
Boox Palma 2
E-Reader im Smartphone-Format: Boox Palma 2 im Test
Das Motto „Ohne mein Lieblingsbuch gehe ich nicht aus dem Haus!“ lautet mittlerweile bei vielen Leseratten: „Ohne meinen E-Reader geht gar nix!“ Doch selbst von fanatischen Fans der Literatur wird das Credo gebrochen, wenn die Hand-, Bade- oder Hosentasche zu klein oder zu voll ist.
Für das Handy ist aber irgendwie immer Platz. Warum also nicht den E-Reader auf Smartphone-Größe schrumpfen – könnte sich das chinesische Unternehmen Onyx Boox gedacht haben, als es den Boox Palma 2 (UVP 300 Euro) entworfen hat. Ich habe den ungewöhnlichen E-Reader getestet und ihn ins Herz geschlossen, trotz seiner Schwächen.
Eine Frage der Perspektive
So richtig in eine Geräte-Kategorie einordnen lassen, will sich der Palma 2 nicht. Er ist so groß wie ein Smartphone und hat mit Android 13 ein Handy-Betriebssystem. Aber es gibt keine SIM-Karte. Damit wäre er eher ein Tablet – ist aber mit dem 6,13 Zoll großen Touchscreen zu klein dafür.
Die smarten Funktionen und die Ausstattung, es gibt zB. eine Kamera, machen eine Einstufung als E-Reader schwierig, obwohl der Palma 2 einen E-Ink-Bildschirm hat. Außerdem denkt man bei E-Readern eher an das buchähnliche Format, so wie man es etwa vom Amazon Kindle oder Thalia Tolino kennt, anstatt an die Handy-Form. Der Hersteller hat sich deshalb für eine sperrige und gleichzeitig unkonkrete Klassifizierung entschieden: „Android-based mobile ePaper“ – ein Android basiertes, mobiles ePaper.

Der Palma 2 ist in Weiß und Schwarz verfügbar
© Boox
Größer als er aussieht
„Auf dem kleinen Ding kann man ja nichts lesen“, mag sich so mancher beim ersten Blick auf den Palma 2 denken. Allerdings haben der klassische Kindle und Tolino ebenso nur ein 6-Zoll-Display – das des Palma 2 ist sogar eine Spur größer. Er ist zwar ähnlich hoch wie dieser E-Reader, aber viel schmäler und verzichtet auf unnötig große Ränder zwischen Bildschirm und Rahmen.
Durch diese Form passt er problemlos in die Hand- oder Hosentasche. Noch dazu ist er etwas flacher als aktuell übliche Smartphones, was den Transport erleichtert. Außerdem ist der Palma 2 besser einhändig zu halten als ein Kindle oder Tolino, was in den beengten Verhältnissen in vollen Öffis oder der Economy Class im Flugzeug praktisch ist.

Der Palma 2 macht nicht nur in vollen, sondern auch in leeren U-Bahnen eine gute Figur
© Gregor Gruber
Zweihändig halten geht natürlich auch. Die 170 Gramm Gewicht stören nicht, aber das Gerät ist etwas kopflastig. Wer vorhat, den Palma 2 nicht nur oft sondern lange zu nutzen, könnte sich einen PopSocket oder ein ähnliches Produkt überlegen (bei Amazon ab ca. 6 Euro). Das würde das einhändige Halten noch bequemer machen und die Kopflastigkeit reduzieren.
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E-Ink-Display
Das E-Ink-Display hat eine Auflösung von 824 x 1.648 Pixel. Das entspricht 300 ppi, dem üblichen Standard für E-Reader. Die Darstellung ist scharf und Text ist gut zu lesen, wie man es sich von einem E-Reader erwartet. Im Gegensatz zu einem Smartphone wird das Display bei direktem Sonnenlicht sogar besser lesbar - sehr praktisch im Badeurlaub und beim Lesen im Park.
Wie es sich gehört, kann man auch mit Zoomgesten am Touchscreen die Schriftgröße in den E-Books anpassen. Für das Display kann die Beleuchtung in 25 Stufen aktiviert werden. Auch die Farbtemperatur des Lichts lässt sich in 25 Stufen von Kalt zu Warm justieren. Wahlweise kann man beide Einstellungen automatisch ans Umgebungslicht anpassen lassen. In den meisten Fällen ist die Beleuchtung nicht nötig, wenn man unterwegs ist. Im Bett erspart sie aber die Nachttischlampe und in der dunklen Flugzeugkabine bei Langstreckenflügen liest es sich damit angenehmer als mit der Mini-Leuchte über dem Sitzplatz.

