Kindle Colorsoft im Test: Bringt es Amazons Farb-Kindle?
Vor mittlerweile 17 Jahren ist die erste Version von Amazons E-Reader Kindle auf den Markt gekommen. Rund 30 unterschiedliche Kindles hat Amazon seitdem veröffentlicht, sie alle hatten eines gemeinsam: ein monochromes E-Ink-Display.
Das hat sich nun geändert. Mit dem Kindle Colorsoft präsentierte Amazon kürzlich seinen ersten E-Reader mit farbigem Display.
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Als Kindle-Nutzer der fast ersten Stunde (Bis vor 2 Jahren habe ich tatsächlich noch einen Kindle Keyboard aus 2010 verwendet) war ich gespannt darauf, was der erste Farb-Kindle kann. Und vor allem, ob sich der happige Aufpreis von über 100 Euro im Vergleich zum aktuell günstigsten Paperwhite tatsächlich lohnt. Darum habe ich den Kindle Colorsoft getestet.
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Grundsätzliches zu E-Ink-Displays
Um zuerst mal ein Missverständnis aus dem Weg zu räumen: Mit der Anzeigequalität eines Smartphones oder Tablets kann man das farbige E-Ink-Display nicht vergleichen. Das liegt daran, dass die Funktionsweise im Vergleich zu herkömmlichen Displays schlicht eine andere ist.
E-Ink-Displays arbeiten auf Basis von winzigen Kapseln. Durch unterschiedliche Spannung werden aus diesen Kapseln entweder schwarze oder weiße Teilchen an die Oberfläche gezogen. Sind sie einmal da, bleiben sie auch dort, bis wieder eine andere Spannung erzeugt wird. Das führt auch zu dem Effekt, dass E-Ink-Displays nur dann Strom verbrauchen, wenn sich der Displayinhalt ändert.
Um Farbe in das Ganze zu bekommen, wird ein RGB-Farbfilter darübergelegt. Amazon verwendet dazu die Kaleido-Technologie des Displayherstellers Eink. Wenn man ganz genau schaut, kann man diesen Filter auch sehen. Die linke Nahaufnahme zeigt den Kindle Colorsoft während die rechte den aktuellen, regulären Paperwhite zeigt.
links: © Thomas Prenner
rechts: © Thomas Prenner
Links das Display des Kindle Colorsoft, rechts das des aktuellen Paperwhite
Der Texthintergrund wirkt beim Farbdisplay rauer. So, als wäre der Text auf etwas gröberes Papier gedruckt, um bei der Tinten-Analogie zu bleiben. Das führt auch dazu, dass die simple Darstellung von schwarzem Text auf weißem Hintergrund auf dem monochromen Kindle eine Spur besser aussieht, wenn man sich darauf konzentriert.
Im Vergleich zu LCDs oder OLEDs sind die Farben bei dieser Technologie weniger knallig und intensiv. Dafür kann man die Anzeige auch bei strahlendem Sonnenschein ohne störende Spiegelungen genießen. Und natürlich ist die Akkulaufzeit viel länger als bei Smartphone oder Tablet.
Und wie sieht der Colorsoft nun aus?
Ganz so schön, wie gedruckte Fotos auf richtigem Papier (wie von Amazon behauptet) ist die Darstellung auf dem Colorsoft jedenfalls nicht. Für E-Ink-Displays ist sie aber durchaus hübsch. Die Farben sind dezent, aber nicht verfälscht. Ein leichter Gelbstich, wie ihn manche Nutzer schon bekrittelt haben, ist tatsächlich wahrnehmbar. Hätte man mich aber nicht darauf hingewiesen, dass mich das stören soll, wäre es mir nicht allzu negativ aufgefallen.
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Etwas schade ist die im Vergleich zu monochromen Darstellungen geringere Auflösung des Colorsoft. In Farbe schafft der E-Reader nur 150 PPI, bei Schwarz-Weiß-Darstellungen 300 PPI. Zum Vergleich: Selbst der Kindle der ersten Generation hatte 167 PPI zu bieten.
Auch wenn sich 150 PPI dramatisch liest: In der Praxis geht die Darstellung von Farbinhalten in Ordnung. Gerade bei Bildern und Fotos bringt die Farbe in der Wahrnehmung deutlich mehr, als durch die etwas geringere Schärfe und PPI-Zahl verloren geht.
Und was bringt das Farb-Display?
Unterm Strich sind es 3 Features, bei denen das Farbdisplay seinen Nutzen ausspielt:
- Farbige Buchcover und Illustrationen in Büchern
- Farbige Darstellung von Comics und Magazinen
- Farbige Markierungen
Das Farbdisplay macht alleine dann schon etwas her, wenn man nur auf seinem Startbildschirm ist. Die Cover nicht nur in monochrom zu sehen, lädt viel mehr zum Lesen ein.
