Apollo App auf iPhone an Brust gehalten

Apollo App auf iPhone an Brust gehalten 

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Im Test: Diese iPhone-App soll Stress weg vibrieren

Um die Apollo Neuro App zu nutzen, muss das iPhone flach auf die Brust gelegt werden. Man kann zwischen verschiedenen "Vibes" wählen.

Herzrasen, Konzentrationsprobleme oder Gereiztheit - All das können Symptome von Stress sein. Es sind Gefühle, die in einer Welt voller Ablenkungen, Neuigkeiten und Erwartungen, wohl viele kennen.

Wie schön wäre es deshalb, wenn man diese unangenehmen Begleiterscheinungen eines aufregenden Berufs- und Privatlebens einfach auflösen könnte. Genau das soll die App Apollo Neuro bewirken, und zwar mithilfe von Vibrationen. Indem man das Smartphone auf die Brust legt, soll der Vagus-Nerv stimuliert werden. Das soll unter anderem das Gefühl von Stress reduzieren. Ich wollte selbst spüren, was dahintersteckt. 

Wer steckt hinter Apollo Neuro? 

Hinter dem US-amerikanischen Unternehmen Apollo Neuro steckt der Neurowissenschaftler und Psychiater David Rabin, der sich auf psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angstzustände und posttraumatische Belastungsstörungen spezialisiert hat. Laut eigenen Angaben hat er die Auswirkungen von chronischem Stress 15 Jahre lang untersucht. 

Seit 2020 verkauft das von ihm gegründete Unternehmen Wearables, die mithilfe von Vibrationen dafür sorgen sollen, dass sich unser Körper entspannt. „Andere Wearables tracken deinen Körper – Apollo ist das erste, das ihn verändert“, so die Werbebotschaft des Unternehmens.

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Was ist Apollo Neuro?

Die Vibrationen sollen helfen, besser zu schlafen, die Konzentration zu steigern und sogar Traumata zu lindern. Eine gewagte These, wie ich finde. In diesem Artikel soll es aber nicht um die Wearables selbst, sondern um die Apollo Sessions gehen. Damit stellt das Unternehmen die Vibrationen auch für jene Menschen zur Verfügung, die keine Wearables, dafür aber ein iPhone besitzen. 

Das Vibrations-Feature ist nur in der iOS-App und erst seit diesem Jahr verfügbar. Es ist auch nicht billig: 100 Euro werden für ein Jahresabo fällig, wenn man sich vollumfänglich stressfrei vibrieren lassen möchte. Man kann es allerdings im Rahmen eines 7-tägigen Gratiszeitraums ausprobieren. Und auch danach hat man kostenfrei noch Zugriff auf 2 von 6 Vibrations-Sessions. Dabei kann man die Dauer (2-5 Minuten) und Intensität einer Session eingestellen. 

Ein Grund für den Zeitpunkt der Veröffentlichung der kostenlosen Version könnte sein, dass das Unternehmen derzeit eine Kickstarter-Kampagne für eine neue Version der Wearables durchführt.

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Wie funktioniert Apollo Sessions? 

Hinter der Technologie soll ein wissenschaftlich fundiertes Konzept stehen. Auf der Unternehmensseite findet sich eine Übersicht von Studien, die von Universitäten wie der University of Pittsburgh durchgeführt wurden. Dabei handelt es sich aber nur um Studien zu den Wearables, die aber die gleichen Vibrationsmuster verwenden sollen, wie sdie App.

Das Unternehmen erklärt den Effekt der Vibration so: Die Vibration nutzt den menschlichen Berührungssinn, um den Vagus-Nerv zu stimulieren. Am bekanntesten ist der Nerv für seine Rolle im parasympathischen Nervensystem, das Zustände wie Wachheit und Entspannung steuert. Schnellere Vibrationen sollen helfen, Energie und Konzentration zu verbessern, während langsamere für Entspannung sorgen sollen. 

Laut dem Unternehmen wurden bis jetzt 16 klinische Studien durchgeführt. Dabei sollen im Durchschnitt folgende Verbesserungen festgestellt worden sein: Das Stresslevel könne um 40 Prozent gesenkt werden, der Anteil des Tiefschlafs soll bei den Probanden um bis zu 19 Prozent verlängert worden sein und der Fokus sowie die Konzentration verbesserten sich laut dem Unternehmen um rund 25 Prozent.

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Skepsis und Schäden

Insgesamt haben rund 1.700 Personen an den Studien teilgenommen, heißt es. Der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter ist dennoch skeptisch. Er sagt, dass man bei solchen Studien Tausende Fragen beachten müsse und die Ergebnisse nicht eins zu eins auf alle Menschen übertragbar sind. 

„Es ist für mich neu, dass Vibration hilft, Stress zu reduzieren. Gerade mechanische Schwingungen und Vibration werden eher mit unangenehmen Effekten in Verbindung gebracht”, so der Umweltmediziner. Hutter gibt jedenfalls Entwarnung in Bezug auf Schäden, die mit diesem Experiment einhergehen könnten: „Kurzfristig sehe ich da kein Problem, wenn man das Handy kurz zum Herzen hält. Ein Problem könnte es bei Menschen mit Herz-Schrittmachern geben. Da würde ich vorsichtig sein, obwohl sich auch diese Technik weiterentwickelt hat." 

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Der Test

Trotz meiner Voreingenommenheit habe ich mich bemüht, der Vibrations-App eine ehrliche Chance zu geben. Dafür habe ich die Apollo Neuro über einen Zeitraum von 2 Wochen in unregelmäßigen Abständen getestet. Denn es gibt nicht wirklich eine Empfehlung seitens des Unternehmens, wie man die besten Ergebnisse erzielt. 

Was empfohlen wird ist: Das iPhone auf Flugmodus oder nicht stören stellen. Einen von 6 verschiedenen "Vibes" auswählen und das vibrierende Smartphone mindestens für 2 Minuten flach auf meine Brust legen. Außerdem wird betont, dass sich die Vibrationen nicht unangenehm anfühlen sollen. Deshalb habe ich alle Vibes bei einer Intensität von 50 Prozent und einer Dauer von 2 Minuten getestet.

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Die Vibes im Überblick

Relax: Dieser Vibe arbeitet mit sehr leichten Vibrationen, die langsamer sind und weiter auseinanderliegen. Zwischen den Vibrationen gibt es also eine kurze, aber regelmäßige Pause. Diesen Vibe habe ich als nicht störend empfunden und danach fühlte ich mich tatsächlich entspannter. Das kann aber auch daran liegen, dass ich die Session am Ende meiner Arbeitstage durchgeführt habe. 

Refresh: Hier sind die Vibrationen eindeutig anders. Sie fallen stärker und länger im Vergleich zu Relax aus. Diese Session habe ich während einer kurzen Pause in der Arbeit genutzt, in der Hoffnung, dass ich mich erfrischt fühle. Wenn ich aber ehrlich zu mir selbst bin, habe ich dieses Gefühl nicht wirklich wahrgenommen. Stattdessen hat mein Arm gekribbelt, was ich nicht unbedingt als angenehm empfand. 

Hug: Die Vibrationen dieser Session sollen sich wie eine Umarmung anfühlen. Hierbei handelt es sich um eine gleichmäßige Vibration, die im Vergleich zu den anderen Sessions mittellang dauert. Obwohl die Intensität auch auf 50 Prozent eingestellt war, sind mir die Vibrationen stärker vorgekommen. Eine echte Umarmung fühlt sich auf jeden Fall angenehmer an. Sonst konnte ich keine Effekte wahrnehmen. 

Espresso Shot: Wie der Name verrät, soll diese Session Müdigkeit reduzieren. Ich habe sie in Situationen verwendet, in denen ich mich erschöpft gefühlt habe. Die Vibrationen hier sind kaum spürbar, aber wenn man genau darauf achtet, nimmt man leichte und schnell pulsierende Vibrationen wahr. Für diesen Test musste ich mich also konzentrieren, was den erzielten Effekten wahrscheinlich etwas im Weg stand. Grundsätzlich war die Session nicht unangenehm, aber einen Kaffee habe ich in diesen Situationen trotzdem benötigt. 

Let’s Go: Konzentrieren musste ich mich auch bei dieser Session, da die Vibrationen nur ganz sanft waren. Das hat unter anderem dazu geführt, dass ich immer wieder meinen Kopf senken musste, um zu schauen, ob die Session schon vorbei ist. Es gibt angenehmeres. 

Good Vibes: Bei dieser Session werden lange, leichte Vibrationen genutzt, die einigermaßen angenehm waren. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich unbewusst ein Tool anwende, das mir sonst gegen Stress hilft. Ohne es zu merken, habe ich meinen Atem an die Geschwindigkeit der Vibrationen angepasst und das hilft mir tatsächlich entspannter zu werden. 

Mein Fazit 

Meinem subjektiven Empfinden zufolge habe ich mich kaum entspannter, fitter oder konzentrierter gefühlt. Das Kribbeln in der Hand, mit der ich das Handy gehalten habe, hatte ich häufiger. Das empfand ich als unangenehm. Genauso wie die Tatsache, dass ich immer wieder auf das Handy schauen musste, um zu checken, ob die Session schon vorbei ist. 

Eine Herausforderung war auch, die App in meinen Alltag einzubauen. Ich habe mir dafür Erinnerungen in regelmäßigen Abständen gestellt. Doch in einem Meeting oder in der U-Bahn wollte ich nicht unbedingt mein Handy auf die Brust legen. Das hat dann wieder zu Stress geführt, da ich die Session irgendwann nachholen musste. 

Positiv wahrgenommen habe ich allerdings, dass ich durch den Fokus auf die Entspannung versucht habe, bewusster zu atmen. Das hilft bei Stress, zumindest bei mir. Außerdem hat mich der Test darauf aufmerksam gemacht, meinen Anti-Stress-Tools, wie Sport oder Duschen, mehr Raum zu geben. Zu dieser Erkenntnis kommt man wahrscheinlich auch ohne die App. In Bezug auf den Vagus-Nerv sollte man laut Hutter gerade in stressigen Phasen ein Gleichgewicht zwischen Beruhigung und Aktivierung schaffen. 

„Wenn ich besonders viel Stress im Alltag habe, sollte ich erst recht Ruhepausen idealerweise ohne digitale Ablenkung einlegen. Wichtig wäre, dass man Entspannungsübungen macht, um sich aus dem Alltagsstress zurückzuziehen. Und hier ist auch wichtig, dass es sich um eine richtige Auszeit handelt, also dass man versucht, sich den äußeren Reizen zu entziehen. Das ist schwierig genug", sagt der Mediziner. Diesen Tipp nehme ich mir gerne zu Herzen. 

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Sandra Czadul

Begeistert von Wissenschaft und stets auf der Suche nach Ideen, die uns voranbringen.

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