Die Farbtemperatur der Display-Beleuchtung kann justiert werden, um zum warmen Umgebungslicht zu passen
© Boox
Da es ein monochromes E-Ink-Display ist, es durch das Android-Betriebssystem aber viele Farbinhalte gibt, kann man auf Wunsch noch den Kontrast für jede App separat anpassen. Sollte man etwa bei bestimmten Apps gewisse farbige Symbole nicht erkennen, kann man mit den Reglern „Dunkle Farbverbesserung“ und „Filter für helle Farben“ die Darstellung verbessern. Das ist eine clevere Lösung, dank der man zB. sogar einige Games spielen kann.
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Zusatztasten und Fingerabdruckscanner
Die Bedienung per Touchscreen funktioniert gut. Man muss sich nur daran gewöhnen, dass das E-Ink-Display nicht so flott reagiert, wie ein normaler Smartphone-Bildschirm. Der Palma 2 hat hierfür aber einen Trick auf Lager. Für jede App kann separat die Aktualisierungsrate des Displays geändert werden.
So funktioniert ein E-Ink-Display
E-Ink-Displays arbeiten auf Basis von winzigen Kapseln. Durch unterschiedliche Spannung werden aus diesen Kapseln entweder schwarze oder weiße Teilchen an die Oberfläche gezogen.
Sind sie einmal da, bleiben sie auch dort, bis wieder eine andere Spannung erzeugt wird. Das führt zu dem Effekt, dass E-Ink-Displays nur dann Energie verbrauchen, wenn sich der Displayinhalt ändert. Umso häufiger der Display-Inhalt verändert wird, umso höher ist der Akkuverbrauch.
Dafür stehen 4 Modi zu Auswahl, von „HD“ bis „Ultraschnell“. Dabei gilt: Je schneller die Aktualisierungsrate, desto geringer die Details. „Ultraschnell“ macht etwa im Browser oder in Apps Sinn, bei denen man viel scrollt. Man kann in diesem Modus sogar Videos anschauen. Das sieht zwar etwas ruckelig aus – und natürlich monochrom – ist aber weit besser, als man es sich von einem E-Reader erwarten würde.
Abgesehen vom Touchscreen zur Bedienung gibt es noch eine Standby-Taste an der rechten Seite, die einen Fingerabdruckscanner integriert hat. Im Vergleich zu High-End-Smartphones ist der weniger präziser, funktioniert aber dennoch in 90 Prozent der Fälle. Die Lautstärketasten an der rechten Seite dienen in der E-Book-App zum Blättern, falls man dazu nicht den Touchscreen nutzen will.
Links gibt es noch eine frei belegbare Extrataste. Wer den Palma 2 bevorzugt in der linken Hand hält, kann die etwa mit Vorblättern (einmal drücken) und Zurückblättern (zweimal schnell drücken) belegen und mit dem Daumen bedienen. Das Blättern mit der Aktionstaste funktioniert übrigens auch im Browser, um vor- und zurückzuscrollen.

