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Wie Europa mit Satelliten gegen die Luftverschmutzung kämpft

Seit den 1960er-Jahren haben Satelliten unsere Erde im Blick. Mit dem Beobachtungsprogramm Copernicus, das seit 2014 über eigene Satelliten verfügt, hat Europa eine neue Ära eingeläutet. Hochpräzise Instrumente vermessen seitdem in Kombination mit unzähligen Sensoren in der Atmosphäre, im Wasser und auf dem Land den Planeten. Sie schlagen Alarm, wenn das Wetter verrücktspielt, die Luftverschmutzung gefährliche Werte erreicht oder das Eis der Polarkappen in dramatischer Geschwindigkeit schmilzt.

Neues Zeitalter der Erdbeobachtung

16 Terabyte an Daten werden dabei von den derzeit im Betrieb befindlichen sieben Sentinel-Satelliten pro Tag gesammelt und anschließend Wissenschaftlern, aber auch Firmen und Bürgern frei zur Verfügung gestellt. Neben dem Sentinel-Programm, das dezidiert für Copernicus entwickelt wurde, greift das Netzwerk auf zahlreiche weitere Satelliten- und Sensormessungen von Partnern zu und führt diese auf der Plattform zusammen.

Durch die Verknüpfung der Daten sollen komplexe Vorgänge in der Erd-Atmosphäre, aber auch Klima- und Wetterphänomene besser verstanden werden. „Lange Zeit fand die Forschung nur in abgegrenzten Bereichen statt. Man untersuchte die Ozeane, die Atmosphäre, die Eisbildung an den Polen und andere Parameter unserer Erde. Um Wetter- und Klimaphänomene besser zu verstehen, bringt einen diese isolierte Betrachtungsweise aber nur bedingt weiter“, erklärt Jean-Noël Thépaut, Leiter der Copernicus-Klimaforschung.

Langfristige Wettervorhersage

Die Copernicus-Plattform, wo all diese Daten zusammenfließen, biete in Kombination mit der gestiegenen Rechenleistung von Computersystemen, aber auch durch Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz, völlig neue Möglichkeiten. Künftig könnten dadurch auch längerfristige Wettervorhersagen weit über eine Woche hinaus realisiert werden, sind die Copernicus-Verantwortlichen überzeugt.

Klima und Wetterphänomene sind aber nur ein Bereich, in dem Copernicus Forschern und Behörden wertvolles Datenmaterial und Werkzeuge zur Verfügung stellt. So wird das Satellitenprogramm auch gezielt im Kampf gegen die Luftverschmutzung eingesetzt werden. „Von den 7,7 Milliarden Erdenbewohnern leben bereits über die Hälfte in Städten. Sieben Millionen sterben Jahr für Jahr an den Folgen von Luftverschmutzung“, sagt Diego Loyola vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Diego Loyola

Luftverschmutzung senkt Lebenserwartung

„Selbst in Europa ist die Lebenserwartung laut WHO um zwei bis 24 Monate geringer als sie mit sauberer Luft wäre. Detaillierte Messungen und Satellitenbilder zeigen uns heute nicht nur ganz genau, wo die Belastung gerade hoch ist, sondern wo die Quelle der Verschmutzung liegt und vor allem, wie sich die Schadstoff-Wolken von dort aus verbreiten“, sagt Loyola im Gespräch mit der futurezone.

Mit dem Launch des Sentinel-4-Satelliten im Jahr 2022, der sich auf Messungen in Europa konzentriert, könne man Entwicklungen praktisch in Echtzeit verfolgen und die Bevölkerung vor dem Aufenthalt im Freien in bestimmten Regionen, Stadtteilen und zu bestimmten Zeiten vorwarnen. Neben dem Straßenverkehr und der Industrie zählen etwa auch Schiffe zu den enormen Luftverpestern. Die von Copernicus zur Verfügung gestellten Karten zeigen hohe Belastungen an der englischen, deutschen, aber auch dänischen Küste.

„Künftig werden Warnungen hinsichtlich der Belastung durch Stickstoffdioxid, NO2, Schwefeldioxid, SO2, aber auch von bodennahem Ozon einfach Teil des täglichen Wetterberichts sein. Ähnliches gilt natürlich auch für Messungen im Rahmen von Waldbränden und anderen Naturkatastrophen“, erklärt Loyola. Mit den frei verfügbaren und aufbereiteten Copernicus-Daten sollen politische Entscheidungsträger und Behörden eine fundierte Fakten-Basis für Umweltschutz- und Klimaschutz-Maßnahmen erhalten.

Klimawandel Bürgern näher bringen

In Zukunft will das europäische Beobachtungsprogramm noch näher an die Bürger heranrücken. Zu diesem Zweck wird auch verstärkt die Zusammenarbeit mit Firmen und Start-ups gesucht, welche die vorhandenen Daten in spannende Apps gießen bzw. für eigene Dienstleistungen verwerten sollen. Visuell aufbereitete Datenreihen, die etwa die Temperaturentwicklung oder auch den Niederschlag in einer Region über Jahrzehnte zeigen, sollen dabei helfen, den Klimawandel greifbarer zu machen.

Monatliche Klima-Bulletins zur Entwicklung der globalen Temperatur, dem Zustand des Meereseises sowie hydrologischen Variablen wie Luft- und Bodenfeuchtigkeit stellt Copernicus auf der eigenen Webseite zur Verfügung. Mit dem „European State of the Climate“ liefern die Forscher zudem einmal im Jahr einen umfassenden Klima-Jahresbericht aus europäischer Sicht ab. Sämtliche gesammelte Daten können wiederum über den „Climate Data Store“ bezogen werden.“

Daten als Basis für Klimastrategie

„Neben den notwendigen Maßnahmen gegen den Klimawandel, die von den verschiedenen Ländern gemeinsam beschlossen und umgesetzt werden müssen, wird es gerade in den kommenden Jahren auch darum gehen, dass wir uns an die veränderten Bedingungen bestmöglich anpassen können“, erklärt die Copernicus-Klimaexpertin Freja Vamborg. Das könne man aber nur, wenn man über entsprechendes Datenmaterial verfüge.

„Genaue Messungen sind letztlich dann auch wieder wichtig, um später überprüfen zu können, ob die durchgeführten Maßnahmen auch tatsächlich zum erwarteten Effekt führten. Auf Basis solcher Fakten kann die etwaige Strategie dann wieder optimiert oder angepasst werden“, sagt Vamborg.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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