B2B

Breitbandausbau: "Markt denkt zu kurzfristig"

"Ein Hindernis bei der Umsetzung des energieeffizienten und nachhaltigen Breitbandausbaus in Österreich könnte ein unkoordiniertes Vorgehen der Marktakteure sein ", betont Slavisa Aleksic von der TU Wien."Ein Ausbau nur nach marktwirtschaftlichen Kriterien und ohne langfristige Planung sowie Unterstützung und Koordination durch Politik führt höchstwahrscheinlich zu einer ineffizienten Breitbandinfrastruktur.", erklärt der Forscher, der gemeinsam mit der Österreichischen Energie-Agentur (AEA) im Rahmen des Projekts "Home-ICT" (PDF) Szenarien und Empfehlungen für einen energieeffizienten Breitbandausbau entwickelt hat. Das Projekt, das aus Mitteln des Klima- und Energiefonds finanziert wurde, wurde Ende Januar 2013 abgeschlossen.

Kombination aus LTE und Glasfaserkabel
"Unsere Empfehlung ist eine Kombination aus LTE für mobile Anschlüsse und Glasfaser-basierten Netztechnologien für Festnetzanschlüsse. Das mobile Netz kann allerdings nicht ohne Anbindung an das Festnetz funktionieren; es wird daher eine Symbiose geben", so Aleksic. " Bei der Errichtung von neuen Siedlungen können Glasfaser oder Leerrohren gemeinsam mit anderen Kabeln mitverlegt werden, wodurch eine beträchtliche Kostenreduzierung und Beschleunigung des Breitbandausbaus erzielt werden könnte.", sagt der Experte.

Laut Infrastrukturministerin Doris Bures soll die Errichtung von Hochleistungsbreitband von 100 MBit/s zielgerichtet dort finanziell unterstützt werden, wo der Ausbau sonst für privatwirtschaftliche Unternehmen nicht wirtschaftlich rentabel sei. Darüber hinaus soll es auch eine „regionale Erschließungsprämie“ geben. Bei kommunalen Grabungsarbeiten sollen bereits leere Rohre und unbeschaltete Glasfaserkabel mitverlegt werden. Das neue Breitbandbüro, das seit 1. Jänner 2013 existiert, soll diese Aktionen organisatorisch unterstützen. "Eine derartige Koordinationsstelle ist sehr sinnvoll und eine gute Idee", meint Thomas Bogner von der AEA.

Glasfaserkabel "zukunftssicher"
Glasfaser gilt dabei laut Bogner als "energieeffizient und zukunftssicher". "Datenübertragung über optische Glasfaser ist um einiges energieeffizienter als über Kupferdoppelader oder Koaxialkabel. Außerdem bietet Glasfaser eine potenziell enorme Kapazität. Bei Experimenten wurde bereits eine Übertragungsrate von knapp 70 TBit/s über eine einzelne Glasfaser und einen Wellenlängenkanal demonstriert. Das ist das Millionenfache dessen, was heutzutage über Kupferkabel übertragen wird.", sagt Aleksic. "Koaxialkabel haben zwar bessere Übertragungseigenschaften als Kupferdoppelader, aber das Signal verliert relativ schnell an Stärke und muss verstärkt werden. Je mehr Verstärker man braucht, desto mehr sinkt die Energieeffizienz", erklärt Bogner. Für die Erreichung der Ziele der Digitalen Agenda sei daher zusätzlich zu einer sehr guten LTE-Abdeckung ein Ausbau des Glasfasernetzes von essentieller Bedeutung.

Die Forscher empfehlen zudem, auf effiziente Kühlkonzepte und Free Cooling zu setzen. "Free Cooling wird bereits häufig eingesetzt ", sagt Bogner. "Außerdem wechseln die Netzbetreiber ihre Basis-Komponenten regelmäßig aus. Kein Netzbetreiber geht davon aus, dass der IKT-Verbrauch in Zukunft sinken wird, da ein Ausbau des Netzes üblicherweise durch Einsatz von mehr Geräten und leistungsfähigem Equipment erfolgt", fügt Bogner hinzu. In manchen Fällen kann man regenerative Energiequellen für die Stromversorgung des Netzequipments verwenden.

Außerdem können durch den Einsatz von Low Power Mode-fähigen Netzkomponenten erhebliche Energieersparnisse erzielt werden. "Diese Komponenten werden zwar schon am Markt angeboten, aber sie im operativen Netz einzusetzen, ist schwierig, weil dadurch der Betrieb beeinflusst wird. Auch die Standardisierung in diesem Bereich ist noch nicht abgeschlossen.", erklärt Aleksic von der TU Wien. Durch die Ausschöpfung technischer Möglichkeiten zur Erhöhung der Energieeffizienz könnten im Jahr 2020 hunderte GWh pro Jahr gespart werden. Somit könnte ein Anstieg des Gesamtenergieverbrauchs der Zugangsnetze vermieden werden. Laut den Forschern besteht Bedarf an einer koordinierten Aktion aller Stakeholder und einer Unterstützung durch gezielte politische und regulatorische Maßnahmen.  

100 MBit/s - braucht man das wirklich?
Die Wissenschaftler haben sich allerdings auch die Frage gestellt, ob man eine ultraschnelle Breitband-Internet-Anbindung von 100 MBit/s für alle in Zukunft wirklich brauchen wird. "Derzeit gibt es keine allzu große Nachfrage nach 100 MBit/s. Diese Nachfrage muss erst generiert werden. Wenn es morgen bereits soweit wäre, wäre das Netz höchstens zu zehn Prozent ausgelastet", meint Aleksic. "Diese Nachfrage zu generieren, ist allerdings schwierig zu steuern", so der Forscher. Laut einer Cisco-Prognose soll der Datenverkehr sich bis 2020 um den Faktor 36 erhöhen und die Gerätedichte zunehmen. Jeder Mensch wird rund sechs Geräte besitzen, die mit dem Internet verbunden sind und zwei Drittel des Datenaufkommens im Jahr 2015 wird durch Übertragung von Videos entstehen.

Zahlen aus dem Jahr 2012 zeigen, dass derzeit rund 77 Prozent der österreichischen Haushalte über einen Breitbandanschluss verfügen. Dabei zählt sowohl Breitband über Festnetz sowie mobiles Breitband. 2010 waren es erst zehn Prozent. Bandbreiten ab 30 Mbit/s und aufwärts sind derzeit vorwiegend in Ballungsräumen verfügbar. In den ländlichen Gebieten fehlt es jedoch noch immer an adäquaten Anbindungen. Ohne unterstützende Maßnahmen wird sich diese digitale Kluft noch weiter vertiefen. "Der Breitbandausbau ist ein komplexes Thema mit vielen Facetten", sagt Bogner. "Wir hoffen, dass wir mit unseren Empfehlungen einen Beitrag im Bereich IKT- und Energieeffizienz leisten konnten."

Mehr zum Thema

  • Mobilfunk: Frequenzerlöse schon verplant
  • Mobilfunkfrequenzen: 526 Mio. Euro erwartet
  • A1: "Die Roaming-Tarife gehören abgeschafft"
  • Grüne sehen Chancen für Breitbandabgabe
  • Mobiler Datenverkehr hat sich verdoppelt
  • Tirol will Breitband-Internet fördern
Klicken Sie hier für die Newsletteranmeldung

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

mehr lesen