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Tolino shine vs. Kindle Paperwhite: E-Reader im Vergleichstest

Wer liest eigentlich E-Books? Nicht allzuviele, wenn man einschlägigen Statistiken glaubt. In Österreich stagniert der Marktanteil bei elektronischen Büchern laut dem Hauptverband des Österreichischen Buchhandels seit Jahren bei rund fünf Prozent. Dominiert wird der Markt von Amazon, dessen erster Kindle vor etwas mehr als zehn Jahren auf den Markt kam. Auf den Rängen folgen Thalia und Weltbild, die der Tolino-Allianz angehören, die seit 2013 E-Book-Lesegeräte anbietet und im vergangenen Jahr von Rakuten Kobo gekauft wurde. Rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft haben die beiden größten Anbieter ihren meistverkauftesten Modellen - dem Kindle Paperwhite und dem Tolino shine - ein Update verpasst. Wir haben den Kindle Paperwhite 2018 und den Tolino shine 3 miteinander verglichen.

Gehäuse und Verarbeitung

Beide Geräte sind in ein Kunststoffgehäuse eingepasst und gut verarbeitet. Der Paperwhite wirkt hochwertiger, dazu tragen die für das Modell neue durchgängige Glasfront auf der Vorderseite und die gummierte Rückseite bei. Der Tolino setzt erstmals auf eine performierte Rückseite aus Kunststoff, deren griffige Oberflächenstruktur sich allerdings hart und plastikmäßig anfühlt und auch Staub und Schmutz anzieht. Sie ist auch nicht so grifffest wie die Kindle-Rückseite.

Der vordere Rahmen des shine 3 besteht aus Kunststoff, das Display ist etwas abgesenkt, sodass sich in den Ritzen ebenfalls Staub ansammeln kann. Die Glas-Front des Kindle wirkt zwar stimmig, sie ist umgekehrt aber auch ein Magnet für Fingerabdrücke.

Bei beiden Geräten sind Einschaltknopf und Micro-USB-Anschluss an der Unterseite des Gerätes, wobei der Knopf des Tolinos, der etwa dreimal so breit ist wie jener der Kindles, leichter zu ertasten ist.

Der Tolino ist nicht nur gegenüber seinem Vorgängermodell geschrumpft, er misst nun 156,4 x 110,2 x 8,35 mm, sondern auch merklich kleiner als der Kindle (167 x 116 x 8,18 mm). Mit 166 Gramm ist er auch leichter als sein Konkurrent, der 182 Gramm auf die Waage bringt.

 

Display und Beleuchtung

Das Display (E-Ink Carta) ist bei den beiden Geräten gegenüber den Vorgängermodellen gleich geblieben. Beide lösen mit 300 ppi auf. Unterschiede gibt es aber bei der integrierten Beleuchtung. Beim Paperwhite kommen nun fünf statt vier LEDs zum Einsatz. In der 2018er Version wirkt das Licht - bei identen Einstellungen - etwas wärmer als beim Vorgängermodell.

Beim Tolino kommt erstmals eine smarte Beleuchtung zum Einsatz, die bislang Geräten der oberen Preisklasse vorenthalten war, etwa dem Tolino vision 4HD oder in der Amazon-Welt als "intelligentes Frontlicht" dem Oasis und dem mittlerweile eingestellten Voyage. Die Smartlight-Funktion gleicht die Farbtemperatur des Lichts an die Tageszeit an und beleuchtet den Bildschirm am Morgen kaltweiß und am Abend warmweiß. Alternativ dazu kann die Beleuchtung auch manuell gesteuert werden.

 

Der Paperwhite verfügt über eine solche Funktion nicht und fällt hier gegenüber dem Konkurrenten leicht zurück. Allerdings ist Display und Beleuchtung auch bei dem Amazon-Gerät durchaus überzeugend.

Bedienung

Die Bedienung erfolgt bei beiden Geräten - vom Ein- und Ausschalten abgesehen - ausschließlich über den kapazitiven Touchscreen und funktioniert weitgehend intuitiv. Auf Tasten oder andere Alternativen zum Weiterblättern, wie etwa die tap2flip-Funktion, wird bei den Mittelklassegräten im Gegensatz zu den teureren Spitzenmodellen Tolino Vision 4HD (tap2flip) und Kindle Oasis (physische Tasten) verzichtet.

Auch einen Home-Button - den das Vorgängermodell des Tolino noch aufwies - sucht man auf beiden Geräten vergebens. Das ist aber nicht weiter schlimm, das Navigieren durch die Inhalte funktioniert weitgehend problemlos.

Software

Beide Geräte verfügen über gängige E-Reader-Funktionen wie Notizen, Markierungen,  Wörterbücher, die teils nachträglich heruntergeladen werden können, oder Social-Media-Funktionen, mit denen sich Textausschnitte teilen lassen. Auch Browser sind bei beiden Readern integriert.

Was Zusatzfunktionen betrifft, kann die Amazon-Software punkten. Sie beinhaltet unter anderem WordWise, dass optional aktiviert werden kann und mit Worterklärungen beim Vokabellernen in fremdsprachigen Büchern hilft, einen Vokabeltrainer und das Referenz-Tool X-Ray, das etwa Charaktere oder Orte in Büchern statistisch aufschlüsselt.