Die Aktionstaste an der linken Seite kann mit verschiedenen Funktionen belegt werden
© Boox
Android ist ein Segen
Dass der Palma 2 als Betriebssystem Android nutzt, ist großartig. Man kann auf den Play Store zugreifen und beliebige Apps installieren. So hat man Zugriff auf diverse E-Book-Bibliotheken und Reader-Apps und ist nicht auf die Anwendungen beschränkt, die der Hersteller vorgibt.
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Weil Android genutzt wird, hat man auch reichlich Optionen, bereits vorhandene E-Books zu übertragen. Das ist direkt per Verbindung zum PC möglich oder über Cloud-Speicher-Apps, wie etwa Google Drive. Man könnte sich selbst die Datei als Mail schicken (sofern man am Palma 2 eine Mail-App installiert), etc. Der Hersteller bietet mit seinem Service BooxDrop auch eine eigene Cloud-Lösung dabei. Dazu ruft man Website am Computer auf und zieht die Dateien, die man zum Palma 2 übertragen will, in das Browser-Fenster. Die Dateien werden dann automatisch zum Palma 2 übertragen, wenn der mit dem WLAN verbunden ist.
Der interne Speicher des Palma 2 ist mit 128 GB sehr großzügig dimensioniert, für einen E-Reader. Geht man davon aus, dass ein Buch im gängigen epub-Format etwa 5 MB groß ist, reicht das für über 25.000 E-Books. Außerdem kann der Speicher per MicroSD-Karte erweitert werden. Statt alles nur mit Büchern vollzumachen, kann man zusätzlich Musik auf den Palma 2 laden – oder Hörbücher. Das Gerät hat zwar eingebaute Lautsprecher, aber um die Nerven der anderen Passagiere und Strandbesucher zu schonen, sollte man lieber Kopfhörer nutzen. Der Palma 2 unterstützt dafür Bluetooth und die Audioausgabe per USB-C.

So schaut man laut Boox aus, wenn man mit dem Palma 2 Musik ohne Kopfhörer hört
© Boox
Die 16-Megapixel-Kamera des Palma 2 nutzt man lieber nicht für Urlaubsfotos. Diese ist zum Scannen von Dokumenten gedacht. Knippst man damit herum und sieht sich später die Aufnahmen auf einem anderen Gerät an, stellt man fest, dass fast alle Bilder unscharf sind und nicht besonders ansprechend aussehen.
Die Schwächen
Typisch für Geräte von chinesischen Herstellern ist, dass die Übersetzung nicht immer funktioniert. So stößt man in den Menüs des Palma 2 manchmal auf deutsche Wörter, die wohl durch ein Übersetzungsprogramm entstanden sind. In den Einstellungen liest man etwa von „Erreichbarkeit“. Gemeint sind damit die Eingabehilfen, die im Englischen meist als „Accessibility“ vorhanden sind. Manchmal sind am Palma 2 auch Erklärtexte für Funktionen auf Englisch, obwohl man das Gerät auf Deutsch eingestellt hat.
Bei der eingebauten Wörterbuch- und Übersetzungs-App kann man nur Wörterbücher für Englisch und Chinesisch herunterladen, nicht aber Deutsch. Liest man ein englisches E-Book und will dabei direkt ein Wort ins Deutsche übersetzen, geht das dann nur mittels Online-Verbindung – was suboptimal ist, wenn man im Bus oder am Badesee gerade kein WLAN hat. Der Workaround ist, entweder mit dem Handy einen Hotspot zu machen oder sich selbst Wörterbuch-Dateien im Internet zu suchen, die man auf den Palma 2 lädt. Das ist zwar dank Android möglich, aber bequem ist es nicht.

Google Translate ist direkt in der E-Reader-App eingebaut, funktioniert aber nur, wenn man online ist
© Boox
Der vorinstallierte Shop für E-Books ist kaum brauchbar. Hier gibt es nur alte, kostenlose Bücher. Eine Suche nach Büchern in bestimmter Sprache ist nicht möglich. Diesen Shop kann man höchstens als Starthilfe sehen, wenn man schnell ein E-Book direkt nach dem Kauf des Palma 2 herunterladen will und kein Problem mit Klassikern wie Alice’s Adventure in Wonderland und The Tragedy of King Lear hat.
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Lese-App ist gut, aber nicht überragend
Die Lese-App des Herstellers heißt Bibliothek und erfüllt ihren Zweck. Hier kann man zusätzlich Texte markieren, Notizen hinzufügen, sich das Wort übersetzen lassen (wenn man online ist) und etliches mehr. Gewöhnungsbedürftig sind die verwendeten Icons für die Funktionen, die nicht immer offensichtlich sind.
Es gibt eine Vorlesefunktion. Hierfür wird Googles Sprachausgabe genutzt. Das funktioniert offline, klingt aber sehr roboterhaft und ruiniert die Stimmung der Bücher. Ein Ersatz für Hörbücher ist diese Funktion keinesfalls, aber zumindest wurde sie integriert.
Bei der vorinstallierten App PushLesen wurde nicht mitgedacht. Die RSS-Feeds werden automatisch aktualisiert, wenn man die App startet. Die Artikel darin werden aber nicht heruntergeladen. Würden die Artikel heruntergeladen werden, könnte man zuhause einmal die App öffnen und dann in der U-Bahn auf dem Weg in die Arbeit die wichtigsten Nachrichten des Tages am Palma 2 lesen. Aber so muss man dafür erst recht wieder das Smartphone nutzen.

Boox Palma 2
© Boox
Akkulaufzeit
E-Reader sind bekannt dafür, dass sie eine lange Akkulaufzeit haben. Das liegt nicht nur am stromsparenden E-Ink-Display, sondern auch daran, dass man den E-Reader normal für nichts anderes nutzt, außer zu lesen.
Der Palma 2 kann aber beinahe wie ein Smartphone verwendet werden und setzt für einige Funktionen eine aktive WLAN-Verbindung voraus oder etwa Bluetooth, wenn man Musik hören will. Außerdem kann man Games darauf spielen und andere Smartphone-Apps nutzen. Das alles verbraucht mehr Energie als E-Books lesen.
Deaktiviert man WLAN und Bluetooth und verwendet den Palma 2 nur zum Lesen und die Display-Beleuchtung nur bei Bedarf, kann man mehrere Wochen mit einer Akkuladung auskommen. Verwendet man das Gerät aber wie ein Smartphone, kann man den Akku in 2 bis 3 Tagen leer machen.

Der Palma 2 hat an der rechten Seite einen Fingerabdruckprinter. Entgegen dieser bildlichen Behauptung des Herstellers, lässt er sich am besten mit rem rechten Zeigefinger verwenden.
© Boox
Fazit
Der Boox Palma 2 ist eine spannende Alternative zu klassischen E-Readern. Nicht nur, weil er kompakter ist, ohne Display-Größe zu opfern, sondern weil er dank Android viel mehr kann und offener ist als übliche E-Reader, die manchmal digitalen Käfigen gleichen: Dort darf nur das drauf, was der Hersteller für richtig hält.
Im Austausch für diese Freiheit muss man Bequemlichkeit opfern. Man muss die bevorzugten E-Book-Stores erst aus dem Play Store herunterladen und sich selbst um Apps bzw. einen Wörterbuch-Download kümmern, um offline englische Wörter übersetzen zu können.
Die Freiheit muss zudem nicht nur ertauscht, sondern auch erkauft werden. Mit 300 Euro (302 Euro bei Amazon) ist er fast 3-mal so teuer wie übliche 6-Zoll-Reader: Der Kindle kommt auf 121 Euro, der Tolino Shine auf 120 Euro. Mir persönlich sind der Formfaktor und Android den Aufpreis wert. Wer aber seinen E-Reader ohnehin nur 2-mal im Jahr im Urlaub benutzt, anstatt fast täglich am Arbeitsweg oder beim abendlichen Lesen, greift besser zu einem günstigeren Modell.
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