Noch präsenter sind die Vorteile natürlich bei Comics und Magazinen. Wobei gerade bei ersterem ist das Erlebnis auch mit dem Farb-Kindle nicht optimal. Comics leben von satten Farben und satt sind sie beim Colorsoft nicht. Außerdem ist das Display für die meisten Comics zu klein, um sie ohne Vergrößerung und Pinch-To-Zoom zu lesen. Und genau das ist auf dem E-Ink-Display immer noch zu langsam, um wirkliche Freude daran zu haben. Wer gerne und viel E-Comics liest, sollte lieber zu einem konventionellen Tablet mit LC-Display oder OLED greifen.
Ein Vorteil des Farb-Displays: Markierung sind in Farbe möglich. Wenn man in Büchern etwas markiert, ist es am Farb-Kindle standardmäßig gelb. Wahlweise kann man die Stellen danach in Rosa, Blau oder Orange umfärben.
Der Kindle merkt sich die zuletzt gewählte Farbe und macht darauffolgende Markierungen ebenfalls in jener. Bis man eben wieder auf eine andere umstellt.
Amazon im Fokus
Wie bei allen E-Readern des Versandhändlers ist der hauseigene E-Book-Store freilich standardmäßig das Zentrum des Bücherbeschaffens. Wer zur Flatrate lesen möchte, kann um 11,75 Euro pro Monat (Probemonat kostenlos) Kindle Unlimited abonnieren. Wirklich abholen konnte mich dieses Angebot jedoch nie.
DRM-freie E-Books kann man sich als epub-Files via E-Mail auf den Kindle schicken. Das funktioniert in der Regel problemlos.
Bedienung, Licht, Akku
Was man dem neuen Kindle jedenfalls nicht absprechen kann, ist die Geschwindigkeit. E-Ink-Displays sind für ihre Behäbigkeit berüchtigt. Der Colorsoft ist der schnellste Kindle, den ich bislang verwendet habe. Selbst der interne Browser lässt sich einigermaßen gut bedienen, ohne die Nerven wegzuschmeißen. Keine Selbstverständlichkeit bei Kindles.
Problemlos funktioniert auch die automatische Helligkeitseinstellung des Frontlichts. Man schaltet einmal auf Automatik und muss sich nicht mehr darum kümmern. Ebenfalls positiv ist die Widerstandsfähigkeit gegenüber Flüssigkeiten. Wer gerne in der Badewanne oder im Sommer am Pool liest, muss sich nicht vor einem Wasserschaden sorgen: Der Colorsoft ist wasserfest.
Die Akkulaufzeit des Colorsoft ist Kindle-gewohnt gut, wenn auch geringer als ich es von meinem Paperwhite gewohnt bin. Allgemeine Aussagen zur Laufzeit zu machen, ist kaum möglich, da es viel zu sehr von der individuellen Nutzung abhängt. Viel öfter als alle 3 Wochen wird den Kindle jemand mit durchschnittlichem Leseverhalten (1-2 Stunden täglich) aber nicht laden müssen.
Fazit
Der Farb-Kindle ist definitiv etwas, das überfällig war. Und dennoch: In meiner alltäglichen Nutzung des E-Readers hat das Farb-Display nicht maßgeblich etwas verändert. Vielmehr reiht sich der Colorsoft bei mir in die lange Liste an Dingen ein, die man zwar eigentlich nicht braucht, aber doch haben möchte.
Sind wir uns ehrlich: Ob man jetzt die Cover monochrom oder in Farbe sieht, ist egal. Gleiches gilt für Darstellungen in Büchern. Bleiben noch die unterschiedlich farbige Markierungen. Die gehen monochrom natürlich nicht. Als “Killer-Feature” gehen sie, zumindest für mich, allerdings nicht durch.
Kommen wir zu den Comics. Hier ist Farbe zwar essenziell, diese würde ich aber weiterhin eher auf einem gewöhnlichen Tablet lesen. Die Touch-Navigation auf dem Colorsoft ist für einen Kindle zwar schnell, das Lesen von Comics mit Pinch-to-Zoom macht auf Dauer aber keinen Spaß.
Pro und Contra
Pro
- Farbe kann einfach was
- Schnelle und flüssige Bedienung
- Wasserdicht
Contra
- Teuer
- Für Comics nur mittelmäßig geeignet
- Darstellung von schwarzem Text auf weißem Hintergrund auf monochromen Kindle immer noch schöner
Obwohl der praktische Nutzen des Farbdisplays überschaubar ist, würde ich bei der Wahl zwischen dem monochromen und dem Farb-Kindle dennoch immer zur Farbe greifen. Wäre da nicht das eine Problem: der Preis. Im Vergleich zum aktuellen regulären Paperwhite (171 Euro bei Amazon) kostet der Colorsoft mit 292 Euro bei Amazon über 120 Euro mehr. Das ist viel für ein Feature, das in den meisten Fällen lediglich einen optischen Mehrwert bringt.
Würde der Farb-Kindle 30 Euro mehr als der normale Paperwhite kosten, wäre es ein No-Brainer. Beim tatsächlichen Aufpreis muss man sich gut überlegen, ob man das Geld nicht lieber in Inhalte investieren möchte.
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