Digital Life

Wie man Leute dazu bringt, Windräder und Solaranlagen zu mögen

Um die Energiewende umzusetzen und von fossilen Energieträgern weg zu kommen, müssen in den kommenden Jahren viele neue Solar-, Wind- und Wasserkraftwerke errichtet werden. Die Akzeptanz bei der Bevölkerung ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg solcher Projekte. Denn manchmal kommt es dazu, dass die Errichtung von Windrädern oder Photovoltaikanlagen von unzufriedenen Anrainer*innen blockiert wird.

Nachbarn sind offener, als man glaubt

Umfragen wie der jährlich erhobene Stimmungsbarometer von der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt (AAU), Deloitte, Wien Energie und Wirtschaftsuniversität Wien zeigen, dass die Zustimmung zu Erneuerbarer Energie in der österreichischen Bevölkerung im Allgemeinen sehr hoch ist. 76 Prozent sind Wind-, Solar- und Wasserkraft gegenüber positiv eingestellt.

In einer Studie zur Akzeptanz von Windkraft der AAU wurde aber interessanterweise festgestellt, dass viele Personen nicht daran glauben, dass ihre Landespolitik oder Bürger*innen aus ihrer Nachbarschaft so aufgeschlossen wie sie selbst sind. "Man glaubt also, dass die eigenen Nachbar*innen kritischer gegenüber Windenergie eingestellt sind, als sie es tatsächlich sind", sagt Stefan Moidl, Geschäftsführer des Verbands IG Windkraft.

Windräder waren für viele junge Menschen schon immer ein Teil des Landschaftsbildes

Von Anfang an im Boot

Von der Idee bis zur Aktivierung von Wind-, Solar- und Wasserkraftwerken muss ein langwieriger, mehrstufiger Prozess durchlaufen werden. Die Projektverantwortlichen achten üblicherweise genauestens darauf, dass die lokale Bevölkerung von Anfang an "ins Boot geholt" wird. Statistiken zeigen, dass Gemeinderatsbeschlüsse und Volksabstimmungen überwiegend für die geplanten Projekte ausgehen, zu Komplikationen kommt es dennoch immer wieder. "Dass jemand den Rechtsweg nimmt, um eine Anlage zu verhindern, nimmt zu", meint Moidl. "Das ist aber ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Leute berufen mehr. Aber es sind immer nur einzelne, die das machen."

"Wenn wir Projekte beginnen, starten wir immer bei der Gemeinde", erzählt Michael Hannesschläger, Geschäftsführer des Energieparks Bruck an der Leitha. "Gleichzeitig muss man die Grundeigentümer rasch einbinden." Ihr Boden wird z.B. als Standort für Windräder gepachtet. Sobald der Gemeinderat kontaktiert wurde, verbreitet sich die Kunde über das geplante Projekt üblicherweise schnell. Projektbetreiber führen üblicherweise Informationsveranstaltungen für die Anrainer*innen durch und achten darauf, ständig erreichbar zu sein.

Blinklichter müssten nicht sein

Die Sichtbarkeit von erneuerbaren Stromerzeugungsanlagen polarisiere immer, sagt Moidl. "Manche Menschen wollen sie keinesfalls sehen, andere sehen darin ein Symbol für eine nachhaltige Energieversorgung." Wie das Urteil ausfalle, hänge stark von Alter und Wohnort ab. Jüngere Personen, die in ihrer Umgebung ihr ganzes Leben lang Windräder gesehen haben, empfinden diese selten als störend. "Wenn ich wo hingehe, wo es noch kein Windrad gibt, gibt es höhere Ressentiments. Leute fürchten sich vor dem, was sie nicht kennen", erzählt Michael Hannesschläger. Ein Windrad könne man allerdings nicht verstecken.

So sichtbar wie derzeit müssten Windräder aber nicht sein, meint Moidl. Die Blinklichter, die abends aktiviert werden, um Flugzeugpilot*innen zu warnen, werden in anderen Ländern, wie Deutschland oder den Niederlanden, nur bei Bedarf aktiviert. In Österreich sind solche Systeme noch nicht zugelassen. Die blinkenden Lichter dienen eigentlich den Pilot*innen kleiner Flugzeuge, die kaum jemals in der Nacht unterwegs sind. Pilot*innen nachts fliegender Hubschrauber seien meist mit Nachtsichtgeräten ausgestattet. Für sie gibt es eigene Blinklichter im Infrarotbereich.

Die erhöhte Sichtbarkeit ist möglicherweise auch eines der größten Probleme von Photovoltaikanlagen auf Freiflächen. "Die meisten Dachanlagen sind relativ klein. Auf Flachdächern von Gewerbeimmobilien sieht man sie vom Boden aus nicht einmal. Aber auf der Freifläche sind sie sichtbarer, das irritiert viele", erklärt Vera Immitzer, Geschäftsführerin des Verbands PV Austria. "Viele Leute befürchten, dass es da eine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion gibt."

Photovoltaikanlagen sind besonders dort akzeptiert, wo man sie nicht sieht, etwa auf sonst ungenutzten Dächern von Gewerbeimmobilien

Subjektives Landschaftsbild

Ein oft von Kritiker*innen verwendeter Begriff ist das "Landschaftsbild", das durch Windparks oder Solarkraftwerke zerstört werde. "Darum gibt es eine heiße Diskussion. Was man als schön empfindet, ist eine stark subjektive Erfahrung", sagt Moidl. Das Landschaftsbild sei auch Gegenstand mehrerer Prüfungen, die vor einer Baubewilligung für Erneuerbare-Energie-Projekte notwendig seien, u.a. bei der Umweltverträglichkeitsprüfung. "Es gibt mehr als 40 wissenschaftliche Methoden, um Landschaftsbildbewertungen durchzuführen." Schlussendlich ließe sich das Landschaftsbild nur mit einer bestimmten Werthaltung messen. Werte ändern sich aber mit der Zeit.

"Dass wir die Landschaft, in der wir leben, grundsätzlich prägen, das macht die Menschheit schon immer", sagt Hannesschläger. Egal ob großflächige Landwirtschaft oder Wälder aus Fichten-Monokulturen: "Dem einen gefällt's, dem anderen nicht." Wo man Windräder oder PV-Anlagen errichte, sei stets ein Abwägungsprozess. In einen "hochsensiblen Bereich" würde man Windräder nie hinstellen, aber Kompromisse müsse man schon eingehen.

Bei PV-Anlagen würden oft Muldenlagen anstatt Standorten auf exponierten Hängen überlegt, erzählt Immitzer. "Man kann auch Hecken rundherum anpflanzen. Dann sieht man die Anlage kaum und es gibt Rückzugsorte für Wildtiere." Kraftwerke hätten auch das Potenzial, als Aufenthaltsraum für Menschen erschlossen zu werden, etwa mit Naturlehrpfaden, Sitzbänken oder Stromtankstellen für E-Autos.

Mit der Geldbörse dabei

Sehr erfolgversprechend für die Akzeptanz bei der Bevölkerung ist die finanzielle Beteiligung von Bürger*innen. In Österreich gibt es einige Anlagenbetreiber, die Aktien und Anleihen anbieten. Kraftwerksbetreibern steht es außerdem frei, Erneuerbare Energiegemeinschaften zu gründen und der Lokalbevölkerung günstigen Strom anzubieten. Auch Investments, für die man jährliche Erträge erhält, etwa in Form von Gutscheinen, seien eine Möglichkeit der Bürgerbeteiligung, meint Immitzer. "Wenn Leute mit ihrer Geldbörse dabei sind, beschäftigen sie sich ganz anders mit dem Thema", ist Hannesschläger überzeugt.

In Österreich sei es generell so, dass die Wertschöpfung durch erneuerbare Energien in der Region bleibe, meint Moidl. "Windkraftunternehmen sind meist lokal sehr verwurzelt. Große ausländische Entwickler, die nach Österreich hereinströmen, gibt es nicht. Die meisten Betreiberfirmen sind in den Regionen entstanden." Die lokale Verwurzelung sei sichtbar, wenn neue Anlagen eröffnet werden. "Da kommen oft tausende Leute. Sie haben diese Projekte emotional angenommen und finden das super."

Klicken Sie hier für die Newsletteranmeldung

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

mehr lesen