Eine Person mit Kopfhörern hält einen silbernen Regenschirm in einer städtischen Umgebung.

Wenn es in der Sonne zu heiß ist, spannen wir einen Sonnenschirm auf: Warum also nicht gleich einen Sonnenschirm für die gesamte Erde bauen?

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Meinung

Geoengineering: Jetzt mach doch mal die Sonne aus!

Wenn es in der Sonne zu heiß ist, spannen wir einen Sonnenschirm auf: Warum also nicht gleich einen Sonnenschirm für die gesamte Erde bauen?

Es klingt nach Science-Fiction, wird aber nun wieder vermehrt diskutiert: Können wir den Klimawandel stoppen, indem wir einfach ein bisschen Sonnenlicht abblocken? Wenn es mir am Strand zu heiß wird, versuche ich schließlich auch nicht, Kohlendioxid zu reduzieren, sondern ich spanne einen Sonnenschirm auf!

Die Idee gibt es schon lange. Man bezeichnet das als „Solar Radiation Modification“ (SRM). Ernsthaft eingesetzt hat man das noch nie, aber man kann trotzdem Geld damit verdienen: In Großbritannien finanziert die Forschungsförderungsagentur ARIA solche Klimakühlungsprojekte, auch in den USA gibt es Organisationen, die Millionen in die Entwicklung von Sonnenstrahlung-Abschwächungsideen investieren.

Weltraumspiegel und künstliche Vulkane

Unterschiedliche Varianten von SRM wurden bereits vorgeschlagen: Man könnte zum Beispiel einen gewaltigen Spiegel im Weltraum positionieren, der einen Teil der Sonnenstrahlung abblockt. Man könnte aber auch kleine Partikel in der Stratosphäre verteilen, die einen Teil des Sonnenlichts reflektieren – ähnlich wie die Aschepartikel nach einem gewaltigen Vulkanausbruch, die manchmal monatelang eine messbare Auswirkung auf das Weltklima haben.

Das amerikanisch-israelische Start-up-Unternehmen Stardust möchte spezielle Sonnenreflektor-Partikel entwickeln und in der Atmosphäre verteilen, gleichzeitig bemüht man sich intensiv um Lobbyarbeit, um gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die solche Projekte auch profitabel machen.

Das klingt doch eigentlich gut! Ist das nicht die Technologieoffenheit, von der alle reden? Wenn es mühsam ist, den CO2-Ausstoß zu bremsen, dann bremsen wir doch einfach die Sonne! Problem gelöst! Abnehmen kann ich ja auch, indem ich weniger esse, wenn mir Sport machen zu anstrengend ist.

Nein, so funktioniert das leider nicht. Weltraumspiegel sind fehleranfällig, in der Atmosphäre ausgebrachte Partikel können unabsehbare ökologische Nebenwirkungen haben – aber vor allem: Selbst wenn wir all das ignorieren, wird durch SRM das Problem nicht gelöst.

Es ist komplizierter

Beim Klimawandel geht es nicht nur um die globale Durchschnittstemperatur. Es geht um eine lange Liste von Effekten, die teilweise nur lokal wirksam werden. An manchen Stellen regnet es mehr, anderswo weniger, wieder anderswo ändern sich Meeresströmungen. All das kann massive Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt haben – und zwar auf einer Zeitskala von Jahrzehnten, viel schneller als sich die Ökosysteme daran anpassen können. Diese Änderungen geschehen bereits – SRM kann sie nicht ungeschehen machen, sondern nur ihren Verlauf verändern, und niemand kann wirklich sagen, was die Folgen wären.

Eines der größten Probleme beim Klimawandel ist die Übersäuerung der Meere: Mehr CO2 in der Atmosphäre bedeutet mehr Kohlensäure im Wasser. Das ist katastrophal für Meerestiere mit Kalkschale wie Muscheln und Schnecken, es zerstört Korallenriffe und damit wird das gesamte marine Ökosystem durcheinandergebracht. SRM-Techniken würden daran absolut nichts ändern. Im Gegenteil: Bestehende Anstrengungen, den CO2-Ausstoß zu verhindern, würden dann wahrscheinlich gebremst werden, damit würde der CO2-Anteil weiter steigen, die Meere würden noch schneller übersäuern.

Die Lösung hätten wir – es geht um Politik

Doch selbst, wenn man all das außer Acht lässt: SRM ist eine technische Lösung – und technische Lösungen sind nicht das Problem. Wir haben sie bereits. Wir wüssten ja, was zu tun ist: Energiewende, Mobilitätswende, Industriewende. Wir kriegen es nur nicht hin, uns politisch darauf zu einigen, wie wir diese Konzepte umsetzen können.

Große SRM-Aktionen wären genauso weltumspannende Projekte wie der Klimaschutz, den wir schon heute in Weltklimakonferenzen nicht richtig zum Laufen bringen. Wieso sollte es einfacher sein, sich auf ein globales Programm zur Sonnenstrahlen-Abblockung zu einigen, als auf globale Dekarbonisierung?

SRM ist politisch sogar noch komplizierter: Was ist, wenn ein Land lokal vom Klimawandel profitiert und sich gegen die Maßnahmen stellt? Was ist, wenn die Maßnahmen zwar helfen, aber für eine bestimmte Weltregion ungünstig sind, weil dort dann plötzlich der Regen ausbleibt? Wer zahlt dann den Schaden? Versicherungen? Internationale Ausgleichszahlungen? Wir handeln uns hier Probleme ein, im Vergleich zu denen heutige Klimaverhandlungen harmlos und einfach wirken.

Es mag durchaus sinnvoll sein, solche Fragen zu erforschen – es könnte passieren, dass wir eines Tages bestimmte Formen von Geoengineering tatsächlich brauchen, trotz all seiner Nachteile. Aber wenn Geoengineering-Start-ups gegründet werden, Venture-Kapital sammeln und politisches Lobbying betreiben, dann sollte man vorsichtig werden: Hier versucht nicht jemand, das Klima zu retten, hier versucht jemand, mit der Klimakrise Geld zu machen.

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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