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Amazon will mit Hörbüchern punkten

Beide Geräte bieten mindestens 8 GB Speicherplatz, was für E-Books eine ganze Menge ist und Platz für Tausende elektronische Bücher bietet. Amazon bietet den Paperwhite - genauso wie sein Spitzenmodell Oasis - aber auch in einer 32 GB Variante an. Das hat den Grund, dass der Händler Nutzer auch dazu verleiten will, Audiobooks am E-Reader zu hören. Dazu kann man über Bluetooth-Kopfhörer oder -Lautsprecher anschließen, Kopfhöreranschluss weist das Gerät keinen auf.

Allerdings können nur Hörbücher des hauseigenen Hörbuchdienstes Audible abgespielt werden, für den beim Einrichten des Gerätes auch ein Abo angeboten wird. Überhaupt ist der Dienst tief in die Geräte integriert. So kann man etwa nahtlos zwischen Text- und Audioversion wechseln, die die Lesepositionen über Text- und Audio-Version hinweg gespeichert und aufeinander abgestimmt werden. Audible-Hörbücher werden in Kombination mit E-Books bei Amazon auch vergünstigt abgegeben.

MP3s oder andere gängige Audioformate verweigert der Paperwhite allerdings. Die Fixierung auf das hauseigene Angebot mag zwar für Amazon plausibel sein, vielen Kunden dürfte das aber nicht unbedingt gefallen, da sich über Audible gekaufte Hörbücher auch nicht auf andere Geräte transferieren lassen.

Wasserfest

Amazon hat den Paperwhite in seiner jüngsten Version auch wasserfest gemacht. Entsprochen wird dabei der IPX8-Zertifizierung. Laut Amazon sollte das Gerät damit Eintauchen in Süßwasser für bis zu 60 Minuten in einer Tiefe bis zu zwei Metern standhalten. Der Kontakt mit Salzwasser, etwa am Strand, oder mit Badezusätzen in der Badewanne könnte dennoch zu Wasserschäden führen.

Die Akkuleistung wird von beiden Anbietern mit mehreren Wochen angegeben. Beim Test, der in einem kürzeren Zeitraum stattfand, konnte dies nicht überprüft werden. Zum Laden kommt sowohl beim Tolino als auch beim Kindle ein Micro-USB-Kabel zum Einsatz.

Frage der Einstellung

Tolino vs. Kindle ist aber nicht nur eine Frage der Qualtität der Geräte und der Software sondern auch eine der Einstellung. Denn die Modelle der Anbieter unterscheiden sich grundsätzlich. Während Amazon seit dem Start des Kindle seine Nutzer weitgehend in einem über die Jahre gewachsenen und durchaus komfortablem Ökosystem einsperrt und dabei bei E-Books auf das proprietäre azw-Format (eine hauseigne Spielart des mobi-Formats) setzt, ist Tolino vergleichsweise offen. Zum Einsatz kommt das epub-Format, Bücher können nicht nur bei einem Buchhändler gekauft werden, sondern bei mehreren. Bibliotheken können problemlos zusammengelegt werden. Auch das Ausleihen von E-Books aus öffentlichen Bibliotheken ist mittels Adobe ID mit dem dann kopiergeschützten epub-Format möglich.

Was das Angebot betrifft, sind die Unterschiede zumindest bei deutschsprachigen Titeln nicht sehr groß. Bei fremdsprachigen E-Books hat Amazon definitiv die Nase vorne.

Preislich liegen die beiden Geräte in etwa gleichauf. Der Tolino shine wird für 119 Euro angeboten. Auch der Kindle Paperwhite ist - Black Friday Rabatte ausgenommen - ebenso für knapp 120 Euro zu haben. Allerdings nur in einer Version mit Spezialangeboten, bei der Amazon Werbung am Sperrbildschirm ausspielt. Ohne Spezialangebote kommt die kleine 8GB Version auf 139 Euro, die 32 GB Version auf 179 Euro.

Fazit

Sowohl der Tolino shine 3 als auch der Kindle Paperwhite 2018 sind mehr als solide Mittelklassegeräte, an denen es wenig zu bekritteln gibt. Der Tolino shine 3 punktet mit seiner Smartlight-Funktion, die sonst teureren Geräte vorbehalten ist. Der Kindle Paperwhite ist erstmals auch wasserfest und bietet ebenfalls ein gutes Preis-Leistungsverhältnis. Für Leute, die schon das Vorgängermodell besitzen und ihren E-Reader nicht unter eine Wasserleitung halten oder kopiergeschützte Audiobooks damit hören wollen, wird sich ein Wechsel vermutlich nicht auszahlen, da Display und Beleuchtung bei dem Kindle-Gerät weitgehend ident geblieben sind.

Wer sich erstmals einen E-Reader kauft und zwischen Amazon und Tolino schwankt, sollte bedenken, dass das Ausleihen von E-Books aus öffentlichen Bibliotheken mit dem Kindle-Gerät nicht möglich ist und man beim Kauf von neuen Inhalten weitgehend an Amazon gebunden ist. Leute, die gerne fremdsprachige Bücher lesen und auch ihre Sprachkenntnisse verbessern wollen, finden wiederum beim Kindle Paperwhite bessere Unterstützung.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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