Russland versteckt jetzt auch Kampfflugzeug Su-34 unter Reifen
Im Internet kursiert ein kurioses Foto. Eine Su-34 steht am Flugfeld. Auf ihr liegt ein ganzer Haufen Reifen. Sogar auf die Pods an den Flügelspitzen, die Elektronik enthalten, wurden Reifen gehängt.
Zu Friedenszeiten könnte man meinen, dass hier die Bodencrew einem neuen Piloten einen Streich gespielt hat. Da sich das Kampfflugzeug aber auf einer russischen Flugbasis nahe der Ukraine befindet, dürfte es ein improvisierter Versuch sein, um die Maschine vor ukrainischen Angriffen zu schützen.
Das Bild wurde zuerst auf Telegram vom populären pro-russischen Milblogger Fighterbomber gepostet. Mittlerweile wurde das Foto wieder gelöscht. Das bedeutet aber nicht, dass es ein Fake ist: im Gegenteil. Mit der Hilfe früherer Fotos und Satellitenbilder konnten User*innen im Internet den Standort der Maschine bestimmen (Geolocating). Und dem russischen Militär wird es wohl gar nicht recht sein, wenn über Telegram nicht nur der genaue Standort der Su-34, sondern auch diese bizarr anmutende Schutzmaßnahme publik gemacht wird.
Reifenschutz auch für strategische Bomber
Die Maschine steht demnach im russischen Voronezh Malshevo Luftwaffenstützpunkt, etwa 150 km von der ukrainischen Grenze entfernt. Dort sind hauptsächlich Su-34, Su-35 und Su-24 stationiert. Diese Typen werden von Russland gegen die Ukraine als Jagdbomber bzw. taktische Bomber eingesetzt.
Die Reifen auf den Flugzeugen wurden erst kürzlich auch bei größeren Bombern beobachtet. Ende August tauchten sie auf Satellitenbildern der russischen Engels-Basis auf.
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Dort stehen mehrere Tu-95 strategische Bomber, mit Reifen auf den Flügeln und Dächern. Auch Tu-160 Bomber wurden mit diesem „Upgrade“ ausgestattet.
Möglicherweise Schutz vor Kamikazedrohnen
Die Flugfelder, auf denen Maschinen mit der Zusatzbereifung gesichtet wurden, haben keine oder nicht genügend Hangars, um die Kampfflieger und Bomber unterzustellen. Das heißt sie sind nicht nur auf Satellitenfotos, sondern auch von kleineren, kommerziellen Drohnen leicht zu entdecken.
Ganz klar ist aber nicht, was die Intention der Dachreifen ist. Einen Schutz vor Kamikazedrohnen stellen sie nur bedingt dar, zumal nicht alle Teile des Flugzeuges bedeckt sind. Mit einer kleinen Sprengstoffdrohne könnte man also gezielt die Schwachstellen angreifen.
Vielleicht soll damit auch nur verhindert werden, dass so eine Drohne mit Sprengstoff direkt auf dem Dach oder der Tragfläche der Maschine landet. Das würde zumindest die Distanz zwischen Sprengkörper und Flugzeug reduzieren – um eine Reifenbreite. Man sagt zwar: „Ein bisschen Schutz ist besser als gar kein Schutz“, aber ob die Reifen wirklich reichen, die Explosion einer Kamikazedrohne merkbar abzufedern, ist fraglich.
Schutz vor Zielerfassung
Wahrscheinlicher ist, dass hiermit die Sensoren von Marschflugkörpern getäuscht werden sollen. Moderne Raketen, wie etwa Storm Shadow, haben eine Infrarot-Kamera eingebaut. Diese gleicht im Zielanflug ein zuvor im Bordcomputer eingespeichertes Foto mit Live-Bildern der Infrarot-Kamera ab, um das Ziel zu finden. Diese Systeme sind als TERCOM, DSMAC und ATR bekannt.
Die Reifen auf den Flugzeugen könnten die Infrarot-Signatur der Maschine verändern. Die Reifen werden durch die Außentemperatur unterschiedlich erhitzt als der Rest des Flugzeuges. Da sie so eng zusammen liegen, entsteht eine Art Infrarot-Tarnnetz, dass die Form des Flugzeugs auf den Infrarot-Aufnahmen bricht.
Ob das tatsächlich funktioniert, ist nicht bekannt. Die Ukraine hat kürzlich jedenfalls ihre Antischiffs-Raketen Neptun zu Marschflugkörpern umgebaut, die ebenfalls TERCOM nutzen. Russland hat also berechtigten Grund zur Sorge, dass die Bomber auf Flugbasen künftig damit beschossen werden.
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Bestätigt ist zumindest, dass sich die Reifen auf die Radarsignatur auswirken. Auf Satelliten-Radaraufnahmen (SAR) ist erkennbar, dass die Signatur der Tu-95 zerstreut aussieht. Allerdings besitzt die Ukraine laut derzeitigem Wissensstand keine Marschflugkörper oder Langstreckenraketen mit Radarsuchkopf, die gegen Bodenziele eingesetzt werden.
Flugzeuge befinden sich anscheinend in Wartung
Auffällig ist, dass bei der Su-34 ein Teil des Düsentriebwerks fehlt. Auch bei den Satellitenaufnahmen war erkennbar, dass bei einer Tu-95 Teile fehlen.
Die Reifentarnung dürfte also primär bei Maschinen erfolgen, die gerade gewartet werden und deshalb für längere Zeit am selben Fleck stehen. Das spricht ebenfalls dafür, dass es eine Tarnung gegen TERCOM-Systeme sein soll.
Denn würden die Kampfflugzeuge oft auf Einsätzen sein, wäre es schwieriger, das Zielsystem der Marschflugkörper mit einem aktuell Bild zu speisen. Und wenn das Flugzeug gerade unterwegs ist, kann man es nicht am Boden treffen. Steht der Bomber aber mehrere Tage oder gar Wochen zur Wartung auf demselben Punkt, wäre er ein leichtes Ziel für Marschflugkörper.
Wurde die Su-34 doch nur als Scherz getarnt?
Schlussendlich kann man aber nicht ausschließen, dass zumindest die bereifte Su-34 als Scherz gedacht war. Die Satellitenfotos der mit Reifen geschützten Tu-95s und Tu-160s gingen nicht nur durch westliche, sondern auch russische Medien. Womöglich wollte sich die Bodencrew von Voronezh Malshevo darüber lustig machen, indem sie die deutlich kleinere und als Ziel für die Ukraine unwichtigere Su-34 „getarnt“ hat.