Müll im All soll reduziert werden

Holz-Satelliten sollen für Ordnung im All sorgen

© dottedhippo/istockphoto.com/futurezone

Science

Wie Satelliten aus Holz die Gefahr von Weltraumtrümmern reduzieren

Ausgediente Satelliten, Raketenteile und andere Bruchstücke schwirren in großen Mengen durchs All. Laut der Europäischen Weltraumagentur ESA befinden sich mehr als 1,2 Millionen Objekte in der Erdumlaufbahn.

Selbst die kleinsten Fragmente davon können gefährlich werden. Das zeigte erst kürzlich ein Zwischenfall mit dem chinesischen Raumschiff Shenzhou 20, dessen 3-köpfige Besatzung nach dem Einschlag winziger Partikel eine Zeit lang im All festsaß. Laut Informationen der chinesischen Raumfahrtbehörde entstanden durch die Kollision sogar Risse im Fenster der Raumkapsel. 

Doch nicht nur Raumfahrzeuge sind von Weltraumschrott betroffen: Eine Studie der University of British Columbia schätzt, dass jedes Jahr eine 26-prozentige Chance besteht, dass der Müll in stark beflogene Flugrouten eindringt. Ein solcher Vorfall könnte massive Auswirkungen auf den globalen Flugverkehr haben. 

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Umweltschutz wichtiger

Gleichzeitig wächst die Satellitenindustrie rasant: Bis 2030 sollen Zehntausende neue Satelliten ins All geschossen werden. Damit wird auch der Umweltschutz in der Raumfahrt immer relevanter. Diesem widmet sich das Projekt Green Low-Earth Orbit Woodcraft (GLOW). Ziel ist die Entwicklung von Holz-Satelliten, die eine umweltfreundliche Option zu den herkömmlichen Aluminiumkonstruktionen bieten sollen.

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Technisch modifizierte Holzmaterialien für den Satellitenbau.
 

Denn beim Wiedereintritt alter Satelliten entstehen durch Aluminiumlegierungen Millionen winziger Aluminiumoxid-Partikel, die wiederum die Atmosphäre beeinflussen können. Die langfristigen Auswirkungen sind laut der Weltraumforscherin Johanna Fries vom Forschungsunternehmen FOTEC bislang unbekannt. „Vor 10, 20 Jahren gab es noch nicht so viele Satelliten im All wie heute“, sagt sie im futurezone-Interview und damit auch weit weniger Wiedereintritte.

Gemeinsam mit der Forschungseinrichtung Wood K plus arbeitet Fries an holzbasierten Hochleistungswerkstoffen für Satelliten, die weniger Weltraummüll und schädliche Partikel in der Erdatmosphäre bei gezielten Abstürzen erzeugen. FOTEC betreibt gemeinsam mit der Fachhochschule Wiener Neustadt das erste ESA-Lab in Österreich, das sich der Entwicklung und Erprobung von Kleinsatelliten widmet.

Fakten

Aktuell umkreisen mehr als 13.000 Satelliten die Erde. Sobald sie ihre Mission beendet haben und ihre Lebensdauer zu Ende ist, werden sie in der Regel kontrolliert zum Absturz gebracht.

Erdanziehung
Dabei bremst man den Satelliten ab. Durch die stärker werdende Erdanziehungskraft steuert er dann von selbst auf die Erde zu.

Reibung
Es entsteht atmosphärische Reibung, welche ebenfalls immer stärker wird. Der Satellit wird heiß. Das führt zum Verglühen. Das findet normalerweise über unbewohntem Gebiet statt, falls einige Trümmerteile nicht vollständig verglühen und zur Erde fallen.

Verglühen rückstandslos

Hochleistungswerkstoffe aus Holz sind überraschend tauglich für den Einsatz im All: Sie sind leicht, stabil, hitzebeständig – und verglühen beim Wiedereintritt nahezu rückstandslos, wie die Projektleiterin erklärt. „Bei Aluminium weiß man, dass Partikel übrig bleiben. Bei Holz schätzen wir, dass es zu einer Reduktion solcher Partikel von bis zu 90 Prozent kommt.“ Das schont nicht nur die Umwelt, sondern reduziert gegenüber herkömmlichen Satelliten die Gefahr, dass nicht verglühte Teile des Aluminiumgehäuses auf der Erde einschlagen.

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Die Herstellung der innovativen Satelliten braucht weniger Energie und verursacht weniger CO2. Gleichzeitig handelt es sich um einen nachwachsenden Rohstoff. Die Forschenden müssen allerdings sicherstellen, dass das Material den Belastungen standhält. „Wir müssen den Satelliten mit seinen Strukturelementen überhaupt erst einmal ins All bringen. Er muss die erforderliche Festigkeit aufweisen, um den hohen Vibrationen und Schocks beim Raketenstart standhalten zu können. Holz muss diese Belastungen aushalten, ohne dass beispielsweise Risse oder andere Schäden entstehen“, sagt Fries. 

Extremtemperaturen

Zudem müsse der Holz-Satellit über eine thermische Stabilität verfügen, damit er extremen Temperaturschwankungen im Weltraum standhält. „Ist er etwa der Sonne zugewandt, kann er 150 Grad Celsius ausgesetzt sein. Befindet er sich im Erdschatten, können es minus 150 Grad Celsius sein“, erklärt die Weltraumforscherin. Untersucht werden soll außerdem, wie genau das Holz beim Wiedereintritt verglüht und ob dies wirklich vollständig geschieht. 

Ein erster Prototyp soll in den kommenden Monaten bereitstehen, um diese Bedingungen realitätsnah zu testen. Langfristig soll der Satellit einen Beitrag zur Zero Debris Charter der ESA leisten, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Entstehung von Weltraummüll bis 2030 drastisch zu reduzieren. Das Projekt läuft bis März 2027. Die gewonnenen Erkenntnisse könnten über die Raumfahrt hinausreichen. So könnten auch Branchen wie die Luftfahrt oder der Automobilbau, in denen nachhaltige Materialien zunehmend gefragt sind, davon profitieren.  

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Andreea Bensa-Cruz

Andreea Bensa-Cruz beschäftigt sich mit neuesten Technologien und Entwicklungen in der Forschung – insbesondere aus Österreich – behandelt aber auch Themen rund um Raumfahrt sowie Klimawandel.

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