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Meinung

Der Ekel vor dem Laborfleisch

Ein Steak künstlich herzustellen ist kompliziert - das abgebildete ist nicht im Labor entstanden

Das Steak aus dem Bio-3D-Drucker gibt es noch gar nicht. Aber in Italien wird es vorsorglich schon einmal verboten: Lebensmittel, die aus einer Zellkultur stammen, sollen dort in Zukunft weder erzeugt noch verkauft noch importiert werden, beschloss die Regierung in Rom.

Daraufhin zeigte sich wieder einmal, wie emotional dieses Thema besetzt ist – nicht nur in Italien, einem Land, in dem Essen und Trinken vielleicht generell eine besonders wichtige Rolle spielt, sondern auch in Österreich und Deutschland: Als „Labor-Dreck“, als „ekliges, gepanschtes Zeug“ wurde künstliches Fleisch beschimpft. Es ist natürlich jedem unbenommen, sich vor bestimmten Lebensmitteln zu ekeln – aber ein persönliches Ekel-Gefühl als Grund für ein Verbot zu sehen, ist irrational.

Pflanzlicher und tierischer Fleischersatz

Es gibt ganz unterschiedliche Arten von Fleischersatz: Längst findet man in den Supermarktregalen eine breite Palette an pflanzlichen Fleisch-Alternativen, etwa auf Pilz- oder Linsenbasis. Mit verfahrenstechnischem Geschick kann man aus pflanzlichen Proteinen etwas machen, was sich braten oder grillen lässt. Aber darum geht es nicht: Seit Jahren versucht man, einen Schritt weiterzugehen und tierische Zellen im Labor zu kultivieren. Die Idee ist, nur die Muskelzellen herzustellen, die man essen möchte, ohne ein ganzes lebendiges Tier rundherum mit erzeugen zu müssen.

Für die Umwelt könnte das ein großer Schritt nach vorne sein: Tierhaltung ist extrem ressourcenintensiv, nimmt große Flächen in Anspruch und schadet dem Klima. Dazu kommt natürlich auch das Tierleid, das heute in der Massenproduktion von Fleisch verursacht wird. Ein Zellhaufen im Labor kann nicht leiden – ihn kann man ohne schlechtes Gewissen essen.

In Singapur kann man bereits künstliches Hühnerfleisch kaufen – wenn auch vorerst nur in geringen Mengen, im Spezialrestaurant. In den USA wurde diese Art von künstlichem Fleisch nun von der Gesundheitsbehörde FDA zugelassen und als unbedenklich eingestuft.

Trotz dieser Fortschritte wird man unser gewohntes Fleisch in absehbarer Zeit nicht ganz ersetzen können: Eine Alternative für Faschiertes mag technisch verhältnismäßig leicht zu erzeugen sein, da dürfen die einzelnen Fleischstückchen sehr klein sein. Viel komplizierter ist es, ein künstliches Steak herzustellen. Dafür müsste man einen ganzen Muskel wachsen lassen, mit Muskelfasern, Fett und Blutgefäßen. Oder man müsste eine Methode finden, in einem Bio-3D-Drucker unterschiedliche Zelltypen auf die richtige Weise zusammenzufügen. Davon ist man technisch heute noch weit entfernt.

Es gibt noch andere Probleme: Bei Experimenten mit künstlichem Rindfleisch wurden bisher Zellen von Rinderföten entnommen – das ist natürlich keine nachhaltige Alternative zur Tierzucht. Die Verfahren sind noch längst nicht ausgereift und daher auch nicht so ressourceneffizient, wie man sich das wünschen würde. Außerdem muss man natürlich (wie bei jeder neuen Technologie) genau studieren, ob es tatsächlich keine versteckten Gefahren gibt, die man bisher vielleicht übersehen hat.

Doch prinzipiell spricht nichts dagegen, dass sich diese Herausforderungen meistern lassen. Warum soll künstliches Fleisch dann nicht eines Tages sogar besser schmecken und gesünder sein als herkömmliche Tierstücke? Man könnte auf problematische Antibiotika verzichten, man könnte die Menge an Fett und anderen Inhaltsstoffen nach Belieben anpassen. Vielleicht kann man sich in ein paar Jahrzehnten gar nicht mehr vorstellen, natürlich gewachsenes Tierfleisch zu essen, mit Sehnen, Fetträndern und Knochensplittern?

Ekel ist kein Argument

Das Argument „Laborfleisch ist einfach eklig“ sollten wir jedenfalls nicht gelten lassen. Wer kein Laborfleisch haben möchte, muss keines essen. Man kann eine Kennzeichnungspflicht einführen, für alle Produkte aus Zellkulturen. Aber ein Verbot aus Ekelgründen ist völlig irrational. 

Ekel ist nämlich keine naturgegebene Tatsache, sondern ein Gefühl, das wir uns in einem bestimmten sozialen Umfeld antrainieren. Das zeigt sich auch schon in der merkwürdigen Auswahl der Tiere, die als essbar gelten: Schweine essen ist für uns völlig normal – Hunde, Ratten oder Würmer zu essen ist hingegen eklig. Dafür gibt es keinen wissenschaftlichen Grund, es ist eine völlig willkürliche Unterscheidung, die es nur in unserem Kopf gibt.

Wir bringen Drüsensekret von Säugetieren mit Hilfe von Enzymen aus Tiermägen zum Stocken, lassen das Ergebnis verschimmeln und nennen das Resultat dann „Käse“. Dagegen hat niemand etwas. Aber Zellgewebe, das auf ressourcensparende, umweltschonende, saubere und präzise kontrollierte Weise im Labor hergestellt wurde, soll verboten werden, weil es eklig ist?

Schon der Begriff „Laborfleisch“ ist eigentlich problematisch. Es handelt sich um Nahrung, die in industriellen Containern erzeugt und chemisch überwacht wird. Das ist aber beim Bierbrauen ebenso der Fall – und niemand würde Bier mit technikfeindlichem Ekel im Bauch als „Laborgetränk“ bezeichnen.

Es ist völlig verständlich, wenn ein Land wie Italien seine Esskultur bewahren möchte und traditionelle Lebensmittelproduktion pflegt. Das heißt aber nicht, dass man nicht gleichzeitig auch etwas Neues ausprobieren kann. Wenn es gesund ist, gut schmeckt, und auch noch die Umwelt schont, dann möchte ich es bitte essen dürfen. Mahlzeit!

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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