinem Rahmen weitere Tests durchzuführen. Später wurde das Forschungsprogramm dann unter anderem durch den Film „Männer, die auf Ziegen starren“ (The Men Who Stare at Goats) bekannt.
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Mit Geisteskraft den Zufall beeinflussen?
1979 wurde an der Universität Princeton das PEAR-Labor aufgebaut, in dem man testen wollte, ob man auf übernatürliche Weise mit bloßer Geisteskraft bestimmte Ereignisse beeinflussen kann. Man verwendete zum Beispiel Zufallszahlgeneratoren und forderte Versuchspersonen dazu auf, die Ergebnisse in eine bestimmte Richtung zu schieben – sich also etwa eher hohe oder eher niedrige Zahlen zu wünschen.
Die Ergebnisse entsprachen fast perfekt dem, was man in so einem Fall durch puren Zufall erwarten würde – ganz egal, ob jemand versuchte, die Zufallsmaschine zu beeinflussen oder nicht. Aber gewisse, minimale Abweichungen vom Erwartungswert konnte man finden, und manche Fans des Paranormalen behaupteten, daraus einen Beweis für Paranormales herauslesen zu können.
Ein genauerer Blick auf die Daten stützt das nicht: Dort stößt man auf allerlei statistische Merkwürdigkeiten, die eigentlich nicht zu erwarten wären, wenn man es tatsächlich mit einem echten Effekt zu tun hätte. Sehr gut allerdings lässt sich das Ergebnis erklären, wenn man bedenkt, dass kleine Fehler in der Durchführung der Experimente ganz normal sind. Auch Parapsychologen sind nur Menschen und verbiegen manchmal die Interpretation der Daten in jene Richtung, die ihnen besser gefällt. Das muss gar nichts mit Betrugsabsicht zu tun haben, das ist in gewissem Rahmen beinahe unvermeidlich.
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Echte Wissenschaft wird immer besser
Aber ist das nicht auch in anderen Forschungsbereichen so? Zweifelhafte Befunde, kleine Effekte, die auch mit dem Zufall erklärt werden können, ist das nicht ganz normal? Auch die Erforschung der Elektrizität hat mit merkwürdigen Anomalien begonnen – mit unerklärlich zuckenden Froschschenkeln etwa. In der Physik redet man von „dunkler Materie“ – da kann auch niemand sagen, was das sein soll. Wenn das Wissenschaft ist, muss man der Untersuchung parapsychologischer Effekte dann nicht auch Wissenschaftlichkeit zugestehen?
Nein, nicht unbedingt. Es gibt nämlich einen wesentlichen Unterschied: Bei echter Wissenschaft gelingt es immer, einen anfangs vagen, seltsamen Effekt noch besser herauszuarbeiten. Vielleicht klappt es anfangs nur manchmal. Dann sucht man Wege, es zuverlässiger funktionieren zu lassen. Vielleicht ist der Effekt anfangs klein. Dann findet man Bedingungen, unter denen er besser sichtbar ist. Vielleicht sind die Ergebnisse anfangs widersprüchlich. Dann macht man Experimente, mit denen sich diese Widersprüche aufklären lassen.
Bei der Elektrizität gelangte man so von zuckenden Froschschenkeln zu den Gesetzen der Elektrodynamik, zur Funkantenne und zum Elektromotor. Bei der Parapsychologie gelangte man nirgendwohin. Niemals gelang es, ein Experiment zu definieren, das zuverlässig und wiederholbar paranormale Resultate zeigt. Niemals gelang es, einen Effekt durch verbesserte Bedingungen so groß werden zu lassen, dass er zweifellos sichtbar wird. Und das, obwohl über hundert Jahre lang daran geforscht wurde.
Die Geschichte der Forschung an paranormalen Ereignissen zeigt aber auch: Die Wissenschaft ist äußerst offen für neue, verrückte Ideen. Fast alles wird untersucht, sogar an berühmten Top-Universitäten. Auch Thesen, die äußerst unwahrscheinlich klingen, bekommen eine Chance. Zumindest für einige Zeit. Wenn dann absolut kein Fortschritt zu beobachten ist, dann muss man irgendwann auch eingestehen: Das wird wohl nichts mehr.
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