Siedlung mit einer PV-Anlage am Dach eines Hauses

Strom aus lokaler Produktion, etwa vom Dach der Nachbarn, ist klimafreundlich und günstig

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Erneuerbare Energiegemeinschaften: Start trotz Hürden

Seit Juli ist in Österreich das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz (EAG) in Kraft. Es erlaubt die Gründung von Energiegemeinschaften, um privat erzeugten Strom lokal zu verkaufen. Im niederösterreichischen Gänserndorf ist nun die erste Erneuerbare Energiegemeinschaft Österreichs ans Netz gegangen. Sie verspricht Strom zu günstigen Preisen, der quasi vom Hausdach der Nachbarn statt von weiter Ferne kommt.

Vereine im ganzen Land gegründet

Hinter der EEG Gänserndorf steht die Plattform e-Gemeinschaft.at, die ähnliche Projekte in ganz Österreich verwirklichen will. "Wir haben bereits 6 Vereine im ganzen Land gegründet, um Erneuerbare Energiegemeinschaften zu gründen", erzählt Peter Lauppert, der Vorstand der EEG Gänserndorf, im Gespräch mit der futurezone. Die Voraussetzungen dafür seien aber noch nicht optimal. Mit dem Projekt östlich von Wien will e-Gemeinschaft.at nun erstmals zeigen, wie eine Energiegemeinschaft in der Praxis funktioniert.

"Aus Kund*innensicht ist oft unklar, was man von einer Erneuerbaren Energiegemeinschaft hat", meint Lauppert. "Uns ging es darum, das ganz klar aufzuzeigen." Auf der Webseite des Vereins gibt es einen Rechner, mit dem ermitteln kann, wieviel Geld man sich als Kund*in erspart, wenn man Strom sowohl vom gewohnten Energieanbieter als auch von der Energiegemeinschaft bezieht. Denn wieviel Strom man von der EEG erhält, hängt davon ab, wieviel Solarenergie gerade zur Verfügung steht. Hauptenergiequelle sind nämlich Photovoltaikanlagen auf den Dächern von Privathaushalten.

Günstiger als normalerweise

Wer bei der EEG als Stromproduzent mitmacht, erhält 0,085 Euro pro Kilowattstunde von der Verbraucherin bzw. dem Verbraucher. Verbraucher*innen erhalten jedoch auf der Rechnung des Netzbetreibers einen Rabatt. Die Ersparnis setze sich aus 3 Komponenten zusammen:

  •     Durch die wegfallende Nutzung höherer Netzebenen (z.B. Hochspannungsleitungen) zahlt man eine geringere Netzgebühr
  •     Die Elektrizitätsabgabe fällt weg
  •     Der Ökostromförderbeitrag fällt weg

Effektiv bezahlt man als Verbraucherin bzw. Verbraucher daher 0,033 Euro pro Kilowattstunde.

Für den Stromverbrauch über die EEG zahlt man also relativ wenig. Für den Verwaltungsaufwand der EEG muss man zusätzlich einen Euro pro Monat zahlen. "Unser Ansatz ist, dass die Transaktionskosten so gering wie möglich ausfallen." Das Mitmachen solle so möglichst risikolos und einfach bleiben. Eine Anmeldung über die Webseite reiche aus. An Hardware benötigt man lediglich einen Smart Meter. Falls man den nicht besitzt, kann man ihn bei seinem Netzbetreiber beantragen und muss ihn innerhalb von 2 Monaten kostenlos erhalten.

Versorgungssorgen

Sorgen um die Verlässlichkeit der eigenen Stromversorgung seitens Kund*innen kennt Lauppert gut: "Wir müssen oft erklären, dass immer Strom aus der Steckdose kommt, auch wenn ich einer EEG beitrete. Das ist eine reine Verrechnungssache." Stromerzeuger*innen seien meist leicht von der Sinnhaftigkeit einer Energiegemeinschaft zu überzeugen. "Wenn sich jemand eine Photovoltaikanlage aufs Dach stellt, hat er sich mit dem Thema schon beschäftigt."

Bürokratische Hürden

Die Energiegemeinschaft auf die Beine zu stellen, sei keine einfache Aufgabe gewesen, schildert Lauppert. "Das ist relativ kompliziert. Im Prinzip wäre der Gedanke ja, dass das jeder in der Nachbarschaft machen kann, aber so einfach funktioniert das nicht. Wir haben einen ziemlichen Hürdenlauf hingelegt." Obwohl das EAG Ende Juli in Kraft getreten sei, habe es eine Zeit lang gedauert, bis entsprechende Verträge bei den Netzbetreibern auflagen und der elektronische Datenaustausch hergestellt war. Für EEG ausgelegte Rechensysteme der Netzbetreiber gingen erst Anfang Oktober online - und sie sind derzeit nur eingeschränkt nutzbar.

Eigentlich sollten Netzbetreiber die Daten mehrerer Produzent*innen und Abnehmer*innen zu einer EEG zusammenfassen können. Derzeit kann ein Abnehmer bzw. eine Abnehmerin jedoch nur einem Produzenten bzw. einer Produzentin zugeordnet werden. Virtuell müssen also mehrere EEGs angelegt werden, und Stromproduktion und -verbrauch, wie eigentlich vom Gesetz angedacht, ausbalancieren zu können.

Die für eine EEG notwendige Gründung eines Vereins sowie die Programmierung eines eigenen Abrechnungssystems seien dagegen vergleichsweise einfach gewesen. "An der Programmierung unseres Algorithmus sind wir 3 Tage gesessen. Es sind 100 Zeilen Code, die stellen wir als Open Source anderen frei zur Verfügung." Das Erstellen von Rechnungen sei "keine Raketenwissenschaft", das Eintreiben des Geldes sei dagegen ein etwas größerer Aufwand.

Peter Lauppert, Vorstand EEG Gänserndorf, vor Wechselrichter

Peter Lauppert (re.), Vorstand der EEG Gänserndorf, will die Vorteile von lokalem Stromhandel bekannter machen

Verhandlungen mit Netzbetreibern

Mit dem Netzbetreiber Netz Niederösterreich sei die Zusammenarbeit gut gelungen. In anderen Regionen, in denen e-Gemeinschaft.at schon Vereine gegründet hat, sei der Umgang mit Netzbetreibern dagegen noch problematisch. Das sei teilweise missverständlichen Formulierungen im EAG geschuldet, meint Lauppert. "Wir haben etwa die Frage diskutiert, ob es möglich ist, als Überschusseinspeiser an einer EEG teilzunehmen." Können Besitzer*innen einer Photovoltaikanlage also einen Teil des erzeugten Stroms selbst verbrauchen und den Rest einer EEG zur Verfügung stellen, oder müssen sie 100 Prozent des erzeugten Stroms ins Netz einspeisen? Der Gesetzestext lässt beide Interpretationen zu.

Ein anderes Problem sei die Regelung des Smart-Meter-Bezugs innerhalb von 2 Monaten gewesen. "Es gibt Netzbetreiber, die den Smart Meter installieren, aber die Kommunikation mit dem Smart Meter herzustellen, dauert länger. Das sind Kleinigkeiten, aber wenn man die ins Gesetz reingeschrieben hätte, wäre das klar gewesen."

Mehrere Initiativen laufen

Unterdessen werden auch an anderen Orten in Österreich Energiegemeinschaften gegründet bzw. sind bereits gegründet worden, etwa in Wien Liesing (siehe unten) oder im niederösterreichischen Tattendorf. Schon vor Verabschiedung des EAG hat es dazu Pilotprojekte gegeben. Das Start-up eFriends ermöglicht Energiegemeinschaften dank eines regulativen Kunstgriffs schon seit 2018. Wer nun tatsächlich die erste EEG im Lande ist, scheint daher nicht ganz klar. Für Lauppert steht fest: "Sowohl in Niederösterreich als auch in Wien haben wir im Register der EEG die Nummer 1."

Installation von einem PV-Paneel auf einem Fabriksdach

Energiegemeinschaft Grätzl Energie

Energie aus dem Grätzl

In Liesing, dem 23. Wiener Gemeindebezirk, entsteht derzeit eine Energiegemeinschaft namens Grätzl Energie. Anfang Oktober hat sie ihren ersten großen Stromproduzenten gewonnen. Auf dem Dach der Firma W.A. Richter wurde eine Photovoltaikanlage mit 200 Kilowatt Spitzenleistung installiert. "Dafür muss es jetzt noch Abnahmen geben. Dann schauen wir, wie wir die Anlage mit den ersten Abnehmern in Verbindung bringen und schrittweise wachsen", schildert Energiewende-Experte Roland Kuras, der Vorstand von Grätzl Energie.

Eine Energiegemeinschaft im urbanen Raum weise eine höhere Verbrauchsdichte im Verhältnis zur Fläche auf. Andererseits stünden am Land mehr Möglichkeiten zur Energieerzeugung zur Verfügung. In der Stadt könne man etwa keine Windräder aufstellen. In Wien Liesing seien die Bedingungen relativ gut, weil es viel Gewerbe gebe und große Dachflächen vorhanden seien.

In Zukunft sei es laut Kuras aber auch denkbar, das ländliche Umland von Städten in Energiegemeinschaften miteinzubeziehen, etwa in Form einer so genannten Bürgerenergiegemeinschaft. Diese kann laut dem Erneuerbare-Ausbau-Gesetz auch höhere Netzebenen verwenden. Dadurch fallen zwar Netzkostenvorteile weg, aber der Strom wird dennoch lokal produziert und verwertet. Kuras: "Die Klimafrage braucht viele Beiträge. Es wird nicht einen Wunderwuzzi geben, sondern es braucht viele Elemente, damit wir das schaffen."

